Wer hat für Bauvorhaben die Planungshoheit, der Gemeinderat oder das Landratsamt in Konstanz? Und wen vertreten die Gemeinderäte, die Bürger oder die Investoren? Hätte ein anderes Verfahren die Zustimmung innerhalb der Bürgerschaft für das Bauvorhaben Schlössli begünstigen können und für Transparenz sorgen können? Mit all diesen Fragen sahen sich der Bürgermeister von Gaienhofen und die Gemeinderäte in der jüngsten Gemeinderatssitzung aus Reihen der Bürgerschaft konfrontiert.
70 Bürger begehrten Einlass ins Rathaus, 54 von ihnen fanden, teils stehend, Platz im Ratssaal. 16 Bürger verweilten vor der offenen Tür im Flur des Rathauses, um den Informationen von Bürgermeister Jürgen Maas über die baurechtlichen Verfahrensabläufe für den Teilabriss wie den Um- und Neubau des Schlössli zu folgen.
Feuerprobe für Bürgermeister Maas
Es war eine Feuertaufe für den neuen Bürgermeister von Gaienhofen. In seiner ersten Arbeitssitzung nahm Jürgen Maas ein für die Bürger mit Sprengsatz behaftetes Thema auf die Agenda: das Bauvorhaben Schlössli am Seeufer von Horn.
Maas sieht in dem Schlössli-Areal eine Liegenschaft, die sich im Privatbesitz befindet. Da habe die Gemeinde kaum Steuerungsmöglichkeit und nur eine beschränkte Einflussnahme auf die Architektur, Größenordnung und Art der Nutzung. Das Areal sehe laut Bebauungsplan ein Sondergebiet Hotel vor. Eine andersartige Nutzung, wie zum Beispiel Wohnen, sei mit dem vorhandenen Bebauungsplan gar nicht möglich. Die Festlegungen in dem Bebauungsplan würden vom Bauantrag erheblich überschritten, so Maas: Nach der Rechtslage könnte eine Befreiung erteilt werden. Doch es bestehe keine Verpflichtung.
Über den Bauantrag entscheide nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt in Konstanz. Gaienhofen werde mit dem Erteilen oder Versagen des Einvernehmens angehört. Die Entscheidungen treffen die Räte. Der Bauantrag sei aktuell vom Antragssteller ruhend gestellt worden, so Maas. Das bedeute, dass er vom Landratsamt nicht bearbeitet wird und es Zeit für Information, auch durch den Bauherrn, geben würde.
Nur eine Chance für den Gemeinderat
In der Ratsaussprache beschrieb Karl Amann (UBL) das Baugrundstück als einen sensiblen Ort. Mit der Kirche in Horn sei das Schlössli „ein Blickpunkt für die Höri“. Für das Bauprojekt habe der Gemeinderat nun Befreiungen in einer Größenordnung von 63 Prozent zu bewilligen. Seit er Gemeinderat ist, habe der Rat noch nie eine Befreiung in dieser Größenordnung erteilt, erklärte Amann. Seiner Meinung nach gebe es für den Gemeinderat nur eine einzige Chance, damit an diesem Ort Schönes entstehen könne: über den Einfluss auf die Befreiungen.
Mechthild Biechele (CDU) sieht aufgrund der Rechtslage den Gemeinderat in einer Statistenrolle. Sie befürchtet, dass das Landratsamt die Entscheidung herbeiführen werde. Bei den Befreiungsüberschreitungen sieht sie zudem Konflikte mit anderen Bauherren auf die Gemeinde zukommen. Heinz Burkart (UBL) hatte bereits für einen anderen Investor beim Amt für Denkmalschutz Auskünfte für das Schlössli eingeholt. Er kritisierte das Amt, dass es den Umbau des Schlössli nun anders bewerten würde als zum Zeitpunkt seiner Anfrage.
Mehr Offenheit gewünscht
Ingo Bucher-Beholz (UBL) sieht in den Bauplänen ein hohes Niveau und wünscht sich eine Offenheit für das Vorhaben. Bereits vorhandene Hotels am See begreift er als traditionellen Bestand, der den Maßstab für das Projekt vorgebe.
Seit zwei Jahren versucht Jürgen Rottler (die Aktiven) vergeblich, eine Stellungnahme von Fachbehörden einzuholen. Er zeigte sich verwundert, wie wenig Flexibilität die Gemeinde bei der Hafenanlage hatte – im Gegensatz zu dem, was nun auf dem Baugrundstück in dessen unmittelbarer Nähe möglich sei. Bei der Informationsveranstaltung wünschte er sich Klarheit seitens der Fachbehörden.
Kritik aus der Bürgerschaft
Bei der Fragemöglichkeit der Bürger vermisste Michael Funke Gutachten für den Verkehr sowie für den Lärm- und Klimaschutz. Angesichts der Größe des Projekts müssten diese vorab erstellt werden, da das Hotel nur über eine bereits verdichtete Straße angefahren werden kann. Bettina Nocke zeigte sich überrascht, wie der Gemeinderat seine Planungshoheit auffassen würde. Auch wenn sich dieser schon lange mit dem Bauvorhaben beschäftigte, so habe er leider vergessen, die Bürger mit einzubeziehen.
Dass es sich bei dem Architekturbüro um ein renommiertes handeln würde, hieße lange nicht, dass deren Entwurf für diesen Ort der richtige sei, erläuterte Nocke. Es läge am Willen des Rats, ein Verfahren zur Veränderung des Bebauungsplans anzustreben. Sie kritisierte, dass der Rat die Ortsentwicklung in die Hände von Investoren legt, anstatt diese aktiv zu gestalten.
Ein abenteuerlicher Prozess
Das Baufenster umfasse eng das Schlössli, so Nocke – ansonsten sei im Bebauungsplan kein weiteres vorgesehen. In der Begründung stehe, dass sich die Gemeinde auf dem Areal die Möglichkeit einer Änderung des Bebauungsplans vorbehält. Die Gestaltung dieses einmaligen Ortes sollte im öffentlichen Verfahren entwickelt werden, befand Nocke. Dies könne nur ein Bebauungsplanverfahren leisten. In diesem wären auch die Bürger Teil des Verfahrens. Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan hätte die Gemeinde zudem Einfluss auf die Gestaltung. Der dafür notwendige Durchführungsvertrag könne auch die wechselnden Belegungen festlegen.
Der Vorsitzende vom BUND Vordere Höri, Martin Otto, beschrieb das bisherige Verfahren als abenteuerlichen Prozess. Eine Bebauungsplanänderung hätte eine Offenlage und damit auch die Stellungnahmen sowie Auflagen für den Verkehr, den Lärm und die Natur mit sich gebracht.