Wie hat Hermann Hesse auf der Höri gelebt? Welche Wege ist er gegangen, welche Aussicht hat er genossen? Zu welchen Werken hat ihn seine Umgebung inspiriert? Diese Fragen klären die literarischen Wanderungen, die das Hesse-Museum Gaienhofen bis in den Oktober hinein anbietet.

Start ist das Hesse-Haus in der Ortsmitte. Das Bauernhaus bezog Hesse mit seiner ersten Frau Maria Bernoulli im Jahr 1904. Der Vorschuss auf sein erstes Buch machte die Heirat möglich: „Es lebe ‚Peter Camenzind‘, ohne ihn konnte ich nicht heiraten.“
Texte belegen, wie wohl Hesse sich hier fühlte, wie sehr er den Dorfbrunnen und das frische Obst schätzte. Der Blick ging damals über die Mauritius-Kapelle bis zum Bodensee, wo die jungen Hesses der Bewegung der Lebensreform anhingen, die für ein einfaches, natürliches Leben abseits der großen Städte stand. Folgerichtig führt die Wanderung hinunter zum Seeufer, von wo aus Hesse mit dem Ruderboot ins schweizerische Steckborn zum Einkaufen fuhr.
Und hierher führte er auch Freunde zum freizügigen Baden, wie Bilder zeigen, die Führerin Irene Rössler den zwölf Spurensuchern zeigt. Hier gibt es auch heute noch die kleinen Buchten mit Kiesstrand, Gebüsch und Bäumen wie zu Hesses Zeiten.
Frühe psychische Störungen
Der nächste Stopp ist an der Schule Schloss Gaienhofen, wo Irene Rössler von der schweren Jugend Hesses erzählt. Schon mit dem sechsjährigen, willensstarken Hermann kam die Mutter nur schlecht zurecht, das strenge Leben im Haushalt des Missionars und Pietisten Johannes Hesse sorgte für frühe psychische Störungen.
In einem Brief an den Vater bittet Hesse um sieben Mark oder gleich den Revolver. Selbstmordgedanken und die Unterbringung in der Nervenheilanstalt kommentiert der 15-Jährige: „Ich bin eine Waise, deren Eltern leben.“ Sein Buch „Unterm Rad“ (1905) schildert die Demütigungen, die er in Schulzeiten erlebte.
Ab 1907 in Gaienhofen
1907 zieht die Familie Hesse mit Sohn Bruno in ein eigenes Haus in Gaienhofen. Die Kunst, schön zu wohnen, sei eine seiner Begabungen, habe Hesse gesagt. Und doch hatte er Probleme mit Beheimatung, Stabilität und dem Sesshaft-Werden. Im neuen Haus werden die Söhne Heiner und Martin geboren, bevor die Familie 1912 in die Nähe von Bern umzieht.
Die Wanderung führt durch den Wald bergauf. Auf dem Plateau mit Seeblick, den auch Hermann Hesse genossen haben wird, fasst Irene Rössler zusammen, welche Werke in Hesses Gaienhofener Zeit entstanden oder begonnen wurden: „Knulp“, die Geschichten des Vagabunden, „Gertrud“, das die unglückliche Liebe des Musikers Gottfried Kuhn schildert und die Anfänge von „Roßhalde“, das von einer missglückten Ehe handelt. 1923 wird Hesses Ehe, der zwei weitere folgen sollten, geschieden.
Die nächsten Termine sind am 20. August und 3. sowie 17. September um 14.15 Uhr. Anmeldung unter (0 77 35) 9 99 91 23 oder per E-Mail an info@gaienhofen.de
Das Hesse-Museum
Auf der Internetseite des Hesse-Museums Gaienhofen heißt es: „Frisch verheiratet (...) zog er nach Gaienhofen, um dort ein einfaches Leben auf dem Land zu führen.“ Zuvor hab der junge Autor Hermann Hesse (1877-1962) ein eher unstetes Leben an verschiedenen Orten geführt.
Mit dem „Gaienhofener Umweg“, wie er seine acht Jahre am Bodensee später genannt habe, sei die Hoffnung auf Stabilität und Beheimatung verbunden gewesen: „Hier begann die Zeit meines Lebens, in der ich nicht mehr zufällige und oft gewechselte Zimmer, sondern Häuser bewohnte“, zitiert das Hesse-Museum Gaienhofen den Schriftsteller.
Unter all diesen Häusern sei das schlichte Bauernhaus am Gaienhofener Dorfplatz, das er 1904 unmittelbar nach seiner Heirat mit Maria Bernoulli bezog, gewiss das wichtigste gewesen. Hermann Hesse habe es die „erste Zuflucht meiner jungen Ehe“ und die „erste legitime Werkstatt meines Berufes“ genannt.
Hier plante er auch das eigene Haus im Ort, in dem Hermann Hesse dann von Ende 1907 bis 1912 wohnte. Das stattliche Landhaus im Reformstil ist in Privatbesitz und im Rahmen von Führungen öffentlich zugänglich.