Dass dieses Dorfgespräch Sprengstoff enthalten würde, war allen Beteiligten schon vorher klar. Dafür hat die Leiterin des Amtes für Migration und Integration im Landkreis Konstanz seit der ersten Flüchtlingswelle 2015/2016 schon zu viele solcher Veranstaltungen moderiert. Jetzt war Monika Brumm in Gottmadingen, um zu erklären, was der Landkreis mit den alten Schulgebäuden vorhat. Die hatte Bürgermeister Michael Klinger nach Abstimmung mit dem Gemeinderat (bei nur einer Gegenstimme) dem Landkreis als temporäre Notunterkunft angeboten.
Die Schule steht seit dem Umzug in das neue Schulhaus leer und ist seit Neuestem mit Bauzäunen umstellt, um vor Vandalismus geschützt zu werden. Unbekannte hatten Steine auf die gläsernen Eingangstüren geworfen. Auch wenn die Schule 2024 abgerissen werden soll, weil hier ein neues Wohnquartier geplant ist, so ist das kein Freibrief für mutwillige Zerstörung.
Andere Kommunen nutzen Sporthallen
Die sollte aber spätestens mit der Nutzung der Gebäude als Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge beendet sein. Denn dann wird auch das Landratsamt mit eigenem Personal und Sicherheitskräften regelmäßig in der Einrichtung zugegen sein.

Doch zurück zum Anfang, wo Michael Klinger den rund 60 Teilnehmern des Dorfgesprächs die Notlage im Landkreis Konstanz zu verdeutlichen versuchte. „Während in den Nachbargemeinden Sporthallen als Notunterkünfte genutzt werden, wollen wir unsere Sporthallen für die Vereine offenhalten“, sagte Klinger. Das alte Schulgebäude mit seiner Infrastruktur wie Toilettenanlagen und Schulküche lasse sich schnell für eine vorübergehende Nutzung als Notunterkunft für 200 Menschen herrichten.
„Wir haben dem Landkreis die Gebäude bis Ende 2023 zur Verfügung gestellt“, sagte der Bürgermeister. „Sollte sich die Entwicklung des Quartiers 2020 und der Abriss der Schule noch etwas verzögern, so könne es auch eine Verlängerung um einige Monate geben.
Es fehlen Anschlussunterkünfte im Ort
Mit dem Raumangebot an den Landkreis hat sich die Gemeinde Gottmadingen auch ein wenig Luft verschafft. Hier fehlen nämlich immer noch Wohnungen für die Anschlussunterbringung von rund 140 Geflüchteten, die bis zum Jahresende zur Verfügung gestellt werden müssen.
Mehrere Aufrufe an die Bevölkerung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, hatten zwar einige Rückmeldungen gebracht. „Aber 20 bis 25 Wohnungen reichen eben einfach nicht aus für die Menschen, die wir hier unterbringen müssen“, erklärte der Flüchtlingsbeauftragte Martin Rauwolf. Dass die Gemeinde um ihre Verpflichtung nicht herumkommt, Menschen aufzunehmen, machte Michael Klinger unmissverständlich klar.
Bürger befürchten Ruhestörungen
Für die Nachbarn der Schule ist vor allem die große Menge der fremden Neuankömmlinge mit Ängsten behaftet. Sie fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder, wollten genau wissen, welche Menschen ins Dorf kommen und ob es nicht doch andere Varianten zur Unterbringung der Migranten gäbe. Einige Bürger befürchten einen starken Anstieg der Kriminalität und nächtliche Ruhestörungen.
Landkreis plant Sprachangebote für Flüchtlinge aus der Ukraine
Monika Brumm kann die Ängste der Menschen verstehen. Auch in anderen Gemeinden wie zum Beispiel in Gaienhofen habe es zunächst Widerstand gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Internatsschule gegeben. Mittlerweile seien aber aus Gegnern Helfer geworden. Sie räumte ein, dass es bei 200 Menschen auf engem Raum auch Konfliktpotenzial gebe.
Bei einer so großen Einrichtung seien aber auch regelmäßig Sozialarbeiter, eine Hausleitung und Sicherheitskräfte im Einsatz. Der Landkreis Konstanz bemühe sich um Sprachangebote für die ankommenden Ukrainer.
Im Unterschied zu den Sporthallen, wie zum Beispiel die Singener Kreissporthalle, wo bis zu 180 Geflüchtete nur durch einen Sichtschutz getrennt werden, dürfte die Unterbringung in Klassenräumen etwas humaner sein. Aber auch da wird es verkleidete Bauzäune geben, so dass mehrere Familien in einem Klassenzimmer untergebracht werden können.
Ein Vorteil ist auch die alte Schulküche, in der sich die Menschen ihre Mahlzeiten selbst zubereiten können. Einfache Duschen wird der Landkreis noch einbauen. Die bereits entfernten Fluchttreppen werden wieder angebracht.
Manche Teilnehmer fordern Zäune
Gestört wurde der Vortrag zum Teil durch emotionale Zwischenrufe, sodass Michael Klinger drohte, die Veranstaltung abzubrechen. Einige Teilnehmer forderten mehr Polizeipräsenz oder auch Zäune zu den angrenzenden Grundstücken. Einige Bürger sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder.

Christoph Graf versuchte die Stimmung zu drehen, indem er von seinen Erfahrungen als Hausarzt mit schwer traumatisierten Geflüchteten berichtete und die Gottmadinger zu einer besseren Willkommenskultur aufforderte. Er warb für mehr Menschlichkeit.
Ein Nachbar sagt: „Wir müssen es irgendwie auf die Reihe kriegen“
Dass es zu Konflikten kommen könne, bestritten weder Monika Brumm noch Michael Klinger. Ein Nachbar stimmte schließlich versöhnlichere Töne an. „Wir müssen es irgendwie auf die Reihe kriegen“, sagte er. Monika Brumm will die Bürger zur Besichtigung der Einrichtung einladen, sobald sie bezugsfertig ist. Dass es dort keinen Luxus geben werde, versicherte Michael Klinger jetzt schon.