Mit einem dringenden Appell haben sich die Bürgermeister im Landkreis an die Mitglieder des Bundestags gewandt, um die Zuweisung von geflüchteten Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten neu zu regeln. Die Aufnahmekapazitäten in den Kommunen sind allgemein erschöpft. Verzweiflung macht sich breit, auch in Gottmadingen. „Wir können nicht alle zwei Jahre ein oder zwei Wohnhäuser für Geflüchtete bauen“, erklärt Bürgermeister Michael Klinger.

Dabei erlebt die Hegaugemeinde gerade eine kleine Verschnaufpause, weil sie die alte Eichendorff-Realschule als Notunterkunft vorübergehend an den Landkreis vermieten kann. Damit wird die verpflichtende Aufnahmequote kurzfristig sogar übererfüllt. Derzeit ist die Notunterkunft mit 180 Personen fast voll belegt, was auf die Quote angerechnet wird.

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Nicht nur Gottmadingen kämpft aktuell mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Auch andere Kommunen wie etwa Steißlingen, wo demnächst ein Container-Dorf für Geflüchtete bezogen werden soll, muss sich für die Unterbringung gehörig strecken.

Schule steht nur begrenzt als Notunterkunft zur Verfügung

Doch die Zeit läuft, denn es handelt sich bekanntlich nur um eine Übergangslösung. Spätestens, wenn die Planungen für das Quartier 2020 in die Tat umgesetzt werden sollen, wird die Schule nicht mehr als Notunterkunft zur Verfügung stehen. Der Gemeinderat kann den Mietvertrag für die alte Schule zwar mit einem weiteren Beschluss über den Juli 2024 hinaus noch einmal verlängern, sofern der Landkreis die Notunterkunft weiter betreiben will. Die Frage der Anschlussunterbringung von geflüchteten Menschen ist damit aber immer noch nicht gelöst.

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Zwar ist es schon beschlossene Sache, dass in der Hilzinger Straße ein Haus für 40 Personen gebaut werden soll, das später auch als sozialer Wohnraum genutzt werden kann; damit wird aber nach derzeitigen Erkenntnissen der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete immer noch nicht gedeckt. Bereits im Mai 2022 wurde der Grundsatzbeschluss gefasst, die Möglichkeiten für einen zweiten Neubau in der Hauptstraße auszuloten.

Eindringlich erläuterte Bürgermeister Michael Klinger die Situation nun im Gemeinderat. Er zeigte auf, wie viele Plätze in der Gemeinde fehlen werden, wenn die Schule nicht mehr als Unterkunft zur Verfügung steht. Dabei machte er zwei Rechnungen auf: Wenn der Neubau in der Hilzinger Straße bezugsfertig ist, fehlen nach heutigem Stand noch 54 Plätze. Mit einem zweiten Neubau in der Hauptstraße 1 in ähnlicher Größe müsste die Gemeinde trotz geringerer Zuweisung noch 14 weitere Personen unterbringen.

Diesen Lageplan präsentierte die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Bau eines zweiten Wohnhauses für Geflüchtete. Der rot gezeichnete ...
Diesen Lageplan präsentierte die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Bau eines zweiten Wohnhauses für Geflüchtete. Der rot gezeichnete Kubus steht an der Kreuzung von Riedheimer Hauptstraße. | Bild: Trautmann, Gudrun

Im aktuellen Haushaltsplan sind bereits die Mittel für zwei Häuser bereitgestellt. Außerdem hatte die Verwaltung schon im Frühjahr eine Förderzusage aus dem Landesprogramm für Flüchtlingswohnungen erhalten. Pro Quadratmeter Wohnraum gibt es 1000 Euro. Allerdings ist diese an einen Baubeginn geknüpft. Bis 28. Oktober 2023 muss der Baubeginn durch die Vergabe eines ersten Auftrags nachgewiesen werden. Um die Zuschüsse in Höhe von 500.000 bis 600.000 Euro nicht zu verspielen ist also Eile geboten.

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Im Ausschuss für Technik und Umwelt wurde bereits die Frage beraten, ob das Haus in der Hauptstraße gesondert geplant und an einen Generalunternehmer vergeben werden soll oder ob die Gemeinde die Pläne für das Gebäude in der Hilzinger Straße im Sinne einer seriellen Planung zugrunde legen kann. Diese Entscheidung müsse spätestens im Oktober getroffen werden.

Klinger plädierte in seinem Vortrag für ein zweites Wohnhaus. Andere Gemeinden entscheiden sich für Container. „Um 40 Personen unterzubringen müssten wir zehn Container nebeneinander stellen“, rechnete er vor. „Der Flächenbedarf wäre viel höher und die Stromkosten würden in zehn Jahren die Kosten eines Neubaus verschlingen.“

Bernd Schöffling (CDU) bezeichnete den Neubau eines Wohnhauses als sinnvollste Lösung, weil damit nachhaltig sozialer Wohnraum geschaffen würde. Kirsten Graf (SPD) machte aus ihrer Ohnmacht keinen Hehl. „Was haben wir eigentlich zu entscheiden“, fragte sie. „Wir müssen uns fragen, wie wird die gesetzlichen Verpflichtungen umsetzen wollen. Mit Containern oder langfristigen Gebäuden. Wir werden an unsere Grenzen kommen.“ Die Diskussion auf Bundes- und Europaebene laufe nicht gut. Markus Romer (FWG) schloss sich seinen Vorrednern an und brachte noch einen anderen Aspekt ins Spiel. „Wir müssen vernünftig bauen und in menschenwürdiges Wohnen investieren“, sagte er.

Die Stimmung kippt

Michael Klinger forderte eine ehrliche Debatte. „Ich spüre, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippt, wenn wir das Thema nicht eindeutig adressieren“, sagte er. In der Gemeinde gebe es kein Grundstück mehr für ein weiteres Flüchtlingshaus. Und Kirsten Graf ergänzte, dass sich die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum weiter verschärfen werde.