Neubauprojekte in eng besiedelten Wohngebieten sind immer problematisch. Das Quartier in Wollmatingen um Stifter- und Längerbohlstraße ist keine Ausnahme. Seit die Anwohner gehört haben, dass ein städtisches Grundstück, das an die Kirchenwiese angrenzt, an die Hoffnungsträger Stiftung aus Leonberg verkauft werden soll, damit diese es mit zwei Wohngebäuden bebaut, sind sie beunruhigt. Oder auch: dagegen.
Manche Anwohner finden, die Kirchengemeinde sei zu laut
Das Spezielle: Kaum jemand spricht sich für das Projekt aus, doch jeder findet für seine Ablehnung einen anderen Grund. Zu laut, zu eng, zu wenig Grünraum, fehlender Parkraum werden als Argumente genannt. Dirk Stegmann, der in der Längerbohlstraße wohnt, ist es hier zu laut, auch jetzt schon. Der Verursacher ist ausgerechnet die Kirche, deren Grundstück an das noch brachliegende Areal grenzt. „Es ist hier ohnehin laut, bei dieser Kirchengemeinde ist das normal“, sagt Stegmann, „dort herrscht Dauerfest“. Am Schlimmsten sei es, wenn afrikanische Gottesdienste gefeiert würden.
Außerdem fehlten die Stellplätze, so die Nachbarn
Während eines Gottesdienstes oder anderer Veranstaltungen kämen etwa 100 Autos zu den sowieso hier abgestellten hinzu – da sei jeder Fleck zugeparkt. „Warum soll man den Platz jetzt weiter verengen?“ Hinzu komme der Baulärm, ergänzt seine Frau Yvonne. „Außerdem fallen viele Stellplätze während der Bauzeit weg.“ Die Stegmanns haben ihr eigenes Fahrzeug in der zum Haus gehörenden Tiefgarage untergebracht.
Eine andere Anwohnerin moniert, dass Grünraum verloren gehe
Ingrid Winkler, die wenige Häuser weiter wohnt, stört der Lärm weniger. Sie mag die Kirchengesänge, die sie von ihrem Garten aus hört. Dafür fürchtet sie um den Verlust des Grünraums. „Die unbebaute Wiese war so ein toller Spielplatz“, schwärmt sie, dabei sind ihre Kinder längst erwachsen. Stadtplaner beachteten zu wenig, dass man den Bewohnern Grünraum lassen müsse. Überhaupt gebe es in der Nähe kaum Platz zum Spielen für Kinder.

Es gibt auch Nachbarn, die Flüchtlinge nicht mögen
Wieder andere Anwohner äußern sich ausführlich negativ dazu, dass an der Längerbohlstraße Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Diese Personen wollen dann aber nicht namentlich in der Zeitung genannt werden.
Eine Passantin hat nichts gegen eine Bebauung
Es gibt auch andere Stimmen: Rosmarie Moll, eine Passantin, die etwas weiter entfernt wohnt, hat kein Problem mit neuen Häusern. „Das Grundstück sollte schon seit Jahren bebaut werden“, berichtet sie. „Erst hieß es, dort kommt ein Altenheim hin, später dann: Wohnungen für Flüchtlinge.“ Sie habe mit beidem kein Problem. Zudem werde sich die benachbarte Kirche sozial verhalten und die neuen Nachbarn einbinden.
Die Bebauung lässt lang auf sich warten
Tatsächlich gibt es wohl schon seit Langem Planungen, die das etwa 1000 Quadratmeter große Grundstück betreffen. Da aber dennoch jahrelang nichts passierte, richteten sich die Anwohner darauf ein, dass die unbebaute Wiese vorerst erhalten bleiben werde. Für die evangelische Kirchengemeinde wiederum bedeutete die Grünfläche eine gefühlte Erweiterung der eigenen, rege genutzten Kirchenwiese.
Die Kirche hat nichts gegen das Projekt einzuwenden
Aus der Kirchengemeinde gibt es erwartungsgemäß keinen Widerstand gegen die Bebauung. Dekanin Hiltrud Schneider-Cimbal, die als Pfarrerin an der Christuskirche tätig ist, berichtet, dass sich Stadtverwaltung und Kirche darauf geeinigt hätten, beide Grundstücke begradigen zu lassen. Ansonsten aber habe die Kirche nichts an die Stadt verkauft, die Kirchenwiese bleibe erhalten. „Gegen die Bebauung auf dem benachbarten Grundstück haben wir keine Einwände“, sagt sie.
Es fehlt an Stellplätzen – das sagen fast alle
In einem sind sich Anwohner und Kirche allerdings einig: Ein Stellplatzproblem gebe es im Quartier, das sei bei jedem Gottesdienst und jeder Veranstaltung der Kirchengemeinde spürbar, sagt Schneider-Cimbal. Ihr sei bekannt, dass auch innerhalb der Kirchengemeinde einige Skeptiker die Bebauung ablehnten.
Es wird gebaut – aber die Nachbarn werden auch gehört
Die Anwohner des Quartiers werden ihre Bedenken noch vortragen dürfen. Wann genau, ist aber ungewiss. An der Tatsache, dass dort Wohnungen entstehen, dürften die vorgetragenen Befürchtungen wenig ändern. Die Hoffnungsträger Stiftung signalisiert, noch Zeit zu brauchen. Vor dem Abschluss der Verkaufsgespräche und der Erteilung einer Baugenehmigung könne die Stiftung noch keine Auskunft geben, so ihr Sprecher Hubert Kogel. Beim Baurechts- und Denkmalamt liege noch kein Bauantrag vor, bestätigt die Stadtverwaltung. Sobald das der Fall sei, werde es, wie in der Landesbauordnung vorgesehen, eine Nachbarschaftsbeteiligung geben.
- Das Projekt: Auf dem Grundstück sollen zwei Wohnhäuser entstehen, sie sind vor allem für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen gedacht. Die Hoffnungsträger-Stiftung nennt sie Hoffnungshäuser, dort erhalten zu 50 Prozent Flüchtlinge, zu 50 Prozent Einheimische Wohnungen. Ziel ist es, die Flüchtlinge durch den vermehrten Kontakt zu Einheimischen schnell in ihre neue Nachbarschaft zu integrieren. Es gibt eine Hausleitung, die im Haus wohnt, und verschiedene Angebote der Sozialarbeit, etwa Sprachkurse oder eine Berufsberatung. Die Häuser sollen dreigeschossig gebaut werden und im KfW-55-Standard.
- Die Kirche: Mitglieder der evangelischen Christusgemeinde bezeichnen diese als lebendige Gemeinde. „Hier ist viel los“, sagt etwa Frank Böttger, der früher im Pfarrgemeinderat engagiert war. An manchen Abenden feiere die rumänische Kirchengemeinde, die keine eigene Kirche habe, in der Christuskirche Gottesdienst, regelmäßig gibt es auch afrikanische Gottesdienste. Die Wiese wird für Feiern, Ministrantennachmittage oder auch Hochzeiten genutzt.