Benjamin Brumm meint: Die neue Plattform ist nichts anderes als eine Vereinfachung.
Das Bürgeramt ist also nicht mehr für seine Bürger da. Sondern, zumindest in diesem Fall, die Bürger für ihr Amt. So könnte man den Aufruf der städtischen Behörde lesen, Autofahrer zu melden, die mit aufgebohrten Endrohren laut durch die Innenstadt blubbern. Als Motivation zur Petzerei – schlimm genug – oder gleich zum Denunziantentum. Wie gesagt, könnte man das so lesen, wenn man denn möchte.
Oder man erkennt in der Idee eine schlichte Vereinfachung. Denn in der Sache ändert das Bürgeramt mit der Einrichtung einer eigens eingerichteten E-Mail-Adresse gar nichts: Ärgernisse – wozu die Motoren-Blubberer und Auspuff-Poser solange zu rechnen sind, wie sie niemanden gefährden – können sie dort jetzt schon melden. Ob mittels einem Anruf, per E-Mail oder per Post.
Die städtischen Ordnungshüter und mit ihnen die Polizei räumen mit dem Versuch lediglich ein: Wir können nicht alles sehen, was Sie stören oder gar gefährden könnte, helfen Sie uns bitte.
Niemand ist verpflichtet, dabei mitzumachen. Und diejenigen, die es tun, haben – mit Ausnahme eines kaltgestellen Endrohrs – keinerlei Vorteile. Die vermeintlichen Bürger-Sheriffs können also schon per Definition keine Denunzianten sein. Sie sind allenfalls genervt und wollen zu ihrem Recht auf Ruhe kommen.
Wer einmal an einem lauen Abend am Wochenende an der Bodanstraße oder entlang der Laube unterwegs ist, weiß auch warum sie es sind.
Lukas Reinhardt meint: Einfacher ist nicht gleich besser.
Keine Frage: Straßen dürfen kein rechtsfreier Raum sein. Rücksichtslose Raser, die Menschenleben gefährden, haben hier genauso wenig verloren wie jene, die mit aufgemotzten Auspuffanlagen andere Bürger um ihren Schlaf bringen. PS-Protzern muss Einhalt geboten werden. Das ist Aufgabe der Stadt und der Polizei – nicht aber die der Bürger.
Das Zeichen ist verheerend, das Stadt und Polizei mit der neuen Meldeplattform setzen: Es ist ein Eingeständnis, dass die eigenen Mittel nicht mehr ausreichen; dass die Polizeikontrollen der vergangenen Monate im Sande verlaufen sind; dass nun Bürger selbst übernehmen sollen.
Dabei gibt es bereits die nötigen Kanäle, über die zurecht verärgerte Menschen dem Bürgeramt Meldung machen können. Eine gesonderte Plattform ist eine zusätzliche Vereinfachung für die Bürger – und das ist nicht zwingend positiv. Denn sie ermöglicht auch eine Masse an Meldungen, die kaum bis gar nicht relevant sind. Das wiederum erschwert die Arbeit der Behörden, die wirklich wichtigen Hinweise herauszufiltern. Der gewünschte Effekt verpufft.
Zusätztlich kann ein solches System Petzerei, ja, vielleicht sogar Missbrauch befördern. Denn auch jenen, die gerne einmal dem unliebsamen Nachbarn eins auswischen wollen, wird das Melden leichter gemacht.
Wer wirklich unter PS-Protzern leidet, der findet auch ohne Plattform die Möglichkeit, rücksichtsloses Verhalten zu melden.