Eine Demo per Fahrrad, an einem Sonntag im Frühsommer. Hauptziel der Demonstrierenden: eine nachhaltigere Verkehrspolitik für Konstanz. Das passt zum Lebensgefühl vieler Bürger und zum Image, Radstadt zu sein. Hört sich theoretisch harmlos an. In der Praxis aber sorgte diese Rad-Demo Mitte Juni für Unzufriedenheit der Demonstrierenden.

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Einerseits mit dem städtischen Bürgeramt als Versammlungsbehörde. Andererseits mit der Polizei, die die von der Stadt erteilten Auflagen überwacht. Die Angelegenheit wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf.

Norbert Wannenmacher, Mitglied des Ciclo-Aktionsbündnisses, betont: „Die Polizisten sind ja keine böse Buben.“ Er wolle keine Beamten-Schelte starten. Auch nicht wegen der sechsten Rad-Demo von Ciclo in diesem Jahr. Zweimal haben die Teilnehmer dabei gegen Auflagen verstoßen, erklärt Anja Fuchs vom Pressereferat der Stadt Konstanz. Es sei ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, dann aber eingestellt worden.

Norbert Wannenmacher vom Aktionsbündnis Ciclo.
Norbert Wannenmacher vom Aktionsbündnis Ciclo. | Bild: Oliver Hanser

Der Lehrer gehört zu Ciclo und war bei der Demo dabei. Trotz seiner grundsätzlichen Wertschätzung der Arbeit der Polizei fragt er heute: „Wozu ist sie eigentlich da? Nur um Regeln durchzusetzen oder auch, um das Anliegen von Demonstrierenden zu schützen?“

Teilnehmerin spricht von „massiven Repressalien“

Kirsten Mahlke ist in der Wortwahl deutlicher. Die Kulturtheorie-Professorin aus Konstanz war im Juni erstmals bei einer Ciclo-Demo dabei und hat anschließend ihre Eindrücke zusammengefasst. Der Titel des Berichts ist vieldeutig: „Aktionsbündnis Ciclo erlebt massive Repressalien bei einer Fahrraddemo.“ Unter anderem findet sich darin auch ein juristischer Vorwurf: Die Polizei Konstanz habe aufgrund der städtischen Auflagen den achten Artikel des Grundgesetzes – er regelt die Versammlungsfreiheit – nicht schützen können.

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Bürgeramt: Von Ciclo vorgeschlagene Route wurde weitgehend genehmigt

Diese Auflagen hätten, schreibt Mahlke, die Demo „de facto zu einem lächerlichen innerstädtischen Radausflug degradiert und die Polizei zu dessen schimpfenden und mahnenden Begleitern“. Das Bürgeramt teilt über Rathaus-Sprecherin Anja Fuchs mit, dass die von Ciclo angemeldete Demonstrationsroute mit Ausnahme der Fahrbahn auf der alten Rheinbrücke genehmigt worden sei.

Die Auflagen sollten „einerseits die Sicherheit der teilnehmenden Fahrradfahrer sicherstellen und andererseits die Beeinträchtigung für den ÖPNV und für die Rettungsdienste in tragbaren Grenzen halten“.

Verspäteter Start: Polizisten kamen nicht pünktlich zur Begleitung der Demo

Ärgerlich aus Sicht der Demonstrierenden: Statt wie geplant um 11.30 Uhr konnten sie erst verspätet losradeln. Die begleitenden Polizisten erschienen 20 Minuten später. Oliver Weißflog, Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, bestätigt dies und nennt als Grund ein „internes Kommunikationsmissverständnis“. Er räumt ein, dass dies „so nicht passieren sollte“. Allerdings seien parallel viele dienstliche Aufträge zu erledigen gewesen.

Mit der Kommunikation war das damals so eine Sache. Denn die Verspätung ist nicht das einzige Missverständnis, dass die Rad-Demonstrierenden erwähnen. Norbert Wannenmacher etwa erlebte die Situation „als sehr rigide und streng“. Die Teilnehmer seien teils angeschrien worden. „Einer friedlichen Stimmung ist das doch abträglich“, meint Wannenmacher, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestört sieht.

Unter anderem, weil die Gruppe zur Nutzung des Radwegs verpflichtet worden sei. „So werden wir nicht mehr als echter Demonstrationsverband und schon gar nicht mehr in unserer politischen Botschaft wahrgenommen“, erklärt Wannenmacher. Als Gegenbeispiel nennt er die Fridays-for-Future-Aktivisten, „die eine ganze Fahrbahnbreite erhalten“, anderswo würden ganze Autobahn- oder Straßenabschnitte vollgesperrt.

Ermittlungsverfahren gegen Demo-Teilnehmer stand im Raum

Stimmt es zudem auch, dass ein Polizist dem Demo-Leiter nach Abschluss ein Ermittlungsverfahren ankündigte, wie Kirsten Mahlke ausführt? Als Grund soll der Polizist das zweimalige Fahren auf der Fahrbahn, die Behinderung des Verkehrs und wiederholtes Befahren eines Kreisverkehrs genannt haben.

Auch hier bejaht Polizeisprecher Oliver Weißflog: „Der Versammlungsleiter wurde darauf hingewiesen, dass Auflagen teilweise nicht exakt eingehalten wurden und dies ein Ermittlungsverfahren zur Folge haben kann.“ Es erfolgte ein Hinweis an die Versammlungsbehörde, das zuständige Bürgeramt Konstanz. „Es wurden aber tatsächlich keine Ermittlungsverfahren eingeleitet“, so Weißflog.

Bürgeramt betont: Auflagen sind erforderlich, Grundrecht darf eingeschränkt werden

Bei aller Kritik über das fehlende Fingerspitzengefühl der Polizei richtet sich die Kritik der Ciclo-Mitglieder vor allem an das Bürgeramt. Waren dessen Vorgaben verhältnismäßig im Sinne des Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit? Von Kirsten Mahlke und Norbert Wannenmacher muss diese Frage verneint werden.

Aus Sicht des Bürgeramts waren die Auflagen „erforderlich, um einen Interessenausgleich zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit und anderen öffentlichen Belangen herzustellen“, gemeint sind die Rettungsdienste, der ÖPNV und die Sicherheit auf den Straßen.

Die Behörde beruft sich darauf, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – so lange die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt – einschränken zu können, „wenn eine Abwägung aller maßgebenden öffentlichen Belange diese Einschränkung rechtfertigt“.

Einen Monat später: Gemeinsame Gespräche sollen die Wogen glätten

Einen Monat später haben sich die drei Parteien – Ciclo, Bürgeramt und Polizei – an einen Tisch gesetzt. Eine Lösung für die drei für dieses Jahr noch geplanten Rad-Demos sollte her. Zumal die Bauarbeiten rund um den Sternenplatz die Routenplanung nicht einfacher machen. Während das Bürgeramt mitteilt, „mit Ciclo einen konsensfähigen Kompromiss für eine Demonstrationsroute im linksrheinischen Stadtteil gefunden“ zu haben, hatte die Gruppe selbst nicht den Eindruck, es hätte überhaupt verhandelt werden müssen.

Den Antrag auf Routenänderung habe sie aus „freien Stücken und nicht aufgrund eines Kompromisses“ geändert, erklärt Ciclo-Mitglied Norbert Wannenmacher. Sie sei „nach unserem Dafürhalten sofort und anstandslos bewilligt worden“. Wie man aus den Gesprächen hört, will ein Mitarbeiter des Bürgeramts an der kommenden Rad-Demo teilnehmen. Nah am Bürger dran bleibt das Amt, das sie im Namen trägt, also.