„Egal, wo ihr lebt: Schafft Gemeinschaft!“ Petra Böhrer von der Abteilung Altenhilfe der Stadt Konstanz ermuntert dazu. Gemeinschaft, das könnte die Lösung für Einsamkeit und Hilflosigkeit im Alter sein. Mit „liebevoller Beharrlichkeit“ werbe sie dafür. „Ich versuche auf allen Ebenen Samen zu legen.“ Das versucht auch Aufwind, ein Verein für Wohn- und Lebensgemeinschaften für Menschen ab 50 Jahren. Er sucht Kooperationspartner und will bekannter machen, dass er über einen Schatz verfügt.

Denn Aufwind lebt die Gemeinschaft – in seinem Wohnprojekt am Zähringerplatz (13 Wohnungen, ein Aufenthaltsraum), aber auch im Verein. Im Gemeinschaftsraum treffen sich die Vereinsmitglieder zum Frühstück, sie planen gemeinsam Aktionen und schmieden Ideen. Auch die Nachbarschaft kann den Raum nutzen, zum Feiern, zum Planen, zum Treffen. Das Wirken ins Quartier sei ganz wichtig, sagt Petra Böhrer, die in allen Stadtteilen solche Treffpunkte schaffen will.

Marion Brandenburg, die erste Vorsitzende von Aufwind, weiß, wie wichtig es ist, dass Menschen nicht erst im hohen Alter, wenn sie ganz alleine da stehen, versuchen, Kontakte zu knüpfen. Im Team von Aufwind ist das anders. Die Mitglieder sind füreinander da, auch wenn sie nicht in einer der bewusst klein gehaltenen 13 Wohnungen leben, dem ersten Aufwind-Projekt in Konstanz.

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Dort soll nicht die Zahl der individuell verfügbaren Quadratmeter für Qualität sorgen, sondern der Zusammenhalt im Haus. Für die Menschen, die dort untergekommen sind, ist es selbstverständlich, sich umeinander zu kümmern. Jeder hat sein eigenes Appartement, aber auch die Gemeinschaft des Hauses. „Ich kann bei jedem klingeln. Das ist ein beruhigendes Gefühl“, sagt die 80 Jahre alte Friederike Groh.

Sie sieht, wie Menschen vereinsamen, vor allem die vielen Alleinstehenden. Im Krankenhaus werde immer gefragt: „Haben Sie jemanden?“ Sie könne Ja sagen, weil sie im Verein Aufwind so viele Menschen kennengelernt hat, die ihr etwas Gutes tun. Mitbewohner Johannes Ziegler stellt ebenfalls fest: „Jeder kennt jeden.“ Wenn es einem nicht so gut geht, dann finde er Hilfe. Wenn er jemanden länger nicht sehe, dann klopfe er ganz selbstverständlich bei ihm. Im Haus solle niemand alleine bleiben. Für ihn sei dies eine Art Familie.

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Niedrige Mieten wirken Altersarmut entgegen

Aufwind setzt darauf, dass Baugenossenschaften oder wie im ersten Fall in Konstanz, die Wohnbaugesellschaft Konstanz (Wobak), Räume fürs Gemeinschaftswohnen zur Miete zur Verfügung stellen. Denn Aufwind agiert für Menschen, die zur Miete wohnen wollen, und nicht so viel Geld haben, dass sie selbst investieren könnten.

Marion Brandenburg und die zweite Vorsitzende Beate Warcholik stellen Kontakte zu möglichen Kooperationspartnern her, unter anderem regionale Baugenossenschaften. Sie tauschen sich mit anderen Initiativen aus und bereiten soziales Engagement im Quartier vor, etwa kreative Angebote oder Hausaufgabenhilfe.

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Brandenburg und Warcholik sind überzeugt von den vielen Vorteilen, die das Gemeinschaftswohnen bietet. Sie zählen auf: Größere Wohnungen, in denen schon lange keine Familie mehr lebt, sondern Alleinstehende oder Paare, werden frei für Menschen, die diese Räume wirklich benötigen. Von kleinen Wohneinheiten kann auf einer Fläche mehr gebaut werden.

Niedrige Mieten wirken der Altersarmut entgegen, ebenso das gemeinsame Nutzen von Ressourcen. So muss sich zum Beispiel nicht jeder seinen eigenen Schlagbohrer anschaffen, wenn es einen in Gemeinschaft gibt. Dank der gegenseitigen Unterstützung kommen Menschen später in (teure) Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen.

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Wichtig: „Bereitet Euch aufs Älterwerden vor“

Petra Böhrer von der Stadt Konstanz sieht mehr Gemeinschaft als Schlüssel für eine gelingende Gesellschaft an. „Immer mehr Menschen werden alt. Die Anfragen dazu steigen.“ Ihre Botschaft: „Bereitet Euch aufs Älterwerden vor.“ Dazu gehöre es, rechtzeitig abzuklären, wer Unterstützung geben kann, wenn sie notwendig ist.

Die vorhandene Infrastruktur werde möglicherweise nicht mehr ausreichen, um alle Wünsche zu bedienen. Einige könnten auch nicht für jede Dienstleistung zahlen. Die Lösung sei oft, sich zusammenzutun. „Das ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance.“

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In jedem Quartier in Konstanz soll es Treffpunkte für die Nachbarschaftshilfe geben. „Wir engagieren uns dafür.“ Böhrer weiß, dass sich wenige Menschen mit dem Alter auseinandersetzen wollen. „Ich verstehe, das ist kein sexy Thema.“ Viele verdrängten es, auch beim Wohnen. Üblicherweise passten die Menschen die Wohnsituation der Lebenssituation an. Dies sei als Student der Fall, und bei der Gründung einer Familie.

Wenn aber die Kinder längst ausgezogen sind, und das Paar oder der Alleinstehende in einem riesigen Haus wohnen, gebe es diese Anpassung nicht mehr. Die Senioren blieben. Und diejenigen, die jetzt eine Familie gründen, drängten sich auf wenige Quadratmeter. Böhrer kann nur darum werben, dass es auch anders geht. Aufwind macht dasselbe.