Das ganz große Ziel. So nah. An diesem Tag im Juli kann sich Paul Maissenhälter den Traum verwirklichen, auf den er so lange hingearbeitet hat – oder er wird nur als Ersatzmann zur U23-Ruder-WM nach Kanada fliegen. In einem letzten Entscheidungslauf muss er schneller als ein Teamkollege sein, dann wird er Teil des deutschen Doppelvierers.
„Das war ein echter Psycho-Terror“, erzählt er. Am Ende ist der Unterschied hauchdünn, doch Maissenhälter kann sich durchsetzen – und sein Ticket ist gebucht. „Wir wollen Weltmeister werden“, sagt er voller Zuversicht, als er an diesem lauen Sommermorgen den SÜDKURIER trifft.
Er sitzt in Badeschlappen vor dem Vereinsheim des RV Neptun Konstanz, mit Blick auf das glitzernde Wasser des Seerheins. Das sportliche Wohnzimmer von Paul Maissenhälter. Mit seinem sympathischen Lächeln begrüßt der 19-Jährige Freunde und Bekannte aus dem Verein, sie wollen wissen: „Wann geht es denn nach Kanada?“
Rudert der Doppelvierer zur Medaille?
Kurz zuvor ist er noch mit der U23-Nationalmannschaft im finalen Trainingslager vor der WM gewesen. Die letzten Abläufe wurden überprüft, ein abschließender Leistungstest wurde gefahren. Paul Maissenhälter sitzt im deutschen Leichtgewichts-Doppelvierer und darf sich am 22. August Hoffnungen auf eine WM-Medaille machen: „Im Abschlusstest waren wir zehn Sekunden vom U23-Weltrekord entfernt – und sogar schneller als der Doppelvierer der Erwachsenen.“
Für diese Zeiten hat der Konstanzer hart gearbeitet. Im Oktober begann die Saison der Ruderer, mit dem großem Ziel U23-WM in Kanada. Zunächst aber heißt die Realität: arbeiten im Kraftraum des RV Neptun, Gewichte stemmen, schwitzen an der Rudermaschine.

Die Tage sind lang für Paul Maissenhälter. Neben dem Leistungssport studiert er BWL an der HTWG Konstanz. „Da gehe ich morgens um sieben aus dem Haus zum Training – und bin abends erst um acht Uhr wieder zurück“, erzählt er. Doch die Hochschule komme ihm entgegen, die Professoren haben ihm Extra-Prüfungstermine im Oktober angeboten, damit sich ihr Student auf die Vorbereitungen für die WM in Kanada konzentrieren kann. „Da bin ich der HTWG sehr dankbar“, betont er.
Trotz des harten Trainings wird es am Ende eng für das WM-Ticket: „Eigentlich wird der Kader nach der deutschen Meisterschaft verkündet – für den letzten Platz im Doppelvierer war es aber so knapp, dass es ein Entscheidungsrennen geben musste.“ Das kann der Konstanzer für sich entscheiden, die Erleichterung ist daraufhin groß: „Das war das Ziel, auf das ich die letzten zwei Jahre hingearbeitet habe.“
Ein paar Tage Konstanz zur Erholung
Nach dem Trainingslager in Lübeck ist der 19-Jährige für das Seenachtfest nochmal nach Konstanz gekommen. Gleich darauf geht schon der Flug nach Toronto, doch Paul Maissenhälter will noch einmal in die Heimat fahren – um Freunde und Familie wiederzusehen. „Wenn man wochenlang nur unter Ruderern ist, tut es gut, mal ein paar Tage in Konstanz zu sein.“
In Kanada muss er nicht auf seine Liebsten verzichten: Seine Freundin aus Mannheim sitzt im Doppelvierer der Damen, die Eltern kommen als Zuschauer an die Regatta-Strecke – anschließend geht es für eine Woche in den Kanada-Urlaub.
Auch sonst bekommt er Unterstützung aus der Stadt: Der Sponsor des Bootes ist der Konstanzer Reifenhändler Martin Steiner: „Er hat eine große Leidenschaft fürs Rudern – und hat uns direkt Klamotten und Taschen gesponsert, als er erfahren hat, dass ich dabei bin“, sagt Paul Maissenhälter.
„Beste Entscheidung meines Lebens“
Im Alter von 14 Jahren sitzt Paul Maissenhälter zum ersten Mal in einem Ruderboot – ein Freund hatte ihn gefragt, ob er nicht mal beim RV Neptun vorbeischauen möchte. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt er lachend.
Mit der Zeit wächst der Leistungsdruck, in der letzten Saison wird er in die U23-Nationalmannschaft berufen – doch Maissenhälter betont: „Ich mache das so lange, wie es mir Spaß macht – aktuell gibt mir Rudern einfach wahnsinnig viel: die Gemeinschaft, der Sport, ich habe hier so viele nette Menschen kennengelernt.“
Im vergangenen Jahr kommt es zum bisherigen Höhepunkt seiner Karriere: Bei der Heim-EM der U23 in Krefeld gewinnt er im Doppelvierer Gold – mit deutlichem Abstand. „Am Ende waren wir acht Sekunden schneller als die Italiener, das ist im Rudern viel Zeit“, erzählt Paul Maissenhälter.
In diesem Jahr soll es wieder eine Medaille werden, am liebsten die goldene. Doch die Konkurrenz ist stark. Eine kleine Belohnung ist ihm nach dem Rennen aber schon sicher: „Ich freue mich schon auf eine Woche Familienurlaub in Kanada – und die Pancakes mit Ahornsirup.“