In einer regelrechten Welle von Bismarck-Türmen, die zwischen 1890, als Otto von Bismarck als Reichskanzler entlassen wurde, und dem Ersten Weltkrieg das Deutsche Reich überschwemmt hat, bekam auch Konstanz 1912 einen solchen Turm.

Bei einem der Männer auf diesem Foto soll es sich um Graf Zeppelin handeln
Bei einem der Männer auf diesem Foto soll es sich um Graf Zeppelin handeln | Bild: Stadtarchiv KN

Die Türme sollten den preußischen Staatsmann ehren, der einerseits diverse Sozialgesetze wie Kranken- und Rentenversicherung eingeführt hat, andererseits aber auch die Sozialistengesetze mit dem Verbot der SPD, sodass er heute eher zwiespältig beurteilt wird.

Der Besondere unter 264 Bismarcktürmen

Die meisten dieser insgesamt 264 Bismarcktürme haben eine eher gedrungene Form; sie sind nur etwa zwei- bis dreimal so hoch wie breit. Der Konstanzer Turm ist dagegen mit fast 23 Metern deutlich höher, was ihm mit der abgerundeten Spitze eine Gestalt gibt, in der man gut ein Phallussymbol erkennen kann.

Für den Umgang mit dem Turm ist praktisch, dass er einfach nur ein Turm ist und keine Bismarck-Statue. Wenn er tatsächlich ein klassisches Denkmal wäre, müsste man sich viel mehr mit der Bedeutung und der Rolle Bismarcks auseinandersetzen. So heißt er einfach nur Bismarckturm, wie der vor gut 20 Jahren abgetragene Turm auf dem Drumlin hinter dem Schwaketenbad eben Taborturm hieß, und die meisten denken dabei höchstens an die tschechische Partnerstadt (oder den biblischen Taborberg).

Der Bismarckturm wirkt aufgrund seiner Bauweise eher gedrungen. Manch einer glaubt aufgrund der Formgebung ein Phallussymbol erkennen zu ...
Der Bismarckturm wirkt aufgrund seiner Bauweise eher gedrungen. Manch einer glaubt aufgrund der Formgebung ein Phallussymbol erkennen zu können. | Bild: Lukas Ondreka

Nachdem der Turm von 1980 bis 2007 von Amateurfunkern genutzt wurde, dient er seit 2016 der Narrengesellschaft Seehasen, die für das Gebiet Königsbau zuständig ist, als Vereinslokal und Museum.

Der Bismarckturm bei Nacht
Der Bismarckturm bei Nacht | Bild: Robert Hahn Bauer

Interessanter als die Nutzung des Turms selbst ist das Leben, das sich auf dem „Gipfelplateau“ des Raitebergs abspielt. Wer längere Zeit am Turm verbringt oder zu unterschiedlichen Tageszeiten dort ist, kann die ganze Vielfalt erleben: Es beginnt mit den Joggerinnen und anderen Frühsporttreibenden und dem, was in der Schweiz kurz „Hündeler“ genannt wird, Spaziergängern im Lauf des Tages, und mit den Grillfesten am Abend endet es noch nicht.

Viele Wege führen zum Raiteberg

Zum Bismarckturm gibt es im Prinzip drei Zugangswege: Der klassische und schönste, bei dem man direkt auf den Turm zugeht, ist der von der Wollmatinger Straße über den Bismarcksteig und am Kikuz Raiteberg vorbei durch den Weinberg. Der bequeme Weg, mit 400 Metern etwa gleich lang, hat weniger Steigung, weil er von der Friedrichstraße aus höher anfängt, und führt zwischen Kleingartenidyllen und Weinberg von Südosten her zum Bismarckturm.

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Der etwas längere Weg ist das westliche Pendant zu diesem und geht durch den Friedhof und von dessen nordöstlichem Ausgang zwischen Weinberg und Kleingärten zum Turm. Auf den Turm selbst kommt man meistens am Sonntagnachmittag, von Mai bis Oktober, wenn die Seehasen ihn öffnen.

Der heimliche Hausberg von Konstanz

Falls jetzt jemand fragt, ob der Raiteberg der (heimliche) Hausberg von Konstanz ist: Das ist er auf jeden Fall – trotz seiner geringen Höhe erfüllt er genau die Kriterien eines Hausbergs, denn er ist verkehrsmäßig gut erschlossen, und er ist der beste Ort, um auf die Stadt herunterzuschauen (vor allem vom Turm aus) und den größten Teil des engeren Stadtgebiets zu überblicken, von Wollmatingen bis zum Lorettowald.

Die Aussicht vom Raiteberg – und noch mehr vom Turm aus – kann man in drei Bereiche gliedern: Im Nahbereich sieht man über den Weinberg und die Wohngebiete hinweg die markanten Bauten der Stadt, wie das Wohnhochhaus an der Wollmatingerstraße, das frühere Telekom-Hochhaus und den Münsterturm. Bei diesem ist man am Fuß des Bismarckturms etwa auf Augenhöhe mit der zweiten Plattform, wo man auf die kleinen Balkone gehen kann, und die Turmspitze ist etwa auf Höhe der Spitze des Münsterturms.

Solche Aussichten gibt es vom Bismarckturm
Solche Aussichten gibt es vom Bismarckturm | Bild: Robert Hahn Bauer

Die Fernsicht geht vom Allgäu bis zu den Glarner Alpen, nur die Berge der Innerschweiz liegen hinter dem höheren Teil des Seerückens. Von der Entfernung her dazwischen ist fast der ganze Bodensee zu sehen, von der Höri bis Romanshorn, und geradeaus der Ottenberg. Letzteres ist auf den ersten Blick überraschend, weil es hinter Kreuzlingen ja steil den Seerücken hinaufgeht und man dahinter (gefühlt) durch den halben Thurgau fahren muss, um zu dem als Hausberg von Weinfelden bekannten Berg zu kommen. Der Blick auf die Karte erklärt es: Die Luftlinie vom Raiteberg zum Seerücken hinter Bernrain ist etwa so lang wie von dort zum Ottenberg, und weil dieser mit 680 Metern etwa 140 Meter höher als der Seerücken ist, kann man ihn vom Raiteberg aus knapp sehen.

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Vom Fuß des Bismarckturms schaut man normalerweise das Panorama von Osten über Süden bis Westen an, von oben auch, aber da gibt es dazu noch die andere Seite: der Bodanrück, die Höhen des Linzgaus und weiter. In der näheren Umgebung noch den Turm der Allmannsdorfer Jugendherberge und den Taborberg. Was diese mit dem Bismarckturm verbindet, zeigt erst ein genauer Blick auf den Stadtplan: Der Bismarckturm steht fast genau in der Mitte eines gleichseitigen Dreiecks aus Münsterturm, Jugendherbergsturm und dem Taborberg, auf dem vielleicht wieder mal ein Turm gebaut wird. Das erscheint wie ein „magisches Dreieck“ – wenn das kein Zufall ist.