Für Samstag und Sonntag war eine „Friedensee“ genannte Aktion angekündigt, die rund um den Bodensee stattfinden sollte. Für Konstanz plante Gerry Mayr mit seinem Verein „Bürgerdialog-Konstanz e.V.“ zwei Kundgebungen im Stadtgarten. Vor fast genau einem Jahr hatte Mayr eine Querdenken-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen sowie eine Menschenkette entlang des Bodensees mit organisiert.
Neben der Kundgebung im Stadtgarten war auch ein Autokorso von einem anderen Veranstalter unter dem Motto „Freie Fahrt für ein freies Leben! Autokorso Friedensee“ bei der Stadt Konstanz angemeldet worden. Der SÜDKURIER war am Wochenende vor Ort und hat sich einen Überblick verschafft.
Samstag: Rote Luftballons in Herzform und Schweizer Fahnen im Wind
In einem mit rot-weißen Absperrbändern markierten Bereich haben sich kurz nach 15.30 Uhr am Samstagnachmittag einige Menschen vor der Konzertmuschel im Stadtgarten eingefunden. Veranstalter Gerry Mayr wird am Tag darauf gegenüber dem SÜDKURIER von rund 200 Teilnehmern zu Spitzenzeiten sprechen, laut Polizei waren es circa 120.
Am Nachmittag sind unter den Veranstaltungsbesuchern auffällig viele, die entweder eine Schweizer Fahne oder die Fahne des Kantons Thurgau mit zwei gelben Löwen auf grün-weißem Grund mit sich tragen oder in der Luft schwenken. Jemand hat auch eine Kuhglocke dabei, deren Scheppern immer mal wieder zu hören ist.
Gerry Mayr eröffnet seine Kundgebung, indem er daran erinnert, dass heute der Geburtstag von Mahatma Gandhi sei. Im Vorfeld der Veranstaltung hatte Mayr gegenüber dem SÜDKURIER betont, dass bei den „Friedensee“-Aktionen eben der Friede im Vordergrund stehe und nicht die Corona-Pandemie. Derweil stehen am Samstag vor der Konzertmuschel und übers Gelände verteilt Schilder mit Aufschriften wie „Masken verhindern Glücksgefühle“ oder „Wer verdient an der P(l)andemie?“.
Und der erste Musiker, der auftritt, beklagt sich darüber, dass seine Tochter in der Schule eine Maske hätte tragen sollen, was er jedoch verhindert habe. Dafür erntet er Applaus, bevor er auf Schweizerdeutsch anfängt zu singen: „S‘Mass isch voll, wel mir sind s‘Volk, chömmed zämä, aber massvoll“ (Das Maß ist voll, weil wir sind das Volk, kommt zusammen, aber maßvoll). Es folgen weitere Auftritte von Musikern, Gerry Mayr hält eine kurze Ansprache.
Gegen 16.30 Uhr sind die meisten Personen mit Schweizer oder Thurgauer Fahnen bereits gegangen. Sie laufen am Konzil und dem Hafen vorbei Richtung Kreuzlingen, und rufen „Friedensee, Friedensee“. Zwei sind jedoch noch da. Im Gespräch erklären sie, sie seien Brüder und aus St. Gallen nach Konstanz gekommen. Warum? „Es ist ein stiller Protest gegen die Corona-Maßnahmen und die Impfpflicht“, erklärt der eine, der offen über alles spricht, aber seinen Namen nicht nennen will.
Kurz nach 17 Uhr sind bereits weniger Menschen vor der Konzertmuschel versammelt, die Absperrbänder sind ebenso verschwunden wie die Schweizer Fahnen. Kundgebungsteilnehmer sitzen teilweise auf Picknickdecken. Vor der Bühne spielt erneut ein Musiker. Noch immer mehr los ist vor einem Stand in der Nähe, an dem rote und weiße Luftballons in Herzform an Passanten verteilt werden. Am früheren Nachmittag war hier ein regelrechter Andrang von Familien und Kindern. Auf Nachfrage erklärt eine Frau, die die Luftballons verteilt, dass ihre Aktion zur Kundgebung bei der Konzertmuschel gehöre.
Als sich die Kundgebung ihrem Ende entgegen neigt, kurz nach 19 Uhr, hat sich der Platz vor der Bühne schließlich deutlich geleert. Es werden keine Luftballons mehr verteilt. Auf der Bühne der Konzertmuschel steht ein als Superman verkleideter Mann, während eine Frau die Kundgebungsteilnehmer zu Atemübungen animiert.
Als es immer dunkler wird, werden Kerzen angezündet. Kurz nach 19.30 Uhr löst Gerry Mayr die Versammlung auf. Eigentlich, so sagt er dem SÜDKURIER am Tag darauf, habe er noch einer Musikerin die Technik überlassen wollen, damit sie auf der Bühne ein Lied spielen könne. Doch die Polizei habe das unterbunden. Am Samstagabend selbst erteilt Gerry Mayr deshalb den beiden Polizisten, die vor Ort sind, lauthals ein Hausverbot für seinen Motorradladen.
Sonntag: Kleiner Autokorso startet am Döbele, Youngcaritas bedruckt T-Shirts und im Stadtgarten ist nicht viel los
Für Sonntagmorgen um 9 Uhr war der Start eines Autokorsos mit 100 bis 200 Teilnehmern in 30 bis 100 Fahrzeugen auf dem Konstanzer Döbele bei der Konstanzer Stadtverwaltung angemeldet worden, der rund um den Bodensee führen soll. Mit einer rund halbstündigen Verspätung setzen sich gegen 9.30 Uhr tatsächlich einige Autos und Motorräder, begleitet von der Polizei, in Bewegung. Allerdings sind es zwölf Fahrzeuge. Darunter auch solche mit Kennzeichen aus der Schweiz und sogar eines aus Neubrandenburg.
Das Polizeipräsidium Konstanz bestätigt am Nachmittag auf SÜDKURIER-Nachfrage die Anzahl Fahrzeuge und erklärt, dass es auch nicht mehr geworden seien, als der Korso von Konstanz über Radolfzell nach Stockach fuhr, wo an die Kollegen des Polizeipräsidiums Ravensburg übergeben worden sei. Nach dem Start des Autokorsos ist in Konstanz erst einmal wenig von Kundgebungen in Zusammenhang mit der „Friedensee“-Aktion zu spüren. Die Stadt ist gut gefüllt mit Menschen, die zum ersten verkaufsoffenen Sonntag in diesem Jahr gekommen sind.
Ab 12 Uhr soll beim Kaiserbrunnen auf der Marktstätte eine Kundgebung unter dem Titel „Druck gegen Rechts“ stattfinden, die „wohl als Gegendemo“ zur Veranstaltung im Stadtgarten zu verstehen sei, wie Walter Rügert, Pressesprecher der Stadtverwaltung, dem SÜDKURIER im Vorfeld erklärt hatte. Kurz nach 13 Uhr stehen einzelne Leute beim Kaiserbrunnen vor einem Stand, wo T-Shirts mit Aufschriften wie „Refugees welcome“ bedruckt werden.
„Unser Fokus ist, junge Menschen zu motivieren, sich sozial zu engagieren – für Vielfalt, Klimaschutz und gegen Rassismus“, erklärt Julian Kratzer von der Organisation Youngcaritas Konstanz, die hinter der Aktion steht. Die Kundgebung im Stadtgarten habe sie zwar auf die Idee gebracht, ihre Aktion ebenfalls an diesem Sonntag durchzuführen, jedoch, so Kratzer, würden sie nichts gegen die Querdenker machen oder diese provozieren wollen. „Wir tun unsere Meinung in künstlerischer Form kund, ohne Demo oder Ansprache.“ Die Einnahmen aus dem Bedrucken der T-Shirts würden gemeinnützigen Organisationen gespendet.
Kurz vor 15.30 Uhr ist im Stadtgarten vor der Konzertmuschel noch nicht viel los. Gerry Mayr hat kurz Zeit für ein Gespräch. Er betont nochmals, dass es sich bei der Kundgebung um keine Corona-Demo handle, sondern es um den Frieden gehe. Für die Aussagen einzelner Teilnehmer sei er nicht verantwortlich.

Er selbst habe einzig Kritik an der Regierung geäußert, unter anderem auch wegen der Corona-Maßnahmen, die „nicht für den Frieden“ seien. Ebenso wenig wie die Impfungen, die Mayr im Gespräch mit einer körperlichen Vergewaltigung gleichsetzt, bevor er wieder zur Konzertmuschel eilt, um die Kundgebung vorzubereiten. Deren Beginn verzögert sich um circa eine Stunde, bis alles aufgebaut ist und genügend Ordner gefunden sind.
Danach spricht unter anderem Johanna Findeisen, ehemalige Bundestagskandidatin im Bodenseekreis für die Partie „Die Basis“, die als politischer Arm der Querdenken-Bewegung gilt. Gegen 18 Uhr spricht die Polizei von rund 40 bis 50 Teilnehmern der Kundgebung am Sonntagnachmittag.
Zu größeren Zwischenfällen sei es weder am Samstag noch Sonntag gekommen, erklärt ein Sprecher des Führungs- und Lagezentrums des Polizeipräsidiums Konstanz. Am Sonntagvormittag habe es einen Einsatz auf dem Konstanzer Flugplatz gegeben, weil sich Personen unberechtigterweise auf dem privaten Gelände aufgehalten hätten. Auch dieser Einsatz sei problemlos verlaufen. Gerry Mayr hatte am Nachmittag auf seiner Kundgebung erklärt, er sei von der Polizei daran gehindert worden, auf dem Flugplatz einen Friedensbaum zu pflanzen.