- Lea will einfach nur über den See. Von Konstanz nach Meersburg, mit der Fähre. Nachdem sie das Schiff betreten hat, muss sie dem Kassierer 3,60 Euro überreichen, denn so viel kostet im Frühjahr 2023 eine Einzelfahrt für eine Erwachsene.
- Lasse ist dagegen vom Zähringerplatz mit dem Bus zum Anleger gekommen, hat dafür nochmals 2,60 Euro bezahlt und muss für die Weiterfahrt nach Immenstaad eine weitere Fahrkarte erwerben.
- Ben hat sich ein 49-Euro-Ticket gekauft, für diese Summe kann er einen ganzen Monat den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen: Stadtbus in Konstanz, RAB-Bus im Bodenseekreis, alle Züge außer den Fernzügen. Auf der Fähre muss er trotzdem seine 3,60 Euro berappen.
- Charlotte hat sich auch ein 49-Euro-Ticket gekauft. Auch sie ist am Zähringerplatz in den Bus gestiegen und beendet ihre Reise in Immenstaad. Für die Fähre muss sie dagegen nichts extra bezahlen. Denn sie sitzt im Städte-Schnellbus Konstanz-Friedrichshafen. Für dessen Passagiere ist die Überfahrt inklusive.

Was nach einem zum Datum bestens passenden Scherz klingt, wird voraussichtlich am 1. April Realität. Dann tritt die bisher wohl größte und auf jeden Fall kundenfreundlichste Reform im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland in Kraft.
Für 49 Euro im Monat können Abonnenten des gleichnamigen Tickets alle Regionalzüge, S-Bahnen, U-Bahnen, Straßenbahnen, Stadtbusse und Überlandbusse nutzen. Von der polnischen Grenze auf der Insel Usedom bis Niederzell an der Westspitze der Insel Reichenau. Nur die Fähre zwischen Konstanz und Meersburg ist nicht inbegriffen.
Das Land bestellt nicht, das Land bezahlt nicht
Kann das sein? Ja, sagt Frank Weber, der Leiter des zu den Konstanzer Stadtwerken gehörenden Fährbetriebs: „Wir werden, zumindest zum Start, das 49-Euro-Ticket nicht anerkennen.“ Denn die Fähre gehöre nicht zu dem, was offiziell zum ÖPNV gezählt werden. Denn weder bestellt das Land die Fahrten, noch gibt es öffentliche Zuschüsse.
An beidem hatten die Stadtwerke, wie langjährige Kenner der Vorgänge übereinstimmend bestätigen, viele Jahre lang auch gar kein Interesse, weil die Fähre als Wirtschaftsbetrieb viel attraktiver zu führen war. „Anders als normale ÖPNV-Angebote machte sie ja einen satten Gewinn und nicht die bei Bussen und Bahnen üblichen Verluste, da wollten wir gar nicht in ein Verteilsystem rein“, sagt einer, der es aus eigener Anschauung kennt.
So kommt es also, dass Fahrgäste mit 49-Euro-Ticket bares Geld sparen, wenn sie zum Beispiel in Meersburg an der Kirche in einen Schnellbus der Linien Friedrichshafen-Konstanz (Linie 7394) oder Ravensburg-Konstanz (Linie 700) ein- und in Konstanz wieder aussteigen. Zu Zeiten des 9-Euro-Tickets habe das für drangvolle Enge in den Bussen gesorgt, bestätigt Frank Weber entsprechende Beobachtungen von Fahrgästen.
Der Fähre-Chef sagt: Das ist alles nicht so einfach
Und hat der Fährbetrieb nichts daraus gelernt? Das will Frank Weber so nicht stehen lassen. Stattdessen verweist er darauf, dass eine Einbettung der Fähre ins Tarifsystem des Öffentlichen Nahverkehrs erst einmal grundsätzlich diskutiert, beschlossen und dann auch gut geplant werden müsse.
Für SÜDKURIER-Leser Hermann Bosch war er schon unverständlich, dass sich die Fähre nicht am 9-Euro-Ticket beteiligt hatte. Er verweist darauf, dass der ebenfalls von den Konstanzer Stadtwerken betriebene Stadtbus sehr wohl Teil des ÖPNV ist und eine Trennung zwischen Bus und Fähre zumindest merkwürdig anmute.
Auf dem Katamaran wird das 49-Euro-Ticket nicht gelten
Gleiches lässt sich übrigens auch über den Katamaran zwischen Friedrichshafen und Konstanz sagen. Die Schnellboot-Linie wird über die jeweiligen Stadtwerke von den beiden Städten betrieben. Als ÖPNV gilt sie dennoch nicht. Das 49-Euro-Ticket wird zumindest vorerst also auch nicht von „Constanze“, „Ferdinand“ und „Fridolin“ anerkannt.