Der Putz blättert von den Balkonen, die um das Gebäude in der Luisenstraße 11 angebracht sind und der jeweiligen Wohnstätte eine individuelle Note verleihen. Vom einen ist Wäsche zum Trocknen ausgehängt, auf einem anderen lagern Geräte. Auf einem dritten Balkon unterhalten sich zwei Frauen.
Während der Außenansicht durch einen Farbanstrich geholfen wäre, gibt es im Gebäude Risse in den Wänden. Wasserlachen vor den Waschmaschinen. Das zeigen Fotos, die Bewohner der Anschlussunterkunft gemacht haben.

Das Atrium, ein ehemaliges Schwesternwohnheim, dient schon lang als Flüchtlingsunterkunft, zunächst unter der Regie des Landratsamts, nun in der Verantwortung der Stadt Konstanz. Aber kann man dort noch leben? Ist das Gebäude den Menschen, die hier wohnen, zumutbar?
Gespräch im Eingangsbereich des Atriums: Gabriel Borgsa stammt aus Rumänien, lebt aber bereits seit 2005 in Konstanz. Erst kürzlich hat er seine Frau und fünf Kinder zu sich nach Deutschland geholt, seit zwei Monaten wohnen sie nun im Atrium, in zwei Zimmern. In Rumänien hatte die Familie ihre Wohnung verloren.
Unterkunft auch für Wohnungslose
Rabye Belonalid ist in Konstanz aufgewachsen, doch auch er ist mit seiner Familie, Frau und zwei kleinen Kindern, aktuell wohnungslos. Seine Frau sei erst vor Kurzem aus Marokko hergekommen, sagt er. Dass er zuvor die Kinder allein betreut habe und, weil er das parallel zur Arbeit nicht schaffte, diese verloren habe.

Die Wohnsituation sei schlecht, sagt er. „Der Herd in der Küche sieht aus als wäre er 15 Jahre nicht geputzt worden.“ Eigentlich sei es Aufgabe der Security-Mitarbeiter, zu putzen. „Wir putzen aber oft selbst.“ Nach der offiziellen Reinigung rieche es, als hätte jemand Essigreiniger ausgekippt. An vielen Fenstern gebe es zerbrochene Scheiben, die notdürftig mit Karton geschlossen werden.
Rabye Belonalid ärgert es außerdem, dass es für die Kinder keine guten Spielmöglichkeiten gebe, keinen Spielplatz in der Nähe des Atriums. „Pro Woche kommt mindestens einmal die Feuerwehr, weil wieder jemand beim Rauchen eingeschlafen ist.“
Gabriel Borgsa hat weniger Kritikpunkte. Ihm scheint das Wohnen im Atrium aber zu teuer. Einen genauen Mietbetrag kann er aber nicht nennen. Sein Wunsch: Er würde gern mit seiner Familie ins kürzlich fertiggestellte Nebengebäude ziehen. Die Chance dazu ist gering: Das neue Gebäude ist für Asylbewerber, die schon länger in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, und für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vorgesehen.
Ukrainerin sieht positive Seiten
Julia Korzhowa lebt mit ihrer achtjährigen Tochter seit etwa einem Monat im Atrium, sie ist aus Mariupol geflohen, nachdem sie lang in ihrer unter Dauerbeschuss stehenden Heimatstadt ausgeharrt hatte. Nun ist sie vor allem froh, dass die und die Tochter in Sicherheit sind.
Größere Klagen über die Wohnverhältnisse im Atrium will Korzhowa deshalb gar nicht äußern. Auf Nachfrage fallen ihr doch ein paar Defizite des Gebäudes ein. Im Duschraum sei einiges im Argen gewesen. Von der Dusche sei das Wasser abgelaufen hin zur Waschmaschine.
Dadurch sei es fast unmöglich gewesen, die Sachen aus der Waschmaschine zu nehmen, ohne, dass sie erneut in schmutziges Wasser fielen. „Allerdings ist erst kürzlich die Waschmaschine ausgetauscht worden, was uns sehr gefreut hat“, sagt sie. Und seit diesem Zeitpunkt seien auch die Frauenduschen sehr sauber.
Auch die Zustände in der Familienküche hätten sich in den vergangenen Wochen gebessert. Die Nachbarn bemühten sich stärker, die Küche sauber zu halten. Einen großen Pluspunkt verleiht die Ukrainerin der Heimleiterin, die jederzeit ansprechbar sei und versuche, das Leben der Heimbewohner so gut es nur gehe zu erleichtern.
Zusammenleben nicht immer einfach
Ähnlich wie Rabye Belonalid sieht auch Julia Korzhowa das eigentliche Problem im Zusammenleben im Atrium. Nachts sei es mitunter sehr laut, manchmal klopfe jemand nachts vehement an die Tür oder es gebe Polizeieinsätze. Die häufige Alarmstimmung tue ihr nicht gut, nachdem sie erst aus einem Kriegsgebiet fliehen musste. „Und klar ist: Dieses Gebäude braucht dringend eine umfassende Sanierung“, sagt Korzhova.
Die Stadtverwaltung bestätigt auf Nachfrage, dass ein Hausmeisterdienst das Putzen der Gemeinschaftsräume übernimmt. „Die früher praktizierte Reinigung der Gemeinschaftsräume durch die Bewohner funktionierte nicht befriedigend“, schreibt Mandy Krüger, Sprecherin der Stadtverwaltung. Allerdings putzten manche Bewohner auf ehrenamtlicher Basis in den Gemeinschaftsräumen und erhielten dafür eine kleine Entschädigung.
Und wie soll es mit dem Atrium weitergehen? Im Moment sei der Neubau in der Luisenstraße, der ebenfalls für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden soll, bereits in Betrieb. Das Atrium werde dennoch weiter genutzt, so Mandy Krüger, es „ist in der aktuellen Flüchtlingssituation unverzichtbar“.
Allerdings gibt es Hoffnung für die Bewohner. Im Moment prüfe die Wobak die Möglichkeit, das Atrium umfassend zu sanieren und in Holzbauweise aufzustocken. „Ob das im laufenden Betrieb erfolgen kann oder ob zuvor eine Gebäuderäumung erforderlich ist, wird sich aus den weiteren Planungen ergeben.“