Lange mussten das Konstanzer Klinikum und seine Mitarbeiter auf einen Impfstoff warten, der direkt vor Ort verimpft werden kann. „Wir sprechen eigentlich weniger von fehlender Impfbereitschaft, als mehr von fehlender Impfmöglichkeit“, sagte Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) dem SÜDKURIER noch vor zwei Wochen.

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Am Mittwoch, 17. Februar, erhielt der GLKN für seine angeschlossenen Kliniken schließlich 1520 Dosen mit dem Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca. Am Klinikum Konstanz wurde ein Teil des Personals diese Woche am Mittwoch und Donnerstag geimpft. Kommende Woche folgen weitere Impftermine.

Impfbereitschaft scheint am Klinikum groß zu sein

Senta Heyne ist am Konstanzer Klinikum „Care Managerin Zentral-OP“ – eine Art Abteilungsleiterin der Operations- und Anästhesie-Pflegekräfte, wie sie selbst erklärt. Für ihre Mitarbeiter hat sie die Impftermine koordiniert und so geplant, dass – sollte es bei einigen zu Impfnebenwirkungen kommen – mögliche Ausfälle nicht ins Gewicht fallen.

Senta Heyne, Care Managerin Zentral-OP, Klinikum Konstanz.
Senta Heyne, Care Managerin Zentral-OP, Klinikum Konstanz. | Bild: Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz/Werner Merk

Von einer weitverbreiteten Impfskepsis unter Pflegkräften, wie in vielen Medien zu lesen war, habe sie am Klinikum nichts mitbekommen, sagt Heyne. „Ich habe auch extra noch bei den anderen Care-Managern nachgefragt. Die erleben auch alle, dass die Pflegekräfte vor allem darauf gewartet haben, dass sie sich endlich im Haus impfen lassen können.“

Und obwohl vielerorts in den vergangenen Wochen Kritik am Impfstoff von Astrazeneca zu hören war, schreckt dies Heynes Mitarbeiter offensichtlich nicht ab. Von ihren rund 70 Mitarbeitern hätten sich über 50 für einen Impftermin eingetragen.

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„Und viele von den anderen haben sich bereits extern impfen lassen“, betont Heyne. Sie führt die breite Akzeptanz der Impfung vor allem auf die Aufklärungsarbeit des Klinikums zurück.

Was ist von den Vorurteilen gegenüber Astrazeneca zu halten?

Über die Impfung und die Impfstoffe aufgeklärt hat Stefan Bushuven. Er ist Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention im GLKN. Deshalb hat ihn der SÜDKURIER gefragt: Ist Astrazeneca wirklich ein Impfstoff zweiter Klasse?

Dr. Stefan Bushuven, Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN).
Dr. Stefan Bushuven, Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN). | Bild: Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz

Herr Bushuven, reicht die Wirksamkeit des Impfstoffes von Astrazeneca aus, um genug Schutz für Pflegekräfte und Ärzte vor Corona zu bieten?

Stefan Bushuven: „Jeder Impfstoff mit einer Wirksamkeit von über 50 Prozent ist dafür geeignet. Es wird aber immer Ausnahmefälle geben. Daher ist der Impfstoff zwar eine bedeutsame, aber eben auch eine von vielen Strategien gegen das Corona-Virus.“

Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an Astrazeneca ist, dass er eine Wirksamkeit von 70 Prozent habe, was deutlich geringer sei als bei anderen Vakzinen. Was bedeutet dieser Wert konkret?

„Er bedeutet auf jeden Fall nicht, dass der Impfstoff nur bei sieben von zehn Geimpften wirkt, also ‚nur‘ 70 Prozent der Personen danach immun sind. Die Wirksamkeit bezieht sich auf die Verringerung des Erkrankungsrisikos bei Kontakt mit dem Coronavirus.

Bei Astrazeneca wird das individuelle Risiko, an Covid-19 zu erkranken, im Mittel um 70 Prozent reduziert, nach der zweiten Impfung nach neun bis zwölf Wochen um fast 90 Prozent. Wichtig hervorzuheben ist, dass Ansteckungsrisiken sehr individuell und nicht nur situationsbezogen sind.

Zudem ist nicht jede Infektion gleich zu werten. Wenn der Körper bereits Kontakt mit den Corona-Viren aufgrund der Impfung hat, dann verlaufen die Infektionen bei diesen Personen in aller Regel deutlich milder, da das Immunsystem schneller reagieren kann.

Genau das sieht man auch beim Astrazeneca-Impfstoff. Es hat sich zudem gezeigt, dass die Wirksamkeit vergleichbar hoch ist wie die von Moderna und Biontech, wenn der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Impfung von vier auf neun bis zwölf Wochen verlängert wird.“

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Dennoch gibt es Stimmen, die sagen, medizinisches Personal sollte nicht mit Astrazeneca geimpft werden?

„Es entbehrt jeder Grundlage, dass ein wirksamer, geprüfter und sicherer Impfstoff nicht verwendet werden soll. Eine Wirksamkeit von 70 Prozent ist gut und ausreichend – und in jedem Fall besser als null Prozent.“

Ein weiterer Kritikpunkt an Astrazeneca sind die angeblich stärkeren Nebenwirkungen, die der Impfstoff im Vergleich zu anderen Vakzinen auslöst. Welche Nebenwirkungen treten denn auf und wie sieht das bei den anderen Impfstoffen aus?

„Eigentlich handelt es sich bei den unerwünschten Reaktionen auf die Impfung um keine Nebenwirkungen, da sie das Funktionieren des Stoffes im Sinne der gewünschten Immun-Antwort des Körpers anzeigen.

Typisch sind Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, gelegentlich Fieber, Schüttelforst und/oder Gelenk- und Muskelschmerzen. Sie treten nicht nur nach einer Impfung mit Astrazeneca auf, sondern auch bei anderen Impfstoffen wie jenen von Biontech und Moderna.

Dort sind sie bisher seltener vorgekommen, weil mit den Biontech- und Moderna-Impfstoffen vor allem ältere Personen über 80 geimpft wurden. Da Über-80-Jährige meist ein weniger stark reagierendes Immunsystem haben als jüngere, zeigt ihr Körper auch weniger Impf-Nebenwirkungen.“

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Wie lange dauern diese Impfreaktionen an und können sie durch Medikamente gelindert werden?

„Sie halten null bis zwei Tage an und treten auch nicht bei jeder Person auf. Meist folgen die Reaktionen am Tag der Impfung. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei Schüttelfrost hat, liegt bei circa 25 Prozent. Für Abgeschlagenheit liegt die Wahrscheinlichkeit bei circa 60 Prozent, für Kopf- und Muskelschmerzen bei jeweils circa 40, für Fieber bei circa 15, für Gelenkschmerzen bei circa 20.

Am zweiten Tag nach der Impfung haben die meisten diese unerwünschten Wirkungen nicht mehr. Die Reaktionen können zudem gelindert werden: Die begleitende Einnahme von fiebersenkenden Substanzen wie Paracetamol reduziert die unerwünschten Impfreaktionen.

Aus ärztlicher Sicht sind auch andere freiverkäufliche Substanzen denkbar wie Ibuprofen oder Diclofenac. Wer jedoch nach der Impfung eine solche Substanz zusätzlich einnehmen möchte, sollte dies mit dem Haus- und Impfarzt abstimmen, insbesondere wenn Vorerkrankungen und Allergien bestehen oder andere Medikamente eingenommen werden.“

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Inwiefern sind die Aussagen belastbar, dass der Impfstoff weniger gut gegen Mutationen des Corona-Virus schützt als andere Vakzine?

„Im Laborexperiment zeigte sich, dass der Astrazeneca-Impfstoff genügend vor der britischen Variante des Corona-Virus schützt. Die anderen Varianten stehen derzeit unter Beobachtung.

Es zeichnet sich aber ab, dass alle Impfstoffe bei der südafrikanischen Variante des Corona-Virus etwas weniger wirksam sind, wobei für Moderna und Biontech dann immer noch Wirkungen von über 50 Prozent in Laborexperimenten nachgewiesen werden konnten. Hier müssen wir noch abwarten, bevor Wissenschaftler gültige Aussagen treffen können.

Die bisherige Studie, die eine geringere Astrazeneca-Wirkung gezeigt hat, ist wichtig, und weist darauf hin, dass es weitere Untersuchungen braucht. Es ist aber überhaupt nicht gerechtfertigt, Astrazeneca als Impfstoff ‚zweiter Klasse‘ oder gar als unwirksam zu bewerten.

Die bald dominierende Hauptvariante des Virus ist in Deutschland die englische, gegen die der Impfstoff schützt. Es wäre fatal, nun nicht zu impfen. Insbesondere, weil eine Impfung mit Astrazeneca zum jetzigen Zeitpunkt eine Impfung mit einem anderen, gegebenenfalls auch Varianten-angepassten Impfstoff nicht ausschließt.

Es ist daher wichtig, dass wir uns alle impfen lassen, sobald wir an der Reihe sind. Das ist ein Weg, schwere Verläufe und auch weitere Virus-Mutationen zu verhindern. Diese Varianten treten nämlich auf, wenn die Impfungen nicht flächendeckend sind. Denn dann hat das Virus die Zeit, sich anzupassen und eine Immunität gegen die Impfung aufzubauen.“