In der Corona-Krise liegt auch eine Chance. Manch einer würde diesen Satz bereits jetzt als abgedroschene Floskel abtun. Doch es gibt Unternehmen in Konstanz und der Region, die nach diesem Satz gehandelt haben und bereits früh im Pandemieverlauf ihr bestehendes Geschäftsmodell auf die Krise angepasst haben.
myPols Bitoc stellt Enzyme her
Eines davon ist myPols Biotec, Ausgründung der Universität Konstanz und im BioLago-Netzwerk aktiv. Das Unternehmen stellt normalerweise DNA-Polymerasen her, also Enzyme, die eine Schlüsselrolle bei der Laborarbeit in Bezug auf das Erbgut spielen. Bereits wenige Tage nach dem Lockdown entschied sich das Unternehmen an einem Corona-Test zu arbeiten.
Ramon Kranaster, Geschäftsführer von myPols Biotec, sagt: „Wir produzieren eigentlich Enzyme. Diese werden dann zum Beispiel bei der Polymerasekettenreaktion, also zur Vervielfältigung von Erbgut, für den genetischen Fingerabdruck, in der Forensik und in der Diagnostik eingesetzt.“ Die Enzyme sind außerdem bei den Tests zum Nachweis des Coronavirus wichtige Bausteine.
Idee kam bereits Ende März
Doch hierfür spielen auch andere Komponenten eine wichtige Rolle, die nicht Steckenpferd der Firma myPols Biotec sind. Ramon Kranaster erklärt: „Es ist so ähnlich wie bei einem Auto. Wir produzieren den Motor, also die Enzyme. Die sind quasi das Kernstück des Tests. Aber wenn wir nun auch noch das Chassis und die Reifen herstellen, können wir auch fahren.“ Da man ohnehin Hersteller der Enzyme ist, sei die Idee, auf die Corona-Pandemie zu reagieren, direkt am Anfang des Lockdowns gekommen. Das war Ende März.

Kranaster sagt: „Wir haben uns dann erst einmal langsam an das Thema herangetastet. Mit Enzymen kannten wir uns zwar aus, mit dem Rest aber noch nicht im letzten Detail.“ Daraufhin habe man sich dann mit allen restlichen Komponenten, die für den Test erforderlich sind, beschäftigt.
Große Unternehmen kamen mit Produktion nicht nach
Am Anfang sei die Nachfrage für solche Test stark angestiegen. Nicht einmal mehr große Unternehmen seien mit der Produktion der Corona-Diagnostikkits hinterher gekommen. Ramon Kranaster sagt: „Natürlich war dann neben der moralischen Motivation, also unseren Beitrag zu leisten, auch die wirtschaftliche Motivation da. Sonst hätten wir auch ins Home-Office gehen können. Doch so kamen wir am Montag nach Anfang des Lockdowns wieder ganz normal zur Arbeit.“

Ingesamt habe man dadurch wirtschaftlich von der Krise profitiert. Man musste die Produktionsprozesse nicht stark verändern, sondern lediglich mit der Produktion bei erhöhter Nachfrage hochfahren. Vor Corona habe lediglich eine Person die Enzyme produziert, während der Krise hätten zum Teil alle fünf Mitarbeiter bei der Produktion geholfen. Dadurch habe man seit Beginn des Lockdowns mehr Umsatz machen können, als Kranaster erwartet habe.
Er sagt: „Wir hatten natürlich auch Glück, weil wir nicht viel ändern mussten. Die neuen Komponenten für den Test mussten wir allerdings bei uns etablieren. Das hat auch dank der Zusammenarbeit mit der Universität gut funktioniert.“
Bruder-Werbung produziert Hustenschutzwände
Wenig ändern musste auch die Firma Bruder-Werbung aus Allensbach. Sie stellen mittlerweile Hustenschutzwände für Supermärkte, Apotheken, Bäckereien und Textilgeschäfte her. Die normalen Tätigkeitsfelder sind Lichtanlagen, Fahrzeugbeschriftungen oder Schilder, also Produkte aus transparenten Kunststoffen.

Laszlo Bruder, Projektleiter bei Bruder-Werbung, berichtet: „Die Idee kam ursprünglich von einem Apotheker, mit dem wir davor zusammen gearbeitet hatten. Er fragte uns, ob wir ihm nicht einen Hustenschutz für sein Geschäft produzieren können.“ Daraufhin habe man zusammen den ersten Prototypen gebaut.
Das sei keine große Umstellung gewesen. Die Firma arbeite ohnehin mit Plexi- und Acrylglas und habe davon jede Menge vorrätig. Laszlo Bruder sagt: „Außerdem ist der CNC-Fräse [Computerized Numerical Control, Anm.d.Red.] egal, was sie genau fräst.“
Nachfrage war bundesweit sehr hoch
Den ersten Prototypen habe man dann auf der Webseite eingebaut und auf Facebook gepostet. Daraufhin sei eine Anfrage nach der anderen gekommen, vor allem von Bestandskunden. Da sei auch Glück dabei gewesen, gibt Bruder zu.
Zwischenzeitlich sei die Nachfrage so hoch gewesen, dass die Rohstoffproduzenten in Deutschland mit der Herstellung des Kunststoffs nicht mehr hinterher gekommen seien. Auch bei Bruder-Werbung war deshalb viel zu tun. Laszlo Bruder sagt: „Zeitweise hatten wir bis zu vier Mitarbeiter, die nichts anderes gemacht haben, als die Hustenschutzwände herzustellen. Nebenher hatten wir immer noch unser normales Hauptgeschäft.“
Die normalen Anfragen seien aber während des Lockdowns deutlich weniger geworden, da die Menschen kein Geld für Werbung ausgeben wollten, vermutet Laszlo Bruder. Mittlerweile würden sie mit den Lockerungen aber wieder steigen, und die Nachfrage nach den Hustenschutzwänden wieder sinken.