„So richtig gut fühle ich mich nicht“, sagte Amtsrichterin Melina Michalski nach dem zweiten Freispruch am Montagvormittag. Nicht die Urteile bereiteten ihr Sorge, sondern die Signalwirkung, die diese bei den vorbestraften Angeklagten und ihren Familienmitgliedern erzielen würde.

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Ihre Streitigkeiten waren die Fortsetzung einer jahrelangen Familienfehde, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der Schießerei im November 2019 einem Konstanzer Wettbüro gefunden hatte. Damals involviert war auch ein 42-jähriger, arbeitsloser Konstanzer, der an diesem Tag auf der Anklagebank saß.

Der Angeklagte im zweiten Prozess war ein 32-jähriger Anlagenfahrer. Sein jüngerer Bruder war damals der andere Beteiligte beim Schusswechsel gewesen.

Was wurde bei den Prozessen verhandelt?

Im ersten Prozess war der 42-Jähriger Konstanzer wegen Beleidigung angeklagt. Er soll im Juli 2020 in einem Fitnessstudio im Industriegebiet den 32-Jährigen beleidigt haben. Außerdem soll er im Mai 2021 seinen älteren Bruder in einem Café in Petershausen beleidigt haben.

Der 42-Jährige stritt beide Anschuldigungen ab. Laut ihm hätten die Brüder in beiden Situationen den Streit begonnen, die das wiederum abstritten. Nach der Anhörung der Zeugen stand Aussage gegen Aussage. Ein neutraler Zeuge stand nicht zur Verfügung. Der Angeklagte wurde mangels Beweisen freigesprochen.

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Im zweiten Prozess waren die Rollen vertauscht: Nun saß der 32-Jährige, der damals im Fitnessstudio beleidigt worden war, auf der Anklagebank. Ihm wurde gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er soll dem 42-Jährigen und einem seiner Freunde im Oktober 2020 Pfefferspray in die Augen gesprüht haben.

Der Streit hatte sich im Wohngebiet in Petershausen ereignet. Der Angeklagte hatte auf einem Balkon einer Parterrewohnung neben der Bewohnerin und ihren Kindern gestanden, der Geschädigte mit drei Bekannten unten auf der Straße. Nach gegenseitigen Beleidigungen war die Situation eskaliert. Der Geschädigte soll versucht haben, auf den Balkon zum Angeklagten hinauf zu klettern, so die Aussage des Angeklagten und der Nachbarin.

Zeugin: „Ich habe Angst wegen meiner Kinder gehabt“

Der Angeklagte gab zu, das Pfefferspray aus Notwehr ins Gesicht in Richtung des Geschädigten gesprüht zu haben. Ähnlich äußerte sich seine Nachbarin. „Ich habe Angst wegen meiner Kinder gehabt.“ Mit leiser Stimme schilderte sie, wie sie aus Sorge um ihre Kinder anschließend ins Haus geflüchtet sei. Der Angeklagte habe sich und ihre Familie verteidigt, sagte sie. „Gott sei Dank, war er bei uns.“

Die Nachbarin sei die „glaubwürdigste Zeugin“ gewesen, wie Amtsrichterin Michalski beim anschließenden Freispruch erklärte. Diese sei in die Familienfehde hineingezogen worden und habe im Gegensatz zu den anderen Zeugen keine Verbindung zum Angeklagten oder Geschädigten gehabt. Auf Basis ihrer Aussagen und in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft sei der Freispruch entschieden worden, so die Amtsrichterin.

Richterin: „Familien sollten sich erfolgreicher aus dem Weg gehen“

Die Urteile seien nach Anhörung der Zeugen der „einzige juristische Weg“ gewesen, erläuterte Michalski. Doch es sei nicht gut, den vorbestraften Angeklagten einen „rechtsfreien Raum“ zu bieten. Die beiden Freisprüche bedeuteten nicht, „dass Sie machen können, was Sie wollen“, so die Amtsrichterin zu den beiden Freigesprochenen.

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Michalski riet den Familien daher, dass sie sich „erfolgreicher aus dem Weg gehen“ sollten. Dies sei sowohl im Interesse der Familien als auch der Amtsgerichte. Denn die Prozesse zwischen Mitgliedern beider Familien würden Kapazitäten der Gerichte binden, so die Amtsrichterin.