Ein 50-jähriger Vater stand diese Woche als Angeklagter vor dem Amtsgericht Konstanz, ihm wird Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Im vorherigen vereinfachten schriftlichen Verfahren erhielt er zunächst eine Strafe in Höhe von 70 Tagessätzen á 40 Euro – also insgesamt 2800 Euro. Dagegen legte er Einspruch ein.
Vereinfachtes Verfahren
Was war geschehen – und führte zum Prozess?
Der Sohn, einschlägig bekannt bei Ermittlern wegen diverser Vergehen und derzeit wegen einer anderen Tat in Haft, war im Herbst 2020 als Beifahrer zusammen mit zwei weiteren Personen in einem Auto in Konstanz unterwegs. Bei einer Polizeikontrolle in Wollmatingen wurde 0,1 Gramm einer Substanz im Wagen gefunden – offenbar ein Betäubungsmittel.
„Der Sachbearbeiter hielt kurz Rücksprache mit der Staatsanwältin, woraufhin ein Untersuchungsbeschluss ausgesprochen wurde“, erzählte einer der beteiligten Beamten vor Gericht. Also fuhren sie direkt im Anschluss mit dem 21-jährigen Mann zum Haus der Eltern, wo er noch wohnt. Laut der Beamten wurde dem Sohn kurz Zeit gegeben, die Eltern von der bevorstehenden Zimmerdurchsuchung zu unterrichten.
An dieser Stelle nun nahmen die Schilderungen des Angeklagten und die des Beamten vor Gericht gegensätzliche Richtungen ein. Der Vater, der zuvor nach eigener Angabe in einem Konstanzer Lokal drei oder vier Bier getrunken hatte, sagte, er habe nach einem Untersuchungsbeschluss gefragt. Als ihm dieser Wunsch nicht erfüllt wurde, habe er die Haustür von innen zugezogen und den Beamten den Zutritt verweigert.
„Danach stand ich im Hausflur mit dem Rücken zur Tür und redete mit meinem Sohn.“ Kurze Zeit später seien die Beamten mit einem Schlüssel, den sie vom Sohn erhalten hatten, eingedrungen, wodurch er, der Vater, nach vorne geflogen sei. Er konnte sich vor Gericht nicht mehr erinnern, ob er die Tür zuhielt oder ob er nur davor stand. Es kam schließlich zur Zimmeruntersuchung.
Sohn drohte laut Zeugen mit einem Messerangriff
Der Beamte schilderte seine Version: „Der Mann war sofort aggressiv, was uns sehr verwundert hat. Uns wurde der Zutritt verweigert, die Situation hat sich immer mehr hochgeschaukelt.“ Die mittlerweile zwölf Beamten vor Ort hätten versucht, mit dem Vater durch die Tür zu reden. „Der Sohn rief, dass er uns mit einem Messer angreife, wenn wir das Haus betreten würden. Wir redeten auf den Vater ein, aber es gab keine Reaktion. Dann hörten wir das Geräusch einer Besteckschublade. Wir öffneten schließlich die Tür einen Spalt weit, doch der Vater stemmte sich mit seinem vollen Gewicht dagegen. Die Situation war extrem stressig.“
Als die Beamten schließlich doch in den Flur vordrangen, habe sich die Situation wieder etwas beruhigt, obwohl der Sohn vergeblich versuchte, über den Balkon zu fliehen. Während der folgenden Untersuchung hätten Beamte mit dem Vater geredet, um die Situation zu deeskalieren.
Anwalt Sylvester Kraemer sah die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes, aufgrund dessen es zum Widerstand gekommen sein konnte, nicht gegeben. „Ich widerspreche vehement, dass durch den Fund von 0,1 Gramm Betäubungsmittel in einem Auto ein Anfangsverdacht bestehen kann“, sagte er. „Es war nicht mal klar, ob das überhaupt Betäubungsmittel war. Thymian riecht ja ähnlich, und Beamte vor Ort sind, bei allem Respekt, ja keine Trüffelschweine.“
Kraemer stellte die Grundsatzfrage, ob es nur zur spontanen Durchsuchung gekommen sei, da der polizeibekannte Sohn im Auto saß, oder ob beispielsweise er als Anwalt ebenfalls damit zu rechnen habe, wenn in einem Auto, in dem auch er sich zufällig befinde, 0,1 Gramm gefunden werden. Sowohl Richterin Marie-Theres Polovitzer als auch der Beamte versicherten, dass die Beamten sehr wohl in der Lage seien einzuschätzen, ob weitere Durchsuchungen angebracht seien oder nicht. „Wenn etwas Kleines bei ihrem Sohn gefunden wird, dann gibt es einen Anhaltspunkt, dass man auch noch etwas Größeres finden wird.“
Angeklagter zieht seinen Einspruch schließlich zurück
Sylvester Kraemer strebte zunächst einen Freispruch seines Mandanten an, zumal in seinen Augen gar nicht sicher sei, ob es tatsächlich einen Widerstand des Vaters gab oder ob der nicht doch vom Sohn ausgeübt wurde. Doch nachdem der Polizeibeamte glaubhaft seine Eindrücke schilderte, bat Sylvester Kraemer, der selbst das eloquente Auftreten des jungen Beamten und seine Glaubwürdigkeit lobte, um eine kurze Unterbrechung der Verhandlung.
Nach kurzer Besprechung kehrten Angeklagter und Anwalt zurück in den Gerichtssaal und baten, den Einspruch zurücknehmen und dem schriftlichen Verfahren zustimmen zu dürfen – was einem Schuldeingeständnis gleich kommt. Sowohl Richterin als auch Staatsanwältin stimmten zu. „Ich hätte ansonsten auf 90-mal 50 Tagessätze erhöht“, sagte die Richterin. Also 4500 statt der ursprünglichen 2800 Euro. Im Zimmer des Sohnes wurde laut Rechtsanwalt übrigens kein weiteres Betäubungsmittel gefunden.