In Konstanz ist über den Namen Mohren-Apotheke diskutiert worden, dem Schriftzug wurde das „M“ gestohlen – und zur darstellenden Figur an der Hausfront gibt es unterschiedliche Meinungen. Seit gut 200 Jahren steht die Figur eines schwarzen Mannes mit Schild und Speer oben auf ihrem Sockel an der Hausecke der Apotheke in der Wessenbergstraße. Aber wieso steht diese Statue dort?

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Bevor 1778 die Hausnummern eingeführt wurden, hatte jedes Haus seinen speziellen Namen, noch heute in der Altstadt an zahlreichen Fassaden abzulesen. Die ehemaligen Besitzer des Gebäudes wetteiferten offenbar darum, eine besonders originelle, hintergründige und zur Nutzung des Hauses passende Bezeichnung zu finden. Teilnehmer von Stadtführungen fragen häufig nach ihrer Bedeutung – nicht immer gibt es eine schlüssige Erklärung.

Anfangs trugen die Häuser häufig Bilder ihrer Schutzheiligen und anderer religiöser Motive, dann auch Familien- und Herrscherwappen oder solche, die auf eine Spezialität des Hauses aufmerksam machten. Ein rätselhaftes Wandbild ist an der Tiergartenapotheke zu sehen. Seltener trifft man Figuren als Hauszeichen an. Unter diesen ist der „Mohr“ schon allein durch seine Größe ein prominentes Exemplar.

Das Gebäude der Mohrenapotheke, der das M abhanden gekommen ist. 1738 kaufte es der bischöfliche Hofapotheker Johann Konrad Gießler aus ...
Das Gebäude der Mohrenapotheke, der das M abhanden gekommen ist. 1738 kaufte es der bischöfliche Hofapotheker Johann Konrad Gießler aus Meersburg. | Bild: Oliver Hanser

Ursprünglich hieß das Hinterhaus der jetzigen Apotheke „Zum hinteren Mohren“ (Stephansplatz Nr. 1). Im Jahr 1738 kaufte es der bischöfliche Hofapotheker Johann Konrad Gießler aus Meersburg. Er richtete hier seine eigene Apotheke ein, für die er den Namen des Hauses übernahm.

Auf die Außenwand ließ er einen schwarzen „Mohrenkopf“ malen, vermutlich als Symbol für das medizinische Wissen und die Heilkünste, Rezepturen und Gewürze, die Mauren vor langer Zeit nach Europa gebracht hatten.

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50 Jahre später erwarb ein Nachkomme das Vorderhaus an der Wessenbergstraße, die damals Plattenstraße hieß, und verlegte den Geschäftsraum in dieses verkehrsgünstiger gelegene Gebäude. Mit gutem Gespür für die optimale Wirkung ließ er als Firmenzeichen statt einer Wandbemalung die Figur des schwarzen Kriegers am Eckpfeiler des Gebäudes anbringen.

1881 kaufte Bernhard Welsch aus Winterthur die Apotheke, sein Sohn August Welsch führte sie schließlich bis 1964. Danach wechselten Besitzer und Betreiber. Bis heute steht die Figur in gelassener Haltung auf einem Postament in einer flachen, durch Abschrägung der Pfeilerkante gewonnenen Nische auf Höhe des ersten Stockwerks. In dieser Position ist er aus jeder Richtung sichtbar. Seine Federkrone und der Bastrock glänzen golden.

Bild 2: Diese Figur steht in der historischen Altstadt von Konstanz – und sorgt für Diskussionen. Was ist ihre Geschichte?
Bild: Johannes Hof

1788 wurde die Figur an dem Konstanzer Haus aufgestellt. Bei dem „Konstanzer Mohren“ soll es sich um die würdevolle Abbildung eines Schwarzen handeln. Zu diesem Zeitpunkt war Deutschland noch lange keine Kolonialmacht. An die Jahre 1528 bis 1530, als Konstanzer Kaufleute am Sklavenhandel beteiligt waren, erinnerte sich zu dieser Zeit wohl niemand mehr in der Stadt.

Die Brüder Heinrich, Ulrich und Georg Ehinger tätigten damals in Spanien Geschäfte für das Augsburger Handelsunternehmen der Welser, auch die Einfuhr afrikanischer Sklaven nach Südamerika. Kaiser Karl V. hatte 1528 Heinrich Ehinger zum Statthalter in der neuen Kolonie Venezuela ernannt. 1530, nach einem Streit, zogen sich die Ehinger-Brüder aus der Geschäftsverbindung mit den Welsern zurück.

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Der Erwerb deutscher Kolonialgebiete begann erst Anfang der 1880er Jahre damit, dass deutsche Kaufleute Kolonien in Afrika mittels Verträgen mit lokalen Stammeshäuptlingen in ihren Besitz brachten. Ab 1884 wurden diese durch Schutzbriefe der deutschen Regierung abgesichert.

Verglichen mit den Kolonialgroßmächten England und Frankreich war der deutsche Kolonialbesitz deutlich kleiner. Er umfasste Gebiete in West-, Südwest- und Südostafrika und auf Inseln im Pazifik. 1919, mit dem Versailler Friedensvertrag, verlor Deutschland alle seine Kolonien.

All der Kolonialismus und die blutigen Folgen konnte man bei der Aufstellung der Figur am Hauseck der Wessenbergstraße nicht erahnen. Die Debatte um die Figur zeigt, wie Relikte, Denkmäler und Symbole aus der Vergangenheit zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit der Geschichte veranlassen.

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