Antonia Wintersig

Eine Konstanzer Elterninitiative, vertreten durch Yvonne Frick, ihren Mann Waldemar Frick und Taija Schmidt, hat am 25. Oktober eine Unterschriftensammlung an Amtsleiter Frank Schädler übergeben. 67 Personen hatten das Anliegen der Eltern unterstützt. Angesichts von rund 8000 Schülern, davon die Hälfte im impffähigen Alter, und 2500 Kitakindern in Konstanz repräsentiert die Initiative somit eine überschaubare Anzahl an Familien.

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Dennoch fordert die Elterninitiative von der Stadt Konstanz unter anderem, dass den Familien eine Wahlmöglichkeit eingeräumt wird, um ihre Kinder per Antigentest zu Hause zu testen. Ihrer Ansicht nach seien PCR-Pool-Tests mittels der Lolli-Methode an schulischen Einrichtungen und in der Kinderbetreuung nicht angemessen. Dieses Verfahren wird seit Mitte Oktober an immer mehr Konstanzer Einrichtungen angewendet, um auch Infektionen bei Kindern und noch ungeimpften Jugendlichen nachzuweisen.

Welche Argumente bringen die Eltern vor? Ein Fakten-Check

  1. Nötigung und Druck? Die Initiative fordert unter anderem, dass den Familien eine Wahlmöglichkeit eingeräumt wird, ihre Kinder per Antigentest zu Hause zu testen. Die Eltern kritisieren: „Aus unserer Sicht fühlen sich viele Eltern und Kinder genötigt, der fragwürdigen Poolteststrategie unter Druck und ohne eine realistische Wahloption zustimmen zu müssen.“

    Frank Schädler, Leiter des städtischen Amts für Bildung und Sport, erklärte dazu bereits in der vergangenen Woche: „Das Land gibt uns zwei Möglichkeiten: drei Mal pro Woche den Antigen-Test im Testzentrum oder die Pool-Tests. Wir haben das Vorgehen mit den Schulleitern besprochen.“ Die Eltern lassen bei diesem vermeintlichen Fakt unerwähnt, dass es in Konstanz weiterhin offizielle Corona-Teststationen gibt.

  2. Häusliches Testen? Taija Schmidt sagte gegenüber dem SÜDKURIER, dass sich das häusliche Testen an den Grundschulen bewährt habe: Es sei nicht zu unbemerkten Infektionen gekommen.

    Dazu erklärt die Stadt Konstanz schriftlich: „Die Stadt ist verpflichtet, die größtmögliche Sicherheit für die Kinder zu gewährleisten. Dies erscheint uns durch die Pool-Testungen nach dem derzeitigen Stand der Dinge mehr gewährleistet zu sein als durch Testungen zu Hause. Im Vergleich zum Antigen-Schnelltest ist die PCR-Testung in der Lage, auch geringere Virusmengen nachzuweisen, sodass Infektionen viel schneller erkannt werden und zudem auf die unangenehme Abstrichentnahme aus dem Nasen- oder Rachenraum verzichtet werden kann. Der Speichel zur Testung wird durch Lutschen an einem unbedenklichen medizinischen Wattetupfer (Lolli) für 30 Sekunden gewonnen. Damit ist der PCR-Lolli-Test am wenigsten ‚invasiv‘.“

    Dies bestätigt auch Dr. Simone Brunner, Geschäftsführerin vom Labor Brunner, auf SÜDKURIER-Anfrage: „PCRs sind viel sensitiver und spezifischer.“ In den letzten zehn Tagen (Stand: 29. Oktober) habe das Labor zwei positive Pools gehabt. „Beide Pools waren so schwach positiv, dass ein Antigentest jeweils nicht positiv ausgefallen wäre.“ Persönlich könne sie nicht verstehen, warum die Testung in Kitas nicht ebenfalls verpflichtend ist, so Brunner. Denn gerade Kleinkinder würden häufig asymptomatisch erkranken.

  3. Kosten und Aufwand? Auch der Aufwand und die Kosten für die Schulen würden sich bei häuslichen Testungen in Grenzen halten, führt Taija Schmidt als weiteren Kritikpunkt an.

    In Bezug darauf lässt die Stadt Konstanz verlauten: „Durch die Pool-PCR-Testung einer größeren Gruppe mit bis zu 15 TeilnehmerInnen können der zeitliche und organisatorische Aufwand pro Untersuchung deutlich reduziert werden, ohne die Empfindlichkeit des Testverfahrens relevant zu beeinflussen. Die Proben einer Gruppe werden gemeinsam untersucht. Das Verfahren ist somit wesentlich effizienter, als Einzeltestungen. Nur bei Virusnachweis in der gemeinsamen Poolprobe müssen die Kinder dieses Pools einzeln nachgetestet werden.“

    Frank Raddatz, Geschäftsführender Schulleiter aller Schulen außer Gymnasien, betonte bereits Mitte Oktober in Bezug auf die neue Teststrategie: „Wir haben künftig wieder mehr Zeit für Unterricht. Eine Kollegin mit einem einstündigen Fach hat bei uns seit Wochen nicht mehr unterrichtet, weil in ihrer Stunde die Schnelltests erledigt werden mussten.“ Außerdem werde ein riesiger Berg an Abfall vermieden.

  4. Personal und Datenschutz? Des Weiteren bestünden laut der Ausführungen von Taija Schmidt „Fragen zur Durchführungsverantwortung“. Auch „datenschutzrechtliche Bedenken beziehungsweise die Frage, welches Interesse an den riesigen Datenpools bestehen könnte“ führt die Elterninitiative als Argument ins Feld.

    Frank Schädler erklärte gegenüber dem SÜDKURIER, dass das Labor Brunner sicherstelle, dass das zuständige Schulpersonal medizinisch geschult sei. Der Amtsleiter versicherte, dass „auch von dieser Seite alles abgedeckt“ ist. In Bezug auf angebliche, riesige Datenpools erklärte der Amtsleiter: Der Datenschutz sei im Sinne der Europäischen Datenschutzverordnung gesichert.

  5. Teststäbchen unbedenklich? Die Initiatoren befürchteten zudem, dass bei Stäbchen gewisser Herkunft Ethylenoxid verwendet wurde. „Es kann uns niemand garantieren, dass beim Lutschen davon nichts in den Mund gerät“, so Waldemar Frick.

    Frank Schädler sieht hier kein Problem. Wie er dem SÜDKURIER dazu bereits erklärte: „Die Stäbchen sind EU-zertifiziert und unbedenklich.“

  6. Keine Zertifizierung? Doch diese Zertifizierung stellt die Elterninitiative ebenfalls infrage. Ihnen würden Informationen vorliegen, dass die TÜV-Zertifizierung abgelaufen sei, heißt es in einer Mitteilung, die die Elterninitiative am 29. Oktober versendete. Hierbei beruft sie sich auf eine Zertifikatsnummer, unter der sich auf der Internetseite des TÜV Rheinland nur ein abgelaufenes Zertifikat abrufen ließ.

    Simone Brunner erklärte auf SÜDKURIER-Nachfrage am 29. Oktober, dass es sich hierbei lediglich um einen Formfehler handeln müsse. Es werde gerade mit dem TÜV geklärt, warum online ein abgelaufenes Zertifikat zu finden sei, während dem Labor schriftlich ein gültiges vorliege. „Es liegt darüber hinaus aber auch ein gültiges EU-Zertifikat vor“, so Simone Brunner am vergangenen Freitag.

    Inzwischen ist klar: Es handelt sich tatsächlich um einen Formfehler. Die Stadt Konstanz erklärte gegenüber dem SÜDKURIER, dass sich die Elterninitiative auf ein veraltetes Zertifikat beziehe. Offenbar habe es der Hersteller der verwendeten Teststäbchen versäumt, die Zertifikate zu aktualisieren. Dies wurde mittlerweile nachgeholt. Die Zertifikate sind nun unter anderen Produkt- und Zertifikatsnummern zu finden. So lasse sich der erhobene Vorwurf erklären.
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Wissenswert sei außerdem, dass die von der Elterninitiative benannten Zertifikate nicht mit einer „TÜV-Plakette“ bei der Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen oder einem Haltbarkeitsdatum gleichzusetzen sind. Ein Zertifikat wie das der besagten Teststäbchen „bezieht sich auf einen Zeitraum, bis zu dessen Ende das Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden darf.“ Ein abgelaufenes Zertifikat sage zunächst also nichts über eine nicht mehr erlaubte Verwendung aus. „Insofern ist der Elterninitiative offenbar ein Interpretationsfehler unterlaufen“, antwortet die Pressestelle der Stadt Konstanz schriftlich.

Die Rückmeldungen von Lehrkräften, Eltern und Schülern zur Pool-Testung seien überwiegend positiv. Zahlreiche Eltern würden einen Nasenabstrich für ihre Kinder unbedingt vermeiden wollen und hätten sich über Elternvertretungen für die „Lolli-Tests“ stark gemacht, so die Stadt. Von diesen Seiten sei mehrheitlich der geringere Zeitaufwand und die einfachere Handhabung bestätigt worden.