Fasnacht? In diesen Zeiten? Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb: Die Fasnachtseröffnung der Niederburg hat im Inselhotel noch gar nicht richtig begonnen, da setzt sie schon ein Zeichen. Claudia Zähringer hält eine Art Prolog. Die 13 Gongschläge sind kaum verhallt, da fragt sie: „Es passieren so viele schlimme Sachen / gibt‘s denn überhaupt noch was zu Lachen?“ Die folgenden drei Stunden werden darauf eine eindeutige und kraftvolle Antwort geben: Ja!

So weist dieser Abend, wie so oft bei der jetzt 140-jährigen Narrengesellschaft Niederburg, ein Stück über sich selbst hinaus. Neben knackigen Büttenreden, sportlichem Tanz, Gesang und der Ernennung einer neuen Burgdame zeigt die Fasnachtseröffnung auch auf, warum es so etwas braucht. Die Stimmung ist familiär. Und Niederburg-Präsident Mario Böhler moderiert mit der nur in der Fasnacht denkbaren Mischung aus Ironie und Ernsthaftigkeit eine Nummer „fürs Gemüt“ an.

Sodann treten Martin Tschaki und Simon Schafheitle auf die Bühne. So oft haben sie schon geblödelt, dieses Mal wird es fast rührselig: Das Textkischtle ist wieder da. Zwei der drei Fasnachter, die einst die Gesangsnummer Jahr für Jahr brachten, sind inzwischen gestorben. Jetzt entsteht aus der Trauer etwas Neues.

Nun als Duett nehmen sie Konstanzer Lokalgeschehen vom Umbau des Bahnhofplatzes bis zur Ebbe in der Stadtkasse auf. Und alle stimmen ein, als im Refrain die große Konstanzer Selbstvergewisserung erklingt: „Konstanz hat so was Rührendes, Konstanz hat was Verführendes…“
Für viele ist es der emotionale Höhepunkt des Abends. Den vielleicht besten Sarkasmus liefert Norbert Heizmann ab, der revolutionär als Heizmann kommt. Als Heiz-Mann, um es genau zu sagen, der aus dem Heizungskeller mal politisch anzüglich, mal frivol und immer mit geschliffenem Text zum Parforceritt ansetzt.
Gräfin Bettina überzeugt mit einer feinen Laudatio
Die größte Schwierigkeit des Abends überwindet Wolfgang Mettler mit Bravour: Katharina Müller kann wegen des Todesfalls in ihrer Familie die närrische Ehrung nicht selbst in Empfang nehmen. Also springt, nach einer auszeichneten Darbietung des Burgherrenchors und einer wunderbaren Laudatio der zuletzt ernannten Bettina Gräfin Bernadotte, Mettler ein. Mit einer Ode an das Fleisch, die den Zuhörern die Lachtränen in die Augen und dem Darbietenden im närrischen Sich-Hineinsteigern die Schweißperlen auf die Stirn triebt.

Und es zeigt sich, dass ein guter Fasnachtsabend auch aus dem klugen Mix aus Bewährtem im Neuem liegt. Jürgen Greis alias Neckes als raumpflegende Dreck-Queen ist ja so etwas wie der Altmeister des Kalauers, der an diesem Abend im Marco Rinderspacher, zu Gast von den Fürstenberglern, als Lehrer, sein ebenbürtiges Pendant findet. Als Lehrer mit einem Stapel Klassenarbeiten bringt auch er Witze, die sogar schon in Büchern sehen, aber wie wer das macht! Vor aller Augen stürzt er eine Flasche Bürgertröpfle gewissermaßen auf Ex und lallt sich in seine Korrekturen.
Auch bei der Musik ist der Wunsch zur Erneuerung spürbar
Zwischendurch zeigt die Band unter der Leitung von Manuel Heß, was sie drauf hat. Auch hier ist das Ziel einer sanften Erneuerung zu erkennen, und es gelingt. Christoph Konopka und Dominik Werner präsentieren in goldglitzernden Jacketts im Italo-Schlager-Stil der 1970er-Jahre einen neuen Song, der möglicherweise auch zum Evergreen wird.

Was viele Besucher auch schätzen: Die familiäre Stimmung. Schon der Auftakt mit dem Essen am (dieses Mal bestens organisierten) Inselhotel-Buffet schafft diese Gemeinschaft. Deutlich wird sie, als ein Besucher bei der Begrüßung mehr Applaus erhält als alle anderen: Konrad Frommer, Burgherr und früherer Stadtwerke-Chef, der sich nach seinem schweren Unfall im Rollstuhl wieder ins Stadtleben zurückkämpft.
Das wertschätzende Miteinander zeigt sich auch, wie der ganze Saal der jungen Lara Stross bei ihrer Büttenrede als Klima-Kleberin immer wieder mit warmen Beifall über kleine Texthänger hilft.
Und groß ist die gemeinsame Begeisterung, als der Fanfarenzug und sein Leiter Martin Tschaki nochmals zum Gewinn der Landesmeisterschaft und zur Goldmedaille beglückwünscht werden.

Fasnacht? Jetzt erst recht. Die rund 300 Gäste im Saal beantworten es auf ihre Weise. Gerade zu inbrünstig wollen sie gar nicht mehr aufhören mit dem Lied, in dem es heißt: „Ja der Humor, der wird in Konstanz niemals untergehn!“