Kurtle Köberlin spricht das aus, was viele Konstanzer denken: „Ja nicht die Fasnacht ausfallen lassen“, sagt das närrische Urgestein, das unzählige Ämter inne hatte und seit seinem Rücktritt von der aktiven Zeit im Jahr 2019 das Treiben entspannt aus dem Hintergrund verfolgt. „Das ist ja irgendwie auch gar nicht möglich, denn das ist eine Sache des Herzens.“ Doch genau diese zentrale Pumpstation des Kreislaufes schmerzt den 69-Jährigen, wenn er an das Jahr 1991 denkt und Parallelen zu 2021 zieht.
„Damals haben wir aus Solidarität mit den Soldaten des Golfkrieges komplett darauf verzichtet“, erinnert er sich. „Die Stimmung war geknickt. Es wollte keine Freude aufkommen.“ Das dürfe sich im Jahr 2021 nicht wiederholen – auch wenn er Verständnis hat für die Absagen der Veranstaltungen. „Wir sollten unbedingt versuchen, unter Einhaltung der Corona-Vorschriften in kleinen Kreisen den Geist der Fasnacht aufleben zu lassen.“

Seit 55 Jahren ist Kurtle Köberlin Mitglied bei den Kamelern, seit 50 Jahren Narrenrat bei der Vereinigung Konstanzer Narrenvereine. In der Szene hat sein Wort als Moderator Gewicht. Wie schon Quaker-Präsident Christoph Vayhinger vor wenigen Wochen regt auch er eine kleine, aber feine Fasnacht mit Rückbesinnung auf Traditionen an.
„Wir werden so wie früher im Wohnzimmer unter Berücksichtigung der Regeln eine Hockete abhalten, im Garten vorbeiziehenden Narren ein Gläsle Sekt anbieten und zusammen singen oder unsere Sprüchle aufsagen“, sagt er. „Klar ist aber auch: Mädle vernuddele, also das Küssle rechts und links, oder das Strählen, also mit der Hand durch die Haare des Gegenüber fahren und die Frisur ruinieren, geht bei der nächsten Fasnacht nicht.“
Kurtle Köberlin, in der Tulengasse in der Niederburg und somit am Puls der Konstanzer Fasnacht geboren und aufgewachsen, fallen diese Worte nicht unbedingt leicht – doch er ist Realist genug, um zu wissen, dass Einschränkungen notwendig sind. „Meine Oma hat immer gesagt: Es ist kein Schaden so groß als dass er nicht für etwas gut sein könnte.“
Auf die aktuelle Zeit übersetzt heißt das: „Wenn wir diese Möglichkeit nutzen und uns an die Ursprünge erinnern, dann ist allen trotzdem geholfen.“ Riesige Menschenansammlungen oder Alkohol-Exzesse seien erstens nicht möglich und zweitens auch nicht nötig, um den Geist der Fasnacht zu leben. „Jeder für sich und doch irgendwie alle zusammen“, umschreibt er seine Vorstellungen.
Wird es 2021 eine Fernsehfasnacht geben?
Immerhin: Die Fernsehfasnacht soll nach aktuellem Stand der Dinge trotz der Pandemie stattfinden. „Zur Not ohne fremdes Publikum“, so Niederburg-Präsident Mario Böhler. „Das würde bedeuten, dass lediglich die Bühnenakteure und interne Vereinsmitglieder im Saal sein dürften. Alle mit Abstand zueinander.“

Heinz Maser, der 2021 seine 26. und letzte Fernsehfasnacht als Programmchef plant, nennt noch zwei weitere Optionen: „Ein komplett leerer Saal mit Beifall vom Band ist ebenfalls denkbar oder, wenn wir doch absagen müssten, eine Sendung mit den Höhepunkten der vergangenen Jahren.“
Seinen Abschied hat er sich so oder so anders vorgestellt: „Das ist natürlich schon etwas traurig. Aber irgendwann ist es an der Zeit, an die Jüngeren zu übergeben“, sagt er. „Es war auf jeden Fall eine sehr, sehr schöne Zeit.“ Mario Böhler wird sein Nachfolger. „Ich hoffe sehr, dass es einen angemessenen und würdigen Abschied für Heinz Maser geben wird. Das hat er sich verdient.“
Der scheidende Programmchef würde sich zwar wünschen, dass sich bis Februar die pandemische Lage deutlich verbessert, doch er weiß auch: „Mit der Vernunft der Menschen zu rechnen, ist oftmals eher ungünstig.“ Eine Feststellung, die Immanuel Kant nicht besser hätte formulieren können.
Einige Akteure der Fernsehfasnacht stehen schon fest
Am 5. Dezember treffen sich die Beteiligten der Niederburg und der Kamelia zur Disposition der Veranstaltung. „Das ist ein Casting der Akteure“, erklärt Heinz Maser. „Wir bereiten uns seit längerem so vor, als würde die Fernsehfasnacht stattfinden. Wir stehen im ständigen Kontakt mit der SWR-Redaktion.“ Abgesagt sei in fünf Minuten, die Planung benötige mehrere Monate. Mario Böhler erklärt: „Für uns ist die Arbeit ja nicht weniger. Im Gegenteil: Wir müssen die Corona-Maßnahmen berücksichtigen. Das braucht Zeit.“
Einige Akteure hätten ihre Teilnahme bereits zugesichert, doch klar ist laut Mario Böhler auch: „Es muss darum gehen, dass sich alle Beteiligten sicher fühlen. Wenn jemand Bedenken hat, haben wir dafür volles Verständnis.“ Im Mai noch gingen die Verantwortlichen davon aus, dass der Abend im Konzil mit Publikum würde stattfinden können. „Es liegen also schon einige Reservierungen vor. Dafür werden wir gute Lösungen suchen und auch finden, damit am Ende alle glücklich sind.“
Eine Einstellung, die Mario Böhler in diesen Wochen und Monaten auf Schritt und Tritt begleitet. „Wenn es überhaupt etwas Gutes an Corona geben kann, dann die Tatsache, dass dieses verdammte Virus uns hilft, gedanklich fit und kreativ zu bleiben“, erklärt der Niederburg-Präsident, der mit seinen Mitstreitern jede mögliche Variante durchdenkt. „Wir werden auf jeden Fall auf alles vorbereitet sein.“