Müssen wir ihn schon wieder gehen lassen? Die Frage steht unausgesprochen im Raum, bevor er ihn überhaupt betreten ist. Er, das ist Gabriel Venzago, 34 Jahre alt, Chefdirigent des städtischen Profi-Orchesters, das neuerdings Bodensee Philharmonie heißt, und designierter Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters und Generalmusikdirektor des Staatstheaters Mainz.
Dieser Karriereschritt, sagt Kulturbürgermeister Andreas Osner, sei „höchst verdient“ und „die logische Konsequenz aus seiner großartigen Kunst, seiner positiven Energie und seiner Leidenschaft, mit der er in kürzester Zeit die Herzen des regionalen Publikums erobert hat“.
In Mainz engagiert sich Venzago schon jetzt
Im Herbst 2025 tritt Venzago die Stelle offiziell an, ist in Rheinland-Pfalz aber jetzt schon gefragt. Unter anderem darf er den Umbau eines großen Probenraums mitgestalten, der dann später auch Kammermusiksaal wird. Was für ein Kontrast zu Konstanz mit seinem Konzil – und in der Stadt fragen sich viele Musik-Fans: Wie lange bleibt uns Gabriel Venzago erhalten?

Viele haben ihn als den vielleicht charismatischsten Chefdirigenten der Philharmonie erlebt. Wenn er in Konzerteinführungen über Musik spricht oder sich nach der Aufführung noch, geschafft vom zwei harten Stunden am Pult, unters Publikum mischt und jedem Besucher das Gefühl vermittelt, ein ganz besonders willkommener Gast zu sein.
In Konstanz machen sich Verlustängste breit
Dass es Verlustängste gibt, seit Vezagos neues Engagement im fast 400 Kilometer entfernten Mainz bekannt wurde, weiß er selbst natürlich auch. Und ebenso sein neuer Chef Hans-Georg Hofmann, der für ein Jahr die Intendanz der Philharmonie übertragen bekommen hat. Und so gehen die beiden vor dem ersten Philharmonischen Konzert der Saison am Mittwochabend, 25. September, in die Offensive. Im Proberaum der Musiker sagen sie den Zuhörern, die eigentlich auf die Werke des Abends, Honegger, Beethoven, Richard Strauss und Berlioz, eingestimmt werden wollen, was Sache ist.

Hofmann gesteht ein, er sei auch zuerst „erschrocken“ über Venzagos neues Engagement, aber wahr sei auch: „Er hat Energie für mindestens zwei Personen“. Und die brauchte er zuletzt auch in Konstanz: Nachdem das Orchester plötzlich ohne Intendantin dagestanden hatte, habe seine Arbeitslast „deutlich alle Grenzen gesprengt“. Nun, mit Hofmann an seiner Seite, könne er sich wieder auf die Musik konzentrieren. Und das bedeutet erst mal eine Konstanzer Spielzeit mit einem ehrgeizigen Programm.
Neun Philharmonische Konzerte stehen noch an, dazu zahlreiche Sonderkonzerte. Dank der vom Bund gewonnenen Exzellenz-Förderung kann das Orchester auch ganz neue Projekte stemmen. Bereits am 5. Oktober beginnt eine Programmreihe zur Nachhaltigkeit – zum Beispiel mit einem Klimasinfonie-Orchester, bei dem alle mitmachen können, die ein Instrument beherrschen. Oder einem Konzert auf dem Konstanzer Recyclinghof am 12. Oktober. Und das ist nur die erste von sieben Projektphasen.
Dass im Sommer 2025 dann wirklich Schluss sein soll in Konstanz für Hofmann und Vengazo, können sich beide selbst nicht so richtig vorstellen. Venzago erhält viel Beifall für seine Aussage, er habe in Mainz so verhandelt, dass er weiter parallel Chefdirigent in Konstanz bleiben könne. Immerhin läuft sein Fünfjahresvertrag hier auch noch bis Sommer 2027, wie das Orchester nach Venzagos Wahl selbst mitteilte.
Und auch Hofmann könnte wohl über diese eine Spielzeit hinaus in Konstanz bleiben, wie Bürgermeister Andreas Osner auf Anfrage des SÜDKURIER durchblicken lässt: Er freue sich auf die „weitere Zusammenarbeit mit Hans-Georg Hofmann, der meine höchste Wertschätzung hat. Was Hans in Konstanz bislang geleistet hat, ist grandios. Wir sind sehr glücklich mit der Situation und wollen der Bodensee Philharmonie eine stabile Perspektive geben. Hierzu sind wir in guten Gesprächen.“
Was das konkret heißt? Anja Fuchs, Sprecherin der Stadtverwaltung, teilt dazu mit: „Die Verträge sind nun Verhandlungssache, und das Ergebnis wird zu gegebener Zeit mit den zuständigen Gremien besprochen.“
Osner freut sich, „dass Gabriel weiter unser Chefdirigent bleibt“
Und Venzago selbst, dem es – neben den Musiken selbst – zu großen Teilen zugeschrieben wird, dass das Orchester schnell aus der Krise kam, soeben nochmals 150 Abonnenten dazugewinnen und erneut Fördermittel des Bundes einheimsen konnte? Für Andreas Osner, der am Mittwochabend auch selbst im Konzert war und die Begeisterung im Publikum miterlebte, ist klar: „Vor allem aber freue ich mich, dass Gabriel weiterhin unser Chefdirigent bleibt und er sein Wirken hier in Konstanz fortsetzt. Lieber Gabriel: Chapeau!“