Für einen Moment herrscht Stille im Ratssaal. Sie wird nur durch das Quietschen zweier Stühle durchbrochen, die zurückgeschoben werden. Roland Ballier (Freie Wähler Konstanz, 75 Jahre) und Khaled Badawi (SPD, 19 Jahre) laufen vor zum Rednerpult. Dort wartet schon der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er wird das älteste und jüngste Mitglied des neuen Gemeinderats stellvertretend für alle Stadträte für ihre Aufgaben verpflichten.

Im Duett sprechen Ballier und Badawi die Verpflichtungsformel auf: „Ich gelobe Treue der Verfassung, gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten. Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Stadt Konstanz gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner nach Kräften zu fördern.“ Dann folgen die 40 Unterschriften der Stadträte. Seit Donnerstag, 18. Juli, um 16.33 Uhr hat die Stadt Konstanz damit wieder einen Gemeinderat.

In der konstituierenden Sitzung treffen zum ersten Mal alle neuen Stadträte aufeinander. Und gleich wird deutlich: Das Machtverhältnis hat sich verändert. Denn bisher hatte die Freie Grüne Liste (FGL) 13 Sitze, jetzt sind es nur noch zehn Sitze. Die drei verlorenen Sitze haben sich dafür die CDU, SPD und die Freien Wähler Konstanz (FWK) geschnappt. Sie haben jeweils einen Sitz bei der Kommunalwahl 2024 dazugewonnen.
In der ersten Sitzung des Gemeinderates geht es nun darum, die Gremien zu besetzen. Die Gremien, Ausschüsse, Aufsichtsräte, Arbeitskreise und Beiräte müssen einstimmig beschlossen werden. In den meisten von den 48 Organen funktioniert das auch – doch nicht bei allen. Bei der Wahl für die Aufsichtsräte für die Wobak und die Marketing und Tourismus Konstanz (MTK) GmbH sprühen die ersten Funken. Denn: Es gibt zu wenig Sitze und gleichzeitig haben mehrere Fraktionen Anspruch auf einen Platz in diesen Räten. Perfekte Ausgangslage für den ersten Zunder.
Die ersten politischen Glutnester
Zwei Wahlen sollen die Glutnester im Keim ersticken. Alle Stadträte können auf Stimmzetteln bereits vorgeschlagene Räte und Rätinnen wählen. Für die Wobak stehen die Namen Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) und Jan Welsch (SPD) auf dem Stimmzettel, für die MTK Christine Kreitmeier (FGL) und Jürgen Faden (FWK). Zukünftig im Aufsichtsrat bei der Wobak sitzt Jan Welsch (24 Stimmen), Jürgen Faden (22 Stimmen) nimmt den Platz beim Aufsichtsrat bei der MTK ein.
Die ersten Aufgaben haben die 40 Stadträte und -rätinnen damit gemeistert. Moritz Schneider vom Jungen Forum Konstanz (JFK) fand diese konstituierende Sitzung aufregend. Das erzählt er dem SÜDKURIER im Nachgang. Er ist zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt worden. „Man hat gemerkt, dass es bei bestimmten Themen gleich Feuer gibt“, sagt er und schiebt hinterher, dass man schon erkennen könne, dass sich bestimmte Absprachen unter den Fraktionen vielleicht im Vorfeld ergeben haben. „Das ist spannend zu beobachten“, sagt er.

Dass sich die Machtverhältnisse etwas verschoben haben, sagt auch Anne Mühlhäußer (FGL). Drei Sitze weniger für ihre Fraktion müssten irgendwie ausgeglichen werden. Man werde jetzt schon schauen, welche Allianzen man schmieden könne. Dabei blickt sie in Richtung JFK, Linke Liste Konstanz (LLK) und SPD. „Wir wollen ja unsere wichtigen Themen durchbringen“, sagt sie.

FGL will sich Allianzen suchen
Auf die Machtverschiebung setzt auch das älteste Ratsmitglied Roland Ballier (FWK). Immerhin hat seine Fraktion nun einen Sitz mehr erhalten. Ballier, der mit seinen 75 Jahren ein Neuling im Konstanzer Gemeinderat ist, will sich vor allem dafür einsetzten, dass die Stadt etwas an Geld spart.

„Ich habe Angst, dass sich die Stadt finanziell immer mehr übernimmt. Es darf nicht sein, dass in drei oder fünf Jahren der Haushalt nicht mehr zu konsolidieren ist“, sagt er. Am Dienstag, 23. Juli, stehen bei der ersten inhaltlichen Sitzung des Gemeinderats die Punkte neue Stellen für das Großprojekt Hafner (4,5 Stellen) und E-Zone auf der Tagesordnung. „Da werde ich definitiv etwas dazu sagen“, kündigt Ballier an.
Auch die anderen Fraktionen bringen sich langsam in Stellung. Die FGL bereite schon Anträge vor, lässt Lisa Kreitmeier durchblicken. Das jüngste Mitglied des Rates, Khaled Badawi von der SPD, ist hochmotiviert. „Ich habe heute schon die große Verantwortung gespürt“, sagt er. Jetzt ginge es darum, professionell an die Arbeit zu gehen und das bestmögliche für die Stadt zu erreichen.