Wer momentan von Konstanz aus die Schweizer Grenze passiert, sieht in der Kreuzlinger Hauptstraße ungewohnte Bilder der Geselligkeit. Menschen sitzen bei Kaffee freudig zusammen. Popmusik schallt aus den Lautsprechern der Terrassen. Unter den Heizpilzen in den Kreuzlinger Partyzelten weht offensichtlich ein Hauch von Normalität.

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Seit 19. April dürfen Schweizer Gastronomiebetriebe ihre Außenbereiche öffnen. Auch Freizeit- und Kulturbetriebe wie Kinos oder Fitnessstudios haben die Erlaubnis, Gäste zu empfangen. Darüber hinaus sind Veranstaltungen im Innenbereich mit bis zu 50 Personen und im Außenbereich mit zu 100 Personen erlaubt. Und in Konstanz? Dort ist seit fast einem halben Jahr weiterhin Lockdown.

Für Deutsche erscheint die Versuchung möglicherweise groß, für einen Cappuccino kurz über die Grenze zu fahren. Der Grenzübertritt ist allerdings nur gestattet, „sofern die Einreise nicht überwiegend aus touristischen Gründen, zum Zwecke des Einkaufs oder zur Inanspruchnahme von Dienst- oder Handwerksleistungen erfolgt“, wie es in der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg steht. Mehr Infos zu den Einreiseregeln in die Schweiz lesen Sie hier.

„Schwierig, dass an der Grenze kaum kontrolliert wird“

Der Konstanzer Sebastian Kutschke sieht die unterschiedlichen Regelungen in der Grenzregion kritisch. „Die Liberalität wie in der Schweiz wünsche ich mir in Deutschland nicht.“ Im Frühjahr habe man nach den vereinzelten Lockerungen gesehen, dass die Infektionszahlen auch schnell wieder steigen können. Dass die Maßnahmen in der Schweiz lockerer seien, findet er „schade, aber verständlich“. Schließlich habe die Schweizer Regierung bereits seit Beginn der Pandemie diese Strategie verfolgt.

„Ich finde es schwierig, dass an der Grenze kaum kontrolliert wird“, sagt Sebastian Kutschke aus Konstanz.
„Ich finde es schwierig, dass an der Grenze kaum kontrolliert wird“, sagt Sebastian Kutschke aus Konstanz. | Bild: Cian Hartung

Aufgrund der Lockerungen würden viele Konstanzer regelmäßig zum Vergnügen über die Grenze gehen, so Kutschke. Das könne er nachvollziehen, denn man müsse sich nach so vielen Monate im Lockdown auch belohnen. „Ich finde es dagegen schwierig, dass an der Grenze kaum kontrolliert wird.“ Er wolle selbst erst wieder in die Schweiz, wenn die Zahlen auch in Deutschland deutlich gesunken sind.

Für Kaffee und Kuchen über die Grenze?

Eine ähnliche Meinung hat Patrick Böhler aus Konstanz. „Zu viel Freizügigkeit kann auch gefährlich sein“, meint er. Er verweist auf Entwicklungen in den Niederlanden, wo nach Lockerungen die Infektionszahlen nun wieder steigen und die Sieben-Tage-Inzidenz bei rund 300 liegt. „Neidisch bin ich also nicht.“

Er selbst sehe sich bislang „nicht so stark betroffen“ von der Pandemie, meint er. Seine 78-jährige Mutter dagegen schon. „Mit ihr will ich vielleicht bald einmal über die Grenze zu einem Stück Kuchen und einem Café“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Schweizer Freizügigkeit „kein großes Risiko“

Anders sieht es der Konstanzer Daniel Garthe. „Es ist gut, dass in der Schweiz der soziale Austausch und das Miteinander in der Öffentlichkeit wieder mehr möglich ist.“ Im Nachbarland herrsche zudem ein offenerer Umgang mit der Pandemie und eine andere Kommunikation der Regierung mit der Bevölkerung. Die Corona-Regeln in Deutschland hält er dagegen für zu streng. „Langfristig denke ich, dass sie nicht zum gewünschten Effekt führen werden, stattdessen eher zu neuen Problemen.“

„Dass die Schweizer wieder freizügiger sind, halte ich für kein großes Risiko“, sagt Daniel Garthe aus Konstanz.
„Dass die Schweizer wieder freizügiger sind, halte ich für kein großes Risiko“, sagt Daniel Garthe aus Konstanz. | Bild: Cian Hartung

Mittlerweile müsse auch das öffentliche Leben wieder vermehrt möglich sein, meint er. „Dass die Schweizer wieder freizügiger sind, halte ich für kein großes Risiko.“ Für ein Ansteckungsrisiko beim Einkaufstourismus spiele das derzeit ohnehin keine Rolle, meint er. Die Läden seien weitgehend geschlossen.

Deutsche Gäste in Kreuzlingen willkommen

Gina Tatarus, Inhaberin der Kreuzlinger Kneipe Zapfenzieher, darf seit dem 19. April wieder den Außenbereich ihres Lokals öffnen. Sie freut sich darüber, dass seitdem auch die deutschen Gäste den Weg über die Grenze gefunden haben. „Es kommen jeden Tag Menschen zu uns, einige rufen auch vorher an und reservieren sogar“, sagt sie.

„Es kommen jeden Tag Menschen zu uns, einige rufen auch vorher an und reservieren sogar“, sagt Gina Tatarus, Inhaberin der ...
„Es kommen jeden Tag Menschen zu uns, einige rufen auch vorher an und reservieren sogar“, sagt Gina Tatarus, Inhaberin der Kreuzlinger Kneipe Zapfenzieher. | Bild: Cian Hartung

Die Menschen im Nachbarland täten ihr aufgrund der strengen Corona-Regelungen Leid. Sie hält die Maßnahmen für zu streng. Eine Freundin aus Konstanz beschwere sich oft darüber, dass bei Kindern in deutschen Schulen Selbsttests durchgeführt würden, meint sie mit einem Kopfschütteln.

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„Es ist daher gut, dass die Deutschen hier bei uns trotz Lockdowns wieder etwas für ihr Sozialbefinden tun.“ Auf die Verstöße gegen die Grenzregelungen, die ihre Gäste für einen Besuch in ihrem Lokal begehen, wolle sie ihre Gäste aber nicht hinweisen. „Das liegt in ihrer eigenen Verantwortung“, sagt sie.

Verkehrte deutsch-schweizerische Welt

Im „Zapfenzieher“ sitzt auch der Kreuzlinger Bruno Hubacher. Er findet es unterhaltsam, dass die Deutschen nun für ein Getränk vermehrt über die Grenze kommen. In der Vergangenheit hätten dagegen die Schweizer ihre Einkaufstouren in Deutschland gemacht. Nun sei es eine „verkehrte Welt“.

Will nach Ende des Lockdowns mal wieder den Konstanzer Seeblick genießen: Der Kreuzlinger Bruno Hubacher.
Will nach Ende des Lockdowns mal wieder den Konstanzer Seeblick genießen: Der Kreuzlinger Bruno Hubacher. | Bild: Cian Hartung

Über Ansteckungsgefahr mache er sich bei den Besuchen der deutschen Gästen keine Sorgen. „Ich bin geimpft“, meint er, „und außerdem halten wir Schweizer von Natur aus Distanz.“ Hubacher wolle nach Ende des deutschen Lockdowns wieder in einen deutschen Biergarten und auch mal wieder die Konstanzer Seepromenade genießen.

Kreuzlinger Gastronom: Seit Lockerungen mehr Euros in der Kasse

Einen verstärkten Andrang deutscher Gäste kann auch Dash Ljaki, Inhaber des Kreuzlinger Cafés New Fax, bestätigen. Zwar lebten in Kreuzlingen auch viele Deutsche. Doch der Trend, dass auch viele Konstanzer über die Grenze kommen, sei generell zu beobachten. Woran er das festmache? „Das zeigt sich an den vielen Euros, die wir zuletzt in der Kasse hatten.“

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