Parken in Konstanz ist so eine Sache. Kaum ein Thema polarisiert mehr, vor allem in den sozialen Medien kochen dann die Emotionen in zuweilen absurde Höhen. Die Zeitgeister, die wir riefen.

Doch die Problematik existiert nicht nur in der digitalen, sondern auch in der analogen Welt. In der echten also. Ich selbst wurde nun Zeuge eines skurrilen Ereignisses – doch ich bin in der Sache nicht nur Zeuge, sondern auch Täter, Kläger, Richter und Verteidiger in Personalunion. Doch der Reihe nach.

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Es geschah am hellichten Tag

Tatort: eine Sackgasse mit markierten Parkplätzen irgendwo in Litzelstetten. Tatzeit: Freitagnachmittag. Tathergang: Die Suche nach einem temporären Abstellplatz für meinen PKW gestaltete sich schwierig. Ein Doppelparkplatz, ebenfalls mit weißen Streifen exakt markiert, bot die Rettung: Zwei Autos standen zwar bereits dort – doch diese nutzten nur einen Teil des Platzes und ragten jeweils knapp zur Hälfte vorne und hinten über die Markierungen hinaus, so dass zwischen ihnen noch so eben Platz für mich war. So weit, so gut.

So parkte das Auto, nachdem die beiden anderen PKWs davor und dahinter verschwunden waren. Zugegeben: Für sich betrachtet sieht dieser ...
So parkte das Auto, nachdem die beiden anderen PKWs davor und dahinter verschwunden waren. Zugegeben: Für sich betrachtet sieht dieser Parkvorgang eher suboptimal aus. | Bild: Andi Schuler

Am nächsten Morgen das böse Erwachen. Die beiden Autos, die mich einrahmten, waren verschwunden – und da stand mein Wagen nun einsam und alleine und blockierte, objektiv betrachtet, zwei Parkplätze. Asche über mein Haupt, das sah zugegebenermaßen ziemlich unprofessionell aus – auch wenn zu diesem Zeitpunkt einige Plätze in der unmittelbaren Umgebung frei waren, ich also niemandem wirklich eine Stellfläche wegnahm.

Vor dem Einsteigen bemerkte ich an der Fahrertür einen Aufkleber.

Übrigens: Spuren vom Kleber waren nach dem Entfernen der Nachricht noch auf dem Lack zu sehen.
Übrigens: Spuren vom Kleber waren nach dem Entfernen der Nachricht noch auf dem Lack zu sehen. | Bild: Andi Schuler

„SCHEISSE GEPARKT!“ prangte mir entgegen. Einigermaßen konsterniert und ziemlich irritiert ob dieser unflätigen Nachricht wollte ich mein Gefährt so schnell wie möglich entfernen, als ich an der Windschutzscheibe hinter dem Scheibenwischer eine weitere Nachricht bemerkte. „SIE PARKEN SCHEISSE“, stand auf der Vorderseite, darunter ein braunes Häuflein, dass die Behauptung optisch unterstützen sollte. So weit, so peinlich.

Der Zettel, der unter dem Scheibenwischer auf der Windschutzscheibe hing.
Der Zettel, der unter dem Scheibenwischer auf der Windschutzscheibe hing. | Bild: Andi Schuler

Auf der Rückseite allerdings die Krönung dieser zweifelhaften Aktion – eine in Worte gefasste Bankrotterklärung eines gesunden, menschlichen Miteinanders. Aber lesen Sie selbst:

Wer kommt auf die Idee, seinen Mitmenschen solche Nachrichten ans Auto zu hängen? Vielleicht meldet sich der Urheber ja.
Wer kommt auf die Idee, seinen Mitmenschen solche Nachrichten ans Auto zu hängen? Vielleicht meldet sich der Urheber ja. | Bild: Andi Schuler

Zufällig vorbei kommende Nachbarn waren sprachlos und schüttelten immer wieder ihre Köpfe, als ich ihnen die anonymen Nachrichten präsentierte. „Es wird immer schlimmer“, sagten sie schließlich. „Wo leben wir denn mittlerweile?“ Nur noch einmal zur Erinnerung: Ich habe weder auf einem Behindertenparkplatz gestanden noch auf dem Gehweg, habe keine Ausfahrt blockiert oder junge Mütter mit Kinderwagen zu beschwerlichen Umwegen gezwungen. Nein, ich habe eine Lücke innerhalb markierter Parkplätze genutzt.

Im Laufe des Sonntags outete sich ein Bekannter als derjenige, der den Aufkleber auf der Fahrertür hinterließ – immerhin versuchte er erst gar nicht, die Sache zu verheimlichen. Er hatte die Vorgeschichte nicht gekannt, sah sich aber der Möglichkeit beraubt, seinen Wochenendeinkauf wie üblich direkt vor der Kellertür aus dem Auto ins Haus zu bringen.

Ich meine, in seinen Schilderungen ein gewisses Bedauern erkannt zu haben. Für ihn war die Aktion ein Scherz, wie er mir erklärte. Er habe diese Aufkleber schon seit Jahren und nun erstmals die Möglichkeit gesehen, einen davon zu nutzen. Zettel Nummer zwei mit der fragwürdigen Tirade auf der Rückseite, so versicherte er mir glaubhaft, sei jedoch nicht von ihm. Na immerhin.

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Was treibt die Verteiler solcher Nachrichten an?

Ein Kollege, der am Samstag in Litzelstetten privat unterwegs war, berichtete mir von mindestens einem weiteren „SCHEISSE GEPARKT“-Zettel, den er an einem Auto bemerkte. Da drängen sich Fragen auf. Wieso investieren Menschen Zeit und Geld für solche Mitteilungen? Was bezwecken die Verteiler mit dieser Aktion, die an Selbstjustiz erinnert? Wollen sie ihre Mitmenschen erziehen?

Sehen sie sich als höhere moralische Instanz, die sich in der Pflicht sieht, mit erhobenem Zeigefinger die Welt zu verbessern? Oder geht es nur darum, seinem Ärger über mutmaßlich schlechte Parker freien Lauf zu lassen? Für meinen Bekannten war es nach eigener Aussage eine Mischung aus Scherz und Ventilöffnung.

Litzelstetten ist offenbar ein heißes Pflaster, was Aktionen gegen nicht optimal geparkte Autos angeht. So griff ein Anwohner 2017 schon mal zur Sprühdose.

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So viel kosten 100 „SCHEISSE GEPARKT“-Aufkleber

Übrigens: Im Internet kann man bei diversen Anbietern ganze Blöcke mit diesen Zetteln oder Aufklebern bestellen – und dann nach Herzenslust verteilen. 100 Exemplare kosten in der Regel weniger als zehn Euro. Die Erklärung der Anbieter zu diesen Produkten hören sich dann beispielsweise so an – und vielleicht liefert sie die Antwort nach der Motivation der Verteiler:

„Wie oft haben wir uns schon über die ganzen Idioten aufgeregt, die unsere Einfahrt versperrt oder unser Auto zugeparkt haben, sodass jeder Ausbrechversuch mit einem mittleren Blechschaden enden würde? Beispiele und Situationen wie diese gibt es viele und sie gehören leider zu unserem Alltag. Mit Scheiße geparkt wird es uns zwar nicht gelingen, die Vollpfosten aus dem Straßenverkehr zu verbannen, aber doch helfen uns diese praktischen Klebezettel dabei, unserem Unmut endlich Luft zu machen und den Sonntagsfahrern da draußen verdientermaßen ein schlechtes Gewissen zu bereiten.“

Es gibt Formulierungen, bei denen bedarf es keiner weiteren Einordnung.