Bisher haben wir im Interview auch über lange Verfahren gesprochen. Jetzt kommen wir zu einer Sache, für die wir keine Zeit mehr haben: Klimaschutz. Vor über vier Jahren hat die Stadt Konstanz den Klimanotstand ausgerufen: Was hat sich denn seitdem für die Bürger schon ganz konkret getan?

Es hat sich sehr viel getan seit der Erklärung des Klimanotstandes 2019. Wir haben Ende 2021 eine der ambitionierten deutschen Klimaschutzstrategien beschlossen. Dieses Jahr haben wir ein Amt für Klimaschutz in meinem Dezernat geschaffen. Der Klimafonds ist auch ein tolles Projekt, ebenso wie das Programm der Smart Green City mit seinen Fördermitteln, die es nach Konstanz holt. Für mich ist ganz klar: Es gibt keine klimaneutrale Stadt ohne Digitalisierung. Anders wird es nicht gehen. Wie das konkret aussieht, ist eine Frage, auf die wir nun erste Antworten suchen.

Wir haben die Wärmeplanung fast fertig, die für Städte unserer Größe erst bis 2028 gesetzlich verpflichtend wird. Unser Vorteil dabei ist, dass wir schon seit 2018 einen Energienutzungsplan haben. Übrigens als eine der ersten Städte in Deutschland. Damit können wir in den nächsten Monaten schon Antworten in die Politik geben: Wo können Wärmenetze gebaut werden? Wie können diese mit Energie versorgt werden – wo nutzen wir Seewasser-Wärme, wie nutzen wir die Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage in Weinfelden, wo brauchen wir andere Energiequellen? Aber es ist auch klar, dass das bei der einzelnen Bürgerin und dem einzelnen Bürger noch nicht im Vorgarten angekommen ist.

„Die Stadt Konstanz kann es sich nicht leisten, diese Entscheidungen falsch zu treffen. Wenn wir ein falsches Netz bauen für ein ...
„Die Stadt Konstanz kann es sich nicht leisten, diese Entscheidungen falsch zu treffen. Wenn wir ein falsches Netz bauen für ein paar hundert Millionen Euro, oder an einer falschen Stelle, oder mit der falschen Technologie, dann haben wir wirklich ein gravierendes Problem.“: Oberbürgermeister Uli Burchardt im Interview. | Bild: Oliver Hanser

Im Jahr 2019 hat Konstanz den Klimanotstand erklärt. Seither sind die CO2-Emissionen laut dem Klimabericht der Stadtverwaltung lokal kaum zurückgegangen.

Meine Erwartung war nie, dass wir das von 2019 bis heute reduzieren, sondern dass wir zuerst die Grundlagen legen, um danach wirklich gewaltig die Emissionen zu reduzieren. Zum Beispiel kann ich in dem Moment, in dem ich ein Wärmenetz habe, in dem ganzen Gebiet die Heizungen abklemmen. Das braucht Vorarbeit, die dann aber sprunghafte Entwicklungen bringt, in der Mobilität, der Wärmeversorgung und beim Strom. Und für ein Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen brauche ich heute allen Ernstes einen Bebauungsplan. Es ist schon manchmal auch zäh in Deutschland.

Wo hat die Verwaltung, zum Beispiel bei Beheizung der Gebäude oder beim Fuhrpark, schon konkret CO2 eingespart?

Beim Fuhrpark viel. Die OB-Dienstlimousine ist schon seit Jahren weg, diese Kilometer sind größtenteils auf meinem Fahrradtacho, der Rest bei der Bahn. Im Dezernat haben wir ein Elektro-Sharing-Fahrzeug. Wir bekommen das erste Elektro-Müllfahrzeug, sechs Elektro-Busse fahren schon, 23 weitere kommen dazu. Beim Thema Wärme sind wir wie erwähnt schon konkret unterwegs.

Ist denn eigentlich verbrannter Müll klimafreundlich?

Bei der Müllverbrennung entstehende Energie wird optimal zur Wärme- und Stromversorgung genutzt und ist daher eine klimafreundlichere Alternative zu fossilen Energieträgern. Der Müll ist da, er muss weg, die Energie würde eh entstehen. Man kann aber die Frage stellen, ob alles im Restmüll verbrannt werden muss oder nicht besser recycelt werden sollte.

Oder ob es in 20 Jahren, wenn die Wärmenetzte aufgebaut sind, nicht andere Lösungen gibt, sodass Müllverbrennen schon wieder obsolet ist.

Das mag sein. Welche Art von Wärme wir in 20 Jahren in ein Wärmenetz einspeisen, ist ja noch einmal eine andere Frage. Das Entscheidende ist: Wir brauchen das Netz. Wir müssen die Netze richtig bauen. Deshalb ist die Frage einer strategischen Partnerschaft bei den Stadtwerken eben aus meiner Perspektive auch maßgeblich nicht nur eine Frage von Kapital und Geld, sondern maßgeblich eine Frage nach Know-How und von Entscheidungen.

Die Stadt Konstanz kann es sich nicht leisten, diese Entscheidungen falsch zu treffen. Wenn wir ein falsches Netz bauen für ein paar hundert Millionen Euro, oder an einer falschen Stelle, oder mit der falschen Technologie, dann haben wir wirklich ein gravierendes Problem. Wir brauchen die Entscheidungen schnell und richtig. Das muss mit großem Respekt entschieden werden.

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Das heißt, Sie streben weiter eine strategische Partnerschaft für die Stadtwerke an?

Ich strebe das weiterhin an, ja.

Weiterhin mit der Thüga?

Wir wollen jetzt wieder offen in ein Verfahren gehen, uns das alles nochmal in Ruhe anschauen mit dem Gemeinderat. Aber ich bin der Überzeugung: Das, was uns am meisten nützt, ist jemand, der mit uns in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden ist. Und das ist ein Kooperationspartner eben nicht, das ist ein Dienstleister auch nicht. Nur ein Miteigentümer ist mit uns gemeinsam an einem langfristigen Erfolg interessiert.

Glauben Sie denn an eine weitgehende Klimaneutralität bis 2035?

Ja, ich glaube, dass wir eine Chance haben, das zu erreichen. Weitgehend sagt es ja, es kommt am Ende nicht auf ein paar Tonnen an. Ich glaube, das Entscheidende ist: Haben wir bis dahin Antworten auf die großen Fragen? Bekommen wir die neue Wärmeversorgung hin? Haben wir genügend Fachkräfte, um sie aufzubauen und schaffen wir Zustimmung zu den Veränderungen? Das geht bis hin bis zum Bau von Technikzentralen für Seewärme zum Beispiel – die sind groß wie Turnhallen.

In Konstanz entstehen etwa 40 Prozent der Treibhausemissionen durch Fahrzeuge. Wagen Sie einen Vorstoß beispielsweise in Richtung Citymaut?

Es gibt keine gesetzliche Grundlage für eine Citymaut, und ich glaube auch nicht, dass die uns viel bringt. Ob das Auto dort oder dort parkt, ist doch nicht ausschlaggebend. Beim Innenstadtverkehr geht es um Aufenthaltsqualität, Tempo rausnehmen, Lärm rausnehmen, Qualität schaffen. Je enger eine Stadt wird, desto stressiger wird sie.

Die große Veränderung, die ich erwarte, hat mit einer Citymaut auch deshalb nichts zu tun, weil sie viel grundsätzlicher ist. Die autonome Mobilität wird unsere Städte – viel früher, als wir uns das momentan vorstellen – radikal verändern. Ich glaube, dass wir bald grinsen werden darüber, dass man 2023 noch mit einem riesigen Dieselauto in die Innenstadt reinfuhr. Das wird es einfach nicht mehr geben, weil es nicht die beste Lösung für die Zukunft ist.

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Die Letzte Generation hat mehrmals hier demonstriert. Sprechen Sie eigentlich mit denen?

Ich habe kein Gesprächsangebot abgelehnt, zumindest nicht, dass ich wüsste.

Und Sie würden auch nicht?

Ich lasse mich nicht erpressen und ich bin gegen solche Brutal-Methoden wie Straßensperrungen. Ich fand diese Aktion nicht gut hier im Sommer, in der glühenden Hitze, das war nicht richtig und nicht angemessen. Aber prinzipiell: Ich bin Bürgermeister. Ich rede mit jedem.

Sie haben die Christiani-Wiesen angesprochen. Am Hafner tut sich so richtig auch nichts, zumindest gefühlt. Ist dort ein massiver Neubau denn überhaupt noch realistisch und sinnvoll umsetzbar?

Ich verstehe, dass man aus der Außenbetrachtung das Gefühl haben kann, da geht nichts vorwärts. Aber aus der Innenbetrachtung kann ich sagen: Das ist ein Projekt, das wirklich ganz vorbildlich läuft. Wir haben da ein tolles Team. Und dann haben wir nach langer Anlaufzeit endlich wieder die Situation, dass Konstanz über eigene Baugrundstücke verfügt, mit denen man auch kommunal wieder Wohnraum schaffen kann, wenn die Stadt es braucht. Und ja, der Hafner ist angemessen. Bei fast allen Themen, mit denen ich zu tun habe, geht es am Ende um Wohnraum: von der Kinderbetreuung über den Pflegenotstand bis zur Flüchtlingsunterbringung.

Sie haben 2010 Ihren ersten Wahlkampf unter die Themen Wohnen, Wirtschaft und Verkehr gestellt. Werden zwei Amtszeiten, also 16 Jahre, später die ersten Menschen am Hafner wohnen?

Davon gehe ich aus. Ich hoffe, dass wir 2025/26 die ersten Erschließungen beginnen, dann dürfte das gerade so passen. Man muss aber immer wieder deutlich sagen: Der Hafner wird nicht am Stück gebaut, da fällt kein neuer Stadtteil vom Himmel. Er wird sich über viele Jahre oder vielleicht auch Jahrzehnte Schritt für Schritt entwickeln. Aber wir haben ihn komplett geplant, und wir haben eine Baulandreserve für lange Zeit. Vielleicht ist es die letzte Entwicklung dieser Art, die Konstanz noch vollzieht. Das ist eine tolle Planung und ökologisch auch im europäischen Vergleich auf höchstem Niveau. Da kann sich ganz Konstanz darauf freuen!