Der eine schimpft, weil Radler sich angeblich wie Kamikaze-Fahrer aufführen. Fahrradfahrer regen sich über die Rücksichtslosigkeit der Menschen hinterm Steuer auf. Einfacher macht die Beziehung sicher nicht, dass die Stadt Konstanz sich ins Zeug legt, um den Autoverkehr – vor allem im linksrheinischen Teil – einzudämmen.

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Aber was spricht für eine autofreie Innenstadt und weniger Parkplätze im Paradies und der Altstadt? Und was dagegen?

Ein Plädoyer fürs Fahrradfahren von Kerstin Steinert

„Um die Mobilitätswende zu schaffen, ist das nötig“, meint Kerstin Steinert.
„Um die Mobilitätswende zu schaffen, ist das nötig“, meint Kerstin Steinert. | Bild: SK

Autos raus aus der Innenstadt. Mehr Fahrradfahrer für Konstanz. Um die Mobilitätswende zu schaffen, ist das nötig. Das stößt aber nicht immer auf Gegenliebe bei Autofahrern. Jetzt kommt ein weiteres Ärgernis für sie dazu: Laut der geänderten Stellplatzsatzung der Stadt können künftig bei Immobilienneubauprojekten Autostellplätze zugunsten von Radstellplätzen gestrichen werden.

Ist das sinnvoll? Ja, ist es! Denn nur wenn Anreize fürs Radfahren geschaffen werden, können mehr Menschen motiviert werden, auf das Auto zu verzichten. Wer die Mobilitätswende herbeiführen möchte, muss dafür etwas tun.

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Mehr Stellplätze für Fahrräder sind dringend nötig. Denn nicht nur Autofahrer kennen die endlose Suche nach einem freien Parkplatz. Auch Radler sind darin leidgeprüft. An der Marktstätte bündeln sich die Fahrräder in Trauben. In der Niederburg lehnen die Räder gegen die historischen Hausfassaden. Die engen Gehsteige im Paradies und in Stadelhofen werden durch Fahrräder zugestellt. Aber wo sollen Radfahrer denn sonst ihre treuen Gefährten parken?

Mehr Stellplätze für Fahrräder sind nur der Anfang. Wenn sich die Stadt Konstanz weiterhin als fahrradfreundliche Kommune behaupten will, wofür sie 2022 vom Land Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde, muss ein Umdenken stattfinden – vor allem in den Köpfen der Autofahrer.

Rad an Rad: In der Blarer Straße im Konstanzer Stadtteil Paradies gibt es nur wenige Möglichkeiten, das Fahrrad abzustellen. Autofahrer ...
Rad an Rad: In der Blarer Straße im Konstanzer Stadtteil Paradies gibt es nur wenige Möglichkeiten, das Fahrrad abzustellen. Autofahrer haben sogar noch weniger Chancen, einen Parkplatz zu finden. | Bild: Rindt, Claudia

Aber fällt das wirklich so schwer? Ohnehin parkt ein Auto die meiste Zeit seines Daseins. Bis zu einer halben Stunde braucht ein Fahrer, um im öffentlichen Raum einen kostenlosen Parkplatz zu finden. Auch wer in die Innenstadt mit dem Auto unterwegs ist, muss sich auf lästige Staus einstellen. Das verbraucht unnötige Lebenszeit.

Die Infrastruktur muss an die Zukunft angepasst werden. Die Verkehrspolitik darf nicht mehr autozentriert sein. Denn Fakt ist: Mit den neuen Generationen findet auch ein Wandel statt. Nicht jeder 18-Jährige macht seinen Führerschein: Die Zahl der „Personen mit einer Fahrerlaubnis auf Probe“, sprich den Führerscheinneulingen, ist rückläufig. Während laut Statista 2012 noch 1,81 Millionen Bürger in Deutschland einen Führerschein machten, sind es 2022 nur noch 1,48 Millionen.

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Viele junge Menschen verzichten auf den Führerschein – auch, weil sie viele Wege mit anderen Verkehrsmitteln zurücklegen. Eines der begehrtesten Verkehrsmittel ist eben das Fahrrad. Konstanz selbst gehört in Sachen Radnutzung weltweit zu Weltspitze. An der Zählstelle nahe der Fahrradbrücke im Herosé-Park wurde 2022 mit 3.265.977 Vorbeifahrten der fünftbeste Wert unter 304 Messeinrichtungen in Europa, Nord-, Mittel- und Südamerika, Asien, Australien und Neuseeland erreicht.

Auch der Fahrradmonitor der Stadt Konstanz aus dem Jahr 2017 bestätigt, dass das Rad sehr beliebt ist: In 92 Prozent der Haushalte ist mindestens ein Rad vorhanden. Dagegen stehen nur in 78 Prozent der Konstanzer Haushalte ein Auto zur Verfügung.

  • Kerstin Steinerts Fazit: Es gibt also mehr Fahrräder als Autos in Konstanz. Nun müssen die überzeugten Autofahrern nur noch vom Gas- auf der Tretpedal umsteigen. Der praktische Nebeneffekt: Weniger Autoverkehr bedeutet weniger Abgase in der Luft. Gleichzeitig gibt es weniger Lärm in der Stadt. Wer denkt, eine autofreie Innenstadt sei ein großer Verzicht, der irrt. Es ist nach einer kurzen Umstellung ein wahrer Gewinn an Lebensqualität.

Eine Lanze für die Autofahrer bricht Aurelia Scherrer

Aurelia Scherrer mahnt: „Nicht jeder kann und will aufs Rad oder den ÖPNV umsteigen!“
Aurelia Scherrer mahnt: „Nicht jeder kann und will aufs Rad oder den ÖPNV umsteigen!“ | Bild: Scherrer, Aurelia

Wenn es keine Parkplätze gibt, dann verschwinden die Autos aus der Innenstadt. Diesem folgenschweren Irrtum sind Stadtpolitiker und städtische Verkehrsplaner erlegen. Sie scheinen nämlich die Realität auszublenden. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass es immer Automobile (die Antriebsarten ändern sich) geben wird und geben muss.

Der Grund: Viele Menschen sind auf dieses praktische Verkehrsmittel angewiesen, nicht zuletzt um ihren Beruf ausüben zu können. Dazu benötigen sie einen Stellplatz. Wer im linksrheinischen Teil von Konstanz wohnt, hat lediglich die Möglichkeit, an der Straße zu parken.

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Schon seit Jahrzehnten sind diese Stellplätze Mangelware. Die Anwohner zahlen hier – im Gegensatz zu anderen Stadtteilen – Geld für einen Anwohnerparkausweis, der jetzt teurer geworden ist. Damit ist aber nicht garantiert, dass man einen Stellplatz findet. Die Entscheider glauben, wenn die Autofahrer dermaßen gegängelt werden, würden sie auf ein Auto verzichten. Trugschluss! Nicht jeder kann und will aufs Rad oder den ÖPNV umsteigen!

Umweltbewusste Autofahrer, die ihr Fahrzeug nur nutzen, wenn sie es wirklich brauchen, werden trotzdem als Umweltsünder diffamiert. Dabei ärgern sie sich über den Parkplatzmangel, der letztlich der Umwelt schadet. Viele müssen oft eine halbe Stunde im Karree herumfahren, um einen Parkplatz zu finden. Teuren Sprit oder Strom für E-Autos unnötig zu verpulvern, macht keiner gern.

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Es ist geplant, weitere Stellplätze zu streichen. Das ist Unsinn, denn damit erhöht sich der Park-Such-Verkehr. Der Ärger der Autofahrer und Anwohner steigt ebenso, vor allem wenn man die leeren Fahrradbügel an Bushaltestellen sieht. Aber da hat die Stadtverwaltung mal wieder in ein Fördertöpfchen gegriffen und das Geld muss ausgegeben werden – ob es Sinn macht oder nicht.

Das ist so typisch für das Vorgehen der Stadt. Nach- und vorausdenken wird hintenangestellt. Es wird eine „Radstadt Konstanz“ proklamiert und ein Handlungsprogramm Radverkehr aufgelegt, mit der Nebenwirkung, dass Radfahrer der Ansicht sind, sie seien die Alleinglückseligmachenden.

Auto vs. Fahrrad: In Konstanz (hier zu sehen der Bahnhofsvorplatz) feinden sich Radler und Autofahrer oft an.
Auto vs. Fahrrad: In Konstanz (hier zu sehen der Bahnhofsvorplatz) feinden sich Radler und Autofahrer oft an. | Bild: Hanser, Oliver

Die meisten Fahrräder sind keine echten Fahrräder mehr. Pedelecs herrschen vor. Wie klimaschonend sind Räder mit Elektromotor? Sie benötigen Strom! Damit sind sie schnell, denn Pedelecs haben eine Trittunterstützung bis zu 25 Stundenkilometer.

Zur Erinnerung: Früher brauchte man für ein Mofa einen Führerschein und Helm! Ein Führerschein und eine Kennzeichnungspflicht für Pedelecs und nicht nur für E-Bikes sollten unbedingt eingeführt werden, denn ein solch schnelles Zweirad zu bedienen, ist nicht ganz ohne; es kommt immer wieder zu schweren Unfällen.

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Darüber hinaus sollten auch Radfahrer für ihren Stellplatz im öffentlichen Raum Anwohnerparkgebühren bezahlen, denn auch sie beanspruchen – wie Autofahrer auch – den öffentlichen Raum.

  • Aurelia Scherrers Fazit: Kluge Verkehrsplanung geht anders! Es gilt, die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer wahrzunehmen, abzuwägen und einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden. Das erspart Ärger. Und vielleicht befördert ein solches Vorgehen ein Miteinander und eine gegenseitige Rücksichtnahme unter den hier lebenden Menschen.