In der Diskussion um die prekäre Finanzsituation der Stadt Konstanz traut sich Karin Becker aus der Deckung. Wie die Intendantin des Stadttheaters auf Anfrage des SÜDKURIER sagte, sollen im Bereich Kultur und Soziales dauerhaft 2,6 Millionen Euro eingespart werden. Der an Karin Becker ergangene Auftrag: Sie soll prüfen, ob und wie das Theater dazu einen Sparbeitrag in Höhe von 230.000 Euro leisten kann.
Das sind rund fünf Prozent der Summe, die sich die Stadt jedes Jahr für das Theater kosten lässt – exakt handelt es sich um einen Zuschuss von 4,715 Millionen Euro. Nach Einschätzung von Karin Becker wird dies nicht ohne Eingriff in die Grundstruktur des Hauses gehen, das mit dem Theater, der Werkstatt und der Spiegelhalle über drei Standbeine verfügt.
Einsparmöglichkeiten weitgehend ausgereizt
An zwei Beispielen verdeutlicht die Intendantin, dass es mit ein paar Streichungen nicht getan ist. Bei 22 Einspielungen im Jahr und einem Etat von 40.000 bis 60.000 Euro wäre das Ziel mit dem dauerhaften Verzicht auf ein oder zwei Produktionen nicht erreicht. Und bei Einzelpositionen wie etwa der Gestaltung des Bühnenbilds sieht sie überhaupt kein Einsparpotenzial. „Dem Thalia-Theater in Hamburg stehen für ein Bühnenbild durchschnittlich 20.000 Euro zur Verfügung“, sagt Karin Becker, „in Konstanz variiert der Betrag zwischen 1500 und 6000 Euro.“
Ins Visier geraten werden bei den Einschnitten in der geplanten Höhe in jedem Fall die Personalkosten. Sie machen 72 Prozent des Gesamtetats aus, weshalb ein Abspecken bei den Theaterproduktionen fast zwangsläufig mit einer Reduzierung bei der Zahl der Mitarbeiter verbunden sein dürfte. Insgesamt sind 128 Beschäftigte beim Theater angestellt, hinzu kommen etwa 50 bis 70 freie Mitarbeiter. Angaben, wonach es bereits Kündigungsgespräche im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung gegeben haben soll, hält die Intendantin für fahrlässig. „Solange sich das vermeiden lässt, wird niemand entlassen“, sagt sie.
Grundsätzlich nicht ausschließen mag Karin Becker eine Erhöhung der Einnahmen – also eine Erhöhung der Abonnement- beziehungsweise Eintrittspreise. Sie sieht angesichts der finanziellen Engpässe der öffentlichen Einrichtungen außerdem die Gesellschaft insgesamt in der Verantwortung. Jeder Einzelne sei zur Überprüfung seiner Prioritäten gefordert. Konkret könne dies zum Beispiel bedeuten, zwischen dem Theater-, Konzert- und Kinobesuch oder den Ausgaben für soziale Medien oder Bezahlfernsehen zu wählen.
Was ist wichtig im Leben?
Für die Intendantin handelt es sich dabei nicht um eine Frage der Freizeitgestaltung, für sie geht es bei der Debatte um die Finanzierbarkeit von Kultur um den Erhalt der Demokratie. Als Beispiel nennt sie das Projekt Phantasia, bei dem das Stadttheater jüngst den teilnehmenden Kindern die Werte unter anderem der Streitkultur auf spielerische Weise vermittelte. Mit dem Wegfall solcher Aktionen gehen nach ihrer Einschätzung wesentliche Bausteine des demokratischen Miteinanders verloren.
Nachgerade zur Verzweiflung bringt Karin Becker in diesem Zusammenhang die anhaltende Verortung von kulturellen Einrichtungen im Bereich von Freiwilligkeitsleistungen, bei denen man je nach Kassenlage mal etwas zukommen oder streichen kann. Angesichts der zunehmenden Anfeindungen demokratischer Wertevorstellungen gehört für sie die Kultur zu den Pflichtaufgaben.

Das freilich löst das Problem der Finanzierung nicht – und auch hier begibt sich Karin Becker aus der Deckung. Prinzipiell hält sie nichts davon, dass Einzeletats mittels der Rasenmäher-Methode weiter gekürzt werden. Sie plädiert stattdessen dafür, eine Einrichtung komplett aus dem Bestand der öffentlichen Struktur zu streichen, so dass die anderen zumindest mit der jetzigen Ausstattung weiterarbeiten können.
Entscheidung fällt im November
Das allerdings möchte Oberbürgermeister Uli Burchardt verhindern, ihm schwebt der Erhalt des gesamten Spektrums der städtischen Infrastruktur auf finanziell reduzierter Basis vor. Zu entscheiden darüber hat letztlich der Gemeinderat: Bis spätestens Ende November soll er über die Vorgehensweise entscheiden.