Fahrlässige Tötung durch aktives Tun: So lautet das nicht rechtskräftige Urteil des Konstanzer Amtsrichters zum tragischen Schwimmunfall, bei dem ein Siebenjähriger ertrank. Der Ausgang des Verfahrens wird nicht nur in Eltern-Chatgruppen und Lehrerzimmern bundesweit diskutiert, sondern auch von Landespolitikern aufgegriffen. Im Zentrum steht die Frage: Wenn dieses Urteil in zweiter Instanz bestätigt werden sollte – wie ist dann noch Schwimmunterricht möglich?

Lehrer- und Schwimmverbände äußern sich erschrocken. Viele wollen nicht mehr mit Klassen ins Wasser gehen, wenn der Aufsichtsperson zur Last gelegt wird, sich an die Vorgaben des Kultusministeriums gehalten zu haben.

Ja, es wäre wohl besser gewesen, wenn die Kinder einzeln vorgeschwommen wären, wie es Vereine praktizieren. Und ja, eine der Lehrerinnen hätte mit dem Rücken zum Schwimmerbereich im Wasser stehen und darauf achten können, dass kein Kind an ihr vorbei ins Tiefe gelangt. Aber Vorschrift ist das nicht.

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Der Richter hatte die schwere Aufgabe, trotz vieler offener Fragen ein Urteil fällen zu müssen. Heraus kam der Mittelweg zwischen hartem Schuldspruch und Freispruch – und Verunsicherung auf allen Seiten. Lehrer, die keinen Schwimmunterricht mehr geben wollen.

Eltern, die darauf vertrauen müssen, dass ihr Kind in guten Händen ist, wenn es in die Schule geht. Und ein Ministerium, das bislang nichts weiter tut, als seine Bediensteten mit einer virtuellen Sicherheitsschulung beruhigen zu wollen. Das ist kein ernsthaftes Aufarbeiten eines offenkundigen Problems.

Auch Eltern tragen Verantwortung

Entweder müssen die Vorgaben fürs Schulschwimmen deutlich präzisiert und die Stunden mit mehr Personal ausgestattet werden (etwa über Vereine) – oder das Schulschwimmen kann nicht mehr verpflichtend angeboten werden.

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Wenn Lehrer die Möglichkeit hätten, nur noch Kinder mit ins Bad zu nehmen, die ein paar Schwimmzüge schaffen, wäre ihnen viel geholfen. Dann würde die Verantwortung ein Stück weit dahin zurückgegeben, wo sie hingehört: an die Eltern. Sie müssten ihrem Nachwuchs vor der Einschulung die Grundlagen beibringen, genauso wie das Schleifebinden und den Schulweg.

So aber sehen Lehrer sogar den Sportunterricht, Ausflüge und Klassenfahrten in Gefahr. Dabei darf das Urteil nicht dazu führen, dass Schule nur noch aus Unterricht im Klassenzimmer besteht – auch wenn es für Lehrkräfte naheliegen mag, die Verantwortung für jegliche Aktivität mit Blick auf das Urteil abzulehnen.

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Das ganze Land schaut nun mit Spannung auf die Fortführung des Prozesses in zweiter Instanz. Während manche einen Freispruch für die Lehrerinnen fordern, wäre dies für andere ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Eltern.

Es muss doch jemand schuld sein am Tod eines Kindes. Oder? Oder die Gesellschaft einigt sich darauf, dass immer und überall schreckliche Unglücke passieren können. Dann müsste sich niemand juristisch für etwas verantworten, das er am liebsten ungeschehen machen würde. Verantwortung müsste dafür endlich das Kultusministerium übernehmen. Aber es tut sich nichts. Das ist Fahrlässigkeit durch Unterlassen.