Die Konstanzer Klimaschutzstrategie für die Zeit von 2022 bis 2035 mit dem Ziel weitgehende Klimaneutralität. Ein Mount Everest, der nun angegangen werden soll. „Wir müssen nun in die systematische Umsetzung gehen“, sagte Oberbürgermeister Uli Burchardt auf der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend.
Selten war das politische Gremium so gut besucht von Bürgern der Stadt. Was auch am späteren Vortrag des Klimaforschers Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gelegen haben mag. Doch das Thema – und damit einhergehend die Begleiterscheinungen wie Kosten oder direkte persönliche Folgen – brennt den Menschen offenbar unter den Nägeln. „Es ist ein extrem ambitioniertes Ziel für uns, bis 2035 weitgehend klimaneutral sein zu wollen“, fügte der OB hinzu. „Bis 2030 wäre das nicht erreichbar gewesen.“
Im März beschloss der Gemeinderat, die fünf Jahre draufzusatteln. Das Institut für Energie und Umweltforschung Ifeu aus Heidelberg hatte als Zielvorgabe das „Klima-Plus-Szenario“ erarbeitet. Dieses sieht eine schnelle Absenkung der nach „Bilanzierungssystematik für Kommunen“ zu bemessenden Treibhausgasemissionen bis 2035 vor.
Das Ifeu wurde beauftragt, eine Klimaschutzstrategie zu erstellen. Die wurde nun im Gemeinderat vorgestellt. „Wir haben jetzt eine präzise Anleitung. Der Maßnahmenkatalog ist ein Meilenstein“, so Uli Burchardt.
Schwerpunkte für 2022 und Folgejahre:
- Ausbau von Photovoltaikanlagen auf eigenen Dach- und Freiflächen: Ein Ausschöpfen des Potenzials für Dachflächen-Photovoltaikanlagen würde gemäß Energienutzungsplan (2018) ermöglichen, etwa ein Drittel des derzeitigen Strombedarfs zu decken.
- Auf- und Ausbau von Förderangeboten und Beratungskapazitäten: Bei den Förderangeboten wird unterschieden zwischen Breitenförderung (nach denselben Kriterien für alle) und spezifischer Förderung von sogenannter „Leuchtturm-Sanierungen“ (höhere Fördersummen für nur wenige beispielhafte Sanierungsvorhaben, die dann als positive Beispiele dienen).
- Erarbeitung von Sanierungsfahrplänen durch die größten städtischen Gebäudeeigentümer: Das Hochbauamt ist dementsprechend angehalten, einen Zehn-Jahres-Sanierungsplan im ersten Quartal 2022 vorzulegen. Genauso müssen weitere zur Stadt gehörige Gebäudeeigentümer wie die Wobak derartige Sanierungsfahrpläne erarbeiten.
- Bearbeiten von Grundsatzfragestellungen wie „Klimaschutz und Denkmalschutz“: Da Konstanz während des zweiten Weltkriegs aufgrund seiner direkten Nachbarschaft zur Schweiz nicht bombardiert wurde, gibt es vergleichsweise viele denkmalgeschützte Gebäude. Diese Gebäude energetisch zu optimieren, ist besonders aufwendig und selbst Dachflächen-Photovoltaikanlagen werden häufig vom Denkmalschutz verhindert.
- Ausbau der strategischen Wärmeplanung und von Wärmenetzen: Die „Wärmewende“ ist bislang der vernachlässigte Bereich der Energiewende. Während deutschlandweit bereits etwa die Hälfte des Stroms erneuerbar produziert wird, sind es bei der Wärme in Konstanz nur etwa sechs Prozent und auch der Bundesdurchschnitt liegt nur bei dreizehn Prozent. Um zügig voranzukommen, herrscht Einigkeit, dass in Gebieten mit besonders hoher Wärmebedarfsdichte (also viel Wärmebedarf auf wenig Fläche) Wärmenetze ausgebaut werden müssen.
- Integrierte Quartierskonzepte und Stellen zum Sanierungsmanagement, insbesondere mit Blick auf Stadelhofen: Die Planungs- und Umsetzungskapazitäten haben sich aufgrund des Wachstums der Stadt in den vergangenen Jahren stark auf Neubauten und Neubauquartiere gerichtet. Dies lenkt den Blick vom Gebäudebestand ab, in welchem sehr große Treibhausgasminderungspotenziale bestehen, etwa 80 Prozent der territorialen CO2-Bilanz entfallen auf Energieverbräuche von Gebäuden und öffentlicher Infrastruktur, die innerstädtische Mobilität macht nur etwa 20 Prozent aus.
- Kapazitätsaufbau von Handwerksbetrieben und Energiewende-Cluster: Die Verfügbarkeit von Handwerkern ist eine Grundvoraussetzung bei der Machbarkeit. Ohne diese ließen sich selbst bei erfolgreichem Freisetzen von vorhandenem Kapital nicht alle Gebäude zielkonform sanieren.
- Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts der Kommunikation und der Beteiligung: Trotz der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand machen die direkten Handlungsmöglichkeiten einer Stadt nur einen Bruchteil dessen aus, was insgesamt an Treibhausgasemissionen verursacht wird. Als den Bürgern nächststehende Gebietskörperschaft ist es für Kommunen umso wichtiger, die eigene Vorgehensweise und die gemeinsamen Herausforderungen gut in die Stadtgesellschaft zu kommunizieren und Bürger an den anstehenden Veränderungen und deren konkreter Ausgestaltung zu beteiligen. Die Stadt plant für das erste Quartal 2022 eine große Informationsveranstaltung – wenn Corona mitspielt.
- Schaffung von Vorrang-Netzen für aktive Mobilität und Erstellung des Klimamobilitätsplans: Unter aktiver Mobilität wird Mobilität unter maßgeblichem Einsatz der eigenen Muskelkraft verstanden (Fuß- und Radverkehr). Aktive Mobilität hat über den Klimaschutz hinaus den Vorteil, dass sie gegenüber anderen Mobilitätsformen deutlich weniger Ressourcen- und Platzbedarf mit sich bringt und außerdem keinen Lärm und keine Luftverschmutzung verursacht.
Auf Grundlage des Maßnahmenkatalogs plant die Verwaltung, bis Jahresbeginn 2022 alle Arbeitsgruppen der Taskforce Klimaschutz zusammenkommen zu lassen und die Umsetzungsschritte gemeinsam zu konkretisieren. Dabei wird besonders das Herstellen einer Verpflichtung zu den jeweiligen Verantwortlichkeiten und das Überführen von Aufgaben in ein Controlling-System eine Rolle spielen. Das Ziel: regelmäßige Berichte über den Fortschritt der vereinbarten Maßnahmen.