Der von einem versilberten Adler und Hakenkreuz versehene 2,26 Meter hohe Flaggenstock wird im Juni im deutschen Auktionshaus Hermann Historica im bayerischen Grasbrunn versteigert werden. Der aufgerufene Preis sprengt die Dimension, die für NS-Memorabilien normalerweise aufgerufen wird: Das Einstiegsgebot muss 250.000 Euro betragen.
Die sehr gut erhaltene Standarte ist mit dem Schild des Gaus „Bodensee“ verziert. Zudem prangt der Weckruf der nationalsozialistischen Bewegung „Deutschland Erwache“ auf dem Relikt aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Dieses historische Relikt ist ein Symbol für den frühen Terror, der auch in Konstanz von Hitlers Sturmabteilung SA ausging. 1931 schon hatte die SA das leerstehende Gebäude der „Löwenbrauerei“ in Wollmatingen gekauft und dort eine verkappte „SA-Kaserne“ eingerichtet.
Von hier aus störten SA-Kommandos Versammlungen der politischen Gegner, schüchterten Abgeordnete, Stadträte und jüdische Bürger ein. Als martialische Umrahmung der eigenen Veranstaltungen bot der hiesige SA-Sturm schon vor dem Regierungsantritt Hitlers einen Vorgeschmack auf die drohende Rechtlosigkeit, Verfolgung und den Terror, die ab 1933 folgten.
Wozu diente die Flagge der Konstanzer SA?
Vorschnelle Empörung über den verwerflichen Handel mit einer üblen Nazi-Reliquie verbietet sich jedoch: Die Standarte ist ein bedeutendes, düsteres historisches Zeugnis der NS-Diktatur. Solche Standarten waren schon zwischen 1933 und 1945 keine Massenware, sie wurden vom totalitären Regime bewusst als Reliquien der eigenen politischen Bewegung eingesetzt und verehrt.
Diese Standarte der Konstanzer SA wurde 1934 auf dem Nürnberger Parteitag von Hitler als 17. Standarte „geweiht“. Im Parteitagsfilm „Triumph des Willens“, von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl 1934 gedreht, lässt sich der pseudoreligiöse Einsatz von Flaggen und Standarten bis heute studieren.
Wieso ist diese Standarte so gut erhalten?
Diese mystische Überhöhung kannten auch die Kriegsgegner der NS-Diktatur: Im Frühjahr 1945 wurden Nazi-Flaggen und Standarten oft vor laufenden Kameras verbrannt, zerrissen oder triumphal davongetragen.
So geschah es auch mit der Standarte vom Bodensee: Ein Offizier der Kampfgruppe Lebel, Teil der 5. Panzerdivision der 1. Französischen Armee unter dem Kommando von General Lattre de Tassigny, erbeutete diese 6,5 Kilogramm schwere Standarte in den Tagen nach der Besetzung von Konstanz am 26. April 1945.

Der Offizier inspizierte das sogenannten „Braune Haus“, den Sitz der NSDAP-Kreisleitung in der Seestraße 3 a. Dort war das bedeutende Signet der NS-Bewegung, sorgsam in Segeltuch und Leder eingehüllt, aufbewahrt worden. Selbst diese Originalumhüllung ist bis heute erhalten geblieben.
Der französische Offizier nahm seine private Beute mit nach Hause mit, schenkte sie später einem befreundeten Professor. Im Jahr 1971 wurde sie vom französischen Sammler André Boulanger erworben und ging von dort 2005 an das belgische Museum „Dezember 1944“ in La Gleize in den Ardennen.
Aus welchen Gründen sich das Museum davon trennt, ist nicht bekannt. Am 2. Juni wird das Los Nr. 5665 bei Hermann Historica aufgerufen. Solche Objekte sind weltweit gefragt, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Los einen Zuschlag erhalten.