Der Anlass war nicht gerade ungewöhnlich: Im vorigen September beging ein junger Mann einen Ladendiebstahl in einem Sportgeschäft in der Innenstadt und wurde dabei erwischt. Unter anderem konnte er auch durch Videoaufnahmen identifiziert werden – das Unternehmen stellte Strafanzeige. Im Februar kam es zur Gerichtsverhandlung wegen Diebstahls. Und die sollte nicht nur für den Angeklagten unangenehme Folgen haben.

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Kurz vor Weihnachten erhielt Peter Kolb, Geschäftsführer des Sportgeschäfts, eine Ladung vor Gericht, um als Zeuge vernommen zu werden. In dem Brief heißt es unter anderem: „Wenn Sie ohne genügende und rechtzeitige Entschuldigung im Termin nicht erscheinen, müssen Ihnen die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden. Zugleich kann gegen Sie ein Ordnungsgeld bis zu 1000 Euro und für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angeordnet werden.“

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Doch Kolb war geschäftlich verhindert. Anfang Februar schrieb er an das Amtsgericht: „Durch den Lockdown und unsere Zwangs-Geschäftsschließung sind wir gezwungen, unseren Online-Shop auf Dritt-Plattformen aufzuschalten. Ich muss ab morgen, 3. Februar 2021, nach Schwäbisch-Gmünd zu einer Online-Schulung und zur Implementierung der Schnittstellen. Leider kann ich Ihrer Zeugenladung nicht folgen.“ Er habe den Angeklagten nie gesehen und könne auch keine weiteren Hinweise geben als die, die er bereits schriftlich der Polizei gegenüber mitgeteilt habe.

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Das Problem: Das Amtsgericht bewertete den Grund, der Verhandlung fernzubleiben, als nicht ausreichend und kündigte im Falle des Nicht-Erscheinens ein Ordnungsgeld an. Die Richterin rief also während der Verhandlung – der Angeklagte hatte die Tat zuvor gestanden – per Lautsprecher den Zeugen Peter Kolb in den Gerichtssaal.

Peter Kolb wollte sich mit dem Ordnungsgeld nicht abfinden – und wehrte sich erfolgreich dagegen.
Peter Kolb wollte sich mit dem Ordnungsgeld nicht abfinden – und wehrte sich erfolgreich dagegen.

Als der nach mehrmaliger Aufforderung nicht erschien, beschloss die Richterin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro oder drei Tage Ordnungshaft. „Ich möchte nicht unsere Gerichte kritisieren“, sagte damals Peter Kolb gegenüber dem SÜDKURIER. „Wo ist aber die Verhältnismäßigkeit?“

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Über seinen Anwalt hat er sofortige Beschwerde eingelegt – die Vierte Große Strafkammer des Landgerichts hat den Beschluss des Amtsgerichts nun aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Auslagen Kolbs trägt die Staatskasse. „In der Rechtsprechung ist es allgemein anerkannt, dass bei geringem Verschulden des Zeugen von einer Ahndung abgesehen werden kann, insbesondere dann, wenn das Ausbleiben des Zeugen letztlich folgenlos geblieben ist“, so die Begründung. Kolbs Vernehmung sei nicht erforderlich gewesen. Beschäftigt haben sich trotzdem eine Menge Leute damit.