Die Indizien für ein rassistisch motiviertes Vorgehen von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes beim Konstanzer Seegartenfest im August 2019 mehren sich. Wie mehrfach berichtet, wurde dem heute 56jährigen Samba S. der Zutritt zum Festgelände verwehrt, was zunächst zu einer Auseinandersetzung und anschließend zur Überwältigung des dieser Tage vor dem Konstanzer Amtsgerichtes stehenden Mannes führte.
Grund für die Anklage bildeten die angeblich schweren Beleidigungen, die Samba S. gegenüber den Sicherheitskräften geäußert haben soll. Doch die Beschuldigungen erwiesen sich als haltlos, weshalb das Verfahren gegen den 56-Jährigen jetzt eingestellt wurde.
Zeugen bestätigen die Schilderungen des Angeklagten Samba S.
Schon bei der ersten Verhandlung, die Anfang Dezember wegen Zweifeln an der Eignung eines Dolmetschers vertagt worden war, äußerte Christoph Nix – der Anwalt von Samba S. – am Rande die Vermutung, dass bei diesem Prozess „der Falsche auf der Anklagebank sitzt“.
Er geht davon aus, dass die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes dem aus Westafrika stammenden, seit 1990 in Deutschland beziehungsweise der Schweiz lebenden Mann, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ohne triftigen Grund den Zutritt verwehrten und auf dessen Einwände übergriffig reagierten. Darauf lassen die Schilderungen des Angeklagten schließen, die sich weitgehend mit den Aussagen von Zeugen decken.
So schildert Samba S. vor Gericht den Vorfall im August 2019
Samba S. brachte demnach seine Kinder zu spätabendlicher Stunde nach Hause, um danach zum Seegartenfest zurückzukehren, wo er mit Verwandten noch eine Weile zusammen sein beziehungsweise einen Gast der Familie abholen wollte. Doch die Sicherheitskräfte verwehrten ihm den Zutritt, wobei die Gründe im Unklaren blieben. Als Argumente wurden bei der jetzigen Aufarbeitung vor dem Amtsgericht die fortgeschrittene Stunde (die Auseinandersetzung fand nach 22 Uhr statt) beziehungsweise das bevorstehende Ende des Fests und das Mitführen eines Rucksacks von Samba S. verhandelt.
Zur Eskalation ist es nach Angaben des Angeklagten gekommen, als er aus geringer Distanz beobachtete, dass anderen Besuchern der Zutritt gewährt wurde. Seine Nachfrage bei den Sicherheitskräften sei zunächst mit einem Schubser beantwortet worden und nachdem er fragte, was das soll, sei er am Handgelenk gepackt und zu Boden gedrückt worden, wo ihm die Hände am Rücken mit Handschellen fixiert worden seien. Er selbst will weder tätlich noch beleidigend geworden sein. Die um 22.55 Uhr benachrichtigte Polizei traf um 23.08 Uhr ein und fand Samba S. mit Handschellen und am Boden sitzend vor.
Zeuge: „Ich habe das Ganze als nicht menschlich empfunden“
Bestätigt wurde die Version des Angeklagten von einem Zeugen in unmittelbarer Nähe. Er habe die Auseinandersetzung zwischen Samba S. und den Sicherheitskräften aus einer Entfernung von eineinhalb bis zwei Metern verfolgt und bei den eindringlichen Fragen des Angeklagten nach den Gründen der Zutrittsverweigerung nichts Despektierliches wahrgenommen. Das Ganze habe im Grunde sehr harmlos ausgesehen, weshalb sich der Zeuge über das resolute Vorgehen der Sicherheitskräfte gewundert habe.
„Ich habe das Ganze als nicht menschlich empfunden“, so schilderte er seine Wahrnehmung, „zumal der Angeklagte gar keine Gegenwehr zeigte.“ Der 37-jährige Ingenieur versuchte, dem Gericht die Situation am Beispiel einer Einschätzung seines eigenen Verhaltens zu verdeutlichen: „Also wenn ich an der Stelle des Angeklagten gewesen wäre, hätte ich mich zehn Mal intensiver gewehrt.“
Der Zeuge stufte den Vorfall als Überreaktion ein, wobei er auf die Sicherheitskräfte beschwichtigend einzuwirken versuchte. „Ich habe mir gedacht: Lasst ihn halt gehen und fertig“ – doch stattdessen habe er den Eindruck gewonnen, dass einer der Sicherheitskräfte ihn für sich vereinnahmen wollte.
Polizistin: Angeklagter wirkte auf die Beamten nicht aggressiv
Das ruhige Wesen von Samba S. bestätigte die Polizistin, die nach ihrem Eintreffen und einer kurzen Aussprache dem am Boden Gefesselten die Handschellen abnehmen ließ. Es habe sich zweifelsohne in einer außergewöhnlichen Lage befunden, vielleicht auch etwas lauter und schneller geredet, dabei aber keinen aggressiven Eindruck auf sie gemacht und keine Beleidigungen geäußert.
Wie komplex das Geschehen an diesem Abend insgesamt wahrgenommen werden konnte, ging aus der Aussage einer weiteren Zeugin hervor, die den Angeklagten als flüchtigen Bekannten bezeichnete. Die 33-jährige Juristin aus Kreuzlingen will bemerkt haben, dass auch die Polizei auf dem Festgelände immer wieder auf eine etwa sechsköpfige Gruppe schwarzer Männer zugegangen sei, obwohl „es auf dem gesamten Gelände gerochen hat“.
Als sie später den Vorfall beim Eingang bemerkte und einen Polizisten nach den Gründen und einem möglichen rassistischen Motiv befragte, habe dieser sie zunächst zum Mitkommen zum Polizeiposten aufgefordert. Als sie sich dem widersetzte beziehungsweise nach der rechtlichen Grundlage für die Aufforderung fragte, habe ihr der Polizist entgegnet, sie solle „dahin gehen, wo sie herkomme“.
150 Euro Strafe: Sicherheitskräfte bleiben dem Prozess fern
Relativiert werden hätten die Schilderungen von den beiden Klägern, die angeblich beleidigt wurden – doch sie blieben der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern. Richterin Marie-Theres Polovitzer ahndete dies mit einer Ordnungsstrafe von jeweils 150 Euro (wahlweise drei Tage Haft).
Möglicherweise sieht man sich aber doch noch: Der Staatsanwalt Lion Behar-Kremer will prüfen, ob jetzt in einem weiteren Verfahren der denkbaren Übergriffigkeit der Sicherheitskräfte samt eines möglichen rassistischen Motivs nachgegangen wird. Im juristischen Sinne könnte es zudem konkret um den Vorwurf der Freiheitsberaubung gehen.
Eine Rolle bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Sicherheitskräfte spielt dabei die prinzipiell freie Zugänglichkeit zum Seegartenfest. Ebenfalls nicht klar sind die Kriterien, nach denen die Rucksäcke und Taschen von Besuchern kontrolliert wurden.