Veränderung ist schwierig, sich nicht zu verändern ist fatal. So lässt sich Sabine Rein auf der Webseite eines Netzwerks für Hochschulberatung zitieren.

Der Satz klingt wie aus einem Handbuch für Unternehmensberater – nicht ohne Grund: Die BWL-Professorin ist nicht nur Prorektorin der Hochschule für Technik Stuttgart. Sie hat auch Erfahrung als Beraterin, zunächst als Angestellte, inzwischen mit einer eigenen Agentur für kleine und mittelständische Unternehmen. Veränderungen stehen auch ihrem voraussichtlichen neuen Arbeitgeber bevor: Die gebürtige Berlinerin soll Präsidentin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) werden.
Nach 13 Männern übernimmt eine Frau an der Hochschule am Seerhein
„Ich glaube, wir haben die richtige Kandidatin gewählt“, sagt Stefan Keh, Vorsitzender des Hochschulrats. Das Ergebnis sei sehr deutlich zu ihren Gunsten ausgefallen.
Die zweifache Mutter wäre nach zuvor 13 Männern an der Spitze die erste Präsidentin in der 114-jährigen Geschichte der Konstanzer Fachhochschule.
Von zehn Bewerbern im engeren Kreis hatten sich laut Stefan Keh drei dem Wahlgremium aus Hochschulrat und -senat vorgestellt. Ein interner Kandidat soll – so hört man aus Kreisen der Hochschule – nicht darunter gewesen sein.
Dienstantritt soll spätestens im Oktober sein
Die frühere Fachhochschule am Seerhein, werde in „Zukunft vernetzt sein, digital und nachhaltig“, erklärte Sabine Rein kurz nach der Wahl, die Ende vergangener Woche fast unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfand. Spätestens im Oktober soll sie ihren Dienst antreten.
Stefan Keh wird hoffen, dass die bevorstehenden Vertragsverhandlungen anders verlaufen als Ende 2019. Er lehnt sich weit aus dem Fenster und sagt: „Ich glaube nicht nur, dass dies der Fall sein wird, ich bin mir sicher.“
Beim vorigen Kandidaten platzten die Vertragsgespräche
Zur Erinnerung: Mit Markus Rhomberg hatte die HTWG bereits einen Nachfolger für Carsten Manz gewählt, der eine zweite Amtszeit ablehnte und stattdessen wieder seine zuvor ruhende Professur an der Hochschule übernimmt.
Doch der gebürtige Bregenzer Rhomberg sagte während der Weihnachtstage wieder ab. Hochschulrats-Chef Keh, der auch damals die Findungskommission leitete, erklärt: Die damals strittigen Punkte mit dem bereits gewählten Kandidaten seien diesmal schon im Bewerbungsprozess geklärt worden.
Absage nach Präsidentenwahl: Ein peinlicher Vorgang für die HTWG
Die Gespräche mit Rhomberg sollen gescheitert sein an dessen finanziellen Erwartungen, dem Zeitpunkt des Dienstbeginns und dem Wunsch, trotz Führungsaufgaben in Konstanz in der Heimat wohnen zu bleiben.
Einerseits war dies ein peinlicher Vorgang für die Verantwortlichen an der HTWG. Vielmehr aber ließ es die an der Hochschule dringend benötigte Frage der künftigen Führung lange unbeantwortet. Sollte Sabine Rein ihre Unterschrift unter den Vertrag setzen, wird die einstige Beamtin am Berliner Senat vorrangig ordnend in die Verwaltung eingreifen müssen.
Welche Aufgaben für Sabine Rein zuerst anstehen
Neben der zu erwartenden Neubesetzung der Stellen ihrer beiden Vizepräsidenten stellt sich auch die Frage, mit welchem Kanzler die Präsidentin künftig zusammenarbeiten wird. Stefan Keh sagt dazu nur, sie werde das Thema angehen, und: „Mit Gerhard Schnell haben wir derzeit eine exzellente Stellvertretung in der Kanzlerschaft.“
Die eigentliche Amtsinhaberin ist seit Frühjahr 2017 krank geschrieben. Gegen eine vom Wissenschaftsministerium angeordnete amtsärztliche Untersuchung zur Prüfung ihrer Dienstfähigkeit hatte sie vor einem Jahr erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Freiburg geklagt.
Noch immer schwelt die Aufarbeitung der Zulagen-Affäre
Und dann schwelt da noch immer die Aufarbeitung der 2018 aufgedeckten fehlerhaft bezahlten Leistungsbezüge für Professoren. Diese Angelegenheit brachte der HTWG inmitten häufiger Erfolgsmeldungen aus dem Bereich der Lehre und stetem Wachstum Negativschlagzeilen ein.
Nach Bekanntwerden der Affäre folgte ein für alle Beteiligten aufwühlender Prozess – inklusive von der Staatsanwaltschaft angeordneten Durchsuchungen und dem Einschalten des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg.
Wie Sabine Rein ihre Rolle als Führungspersönlichkeit interpretiert
Das Ländle selbst kennt die designierte neue Präsidentin bereits, da sie seit 1996 in der Landeshauptstadt lebt. Warum sie sich trotz der Negativschlagzeilen der jüngeren Vergangenheit nach zehn Jahren Professur in Stuttgart am Bodensee beworben hat? „Weil ich die Gestaltungsmöglichkeiten als Präsidentin sehe“, sagt sie und lobt das „Potenzial dieser Hochschule“ und die „Leidenschaft von allen im Auswahlverfahren Beteiligten“.
Ihre Führungsrolle verstehe sie so, „dass ich Menschen zusammenbringe und gemeinsame Erfolge ermögliche“, sagt sie. Es gelte, das „gewaltige Reservoir an Können, Wissen und Ideen“ zu nutzen.
Dass dies vorhanden ist, wird niemand bestreiten wollen. Vielleicht wäre es schon eine erste Veränderung, aus dem Reservoir auch mit Entschlossenheit zu schöpfen.