Das Urteil zur Unwirksamkeit der drastisch erhöhten Freiburger Bewohnerparkgebühren dürfte auch im Konstanzer Rathaus mit Überraschung aufgenommen worden sein. Denn zwei der drei von den Leipziger Bundesverwaltungsrichtern aufgeführten Ablehnungsgründe treffen auf die Regelung in der Konzilstadt genauso zu.
Bei einem davon handelt es sich für Nichtjuristen wohl nur um eine formale Spitzfindigkeit. Wie die Freiburger, so haben auch die Konstanzer eine Satzung über die Gebühren erlassen. Laut Straßenverkehrsgesetz ist das aber keine taugliche Regelung: Es hätte vielmehr einer Rechtsverordnung bedurft.
Während das dem Otto Normalautofahrer völlig schnurz sein dürfte, erregt Grund Nummer zwei schon größere Aufmerksamkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hält auch die getroffenen Ermäßigungsregelungen für rechtlich unzulässig.
„Eine Bemessung der Gebühren nach sozialen Zwecken hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen“, teilte das Gericht mit. Die existiert in Konstanz ebenfalls. Menschen mit Sozial- und Pflegefamilienpass zahlen hier nur die Hälfte, Autobesitzer mit Parkerleichterung für Schwerbehinderte gar nichts.
In welche Falle Konstanz nicht getappt ist
Diskutiert worden waren beim Beschluss der Satzung im Gemeinderat im vergangenen Juni auch höhere Gebühren für größere Autos – die schafften es jedoch nicht in das Regelwerk. Gut so, wenn es nach den Richtern in Sachsen geht: Denn genau das ist der dritte Grund, warum sie die Freiburger Satzung verwarfen.
Sie verletzten den Gleichheitsgrundsatz (“Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) nach Artikel 3 des Grundgesetzes. Im Extremfall könne ein Längenunterschied von 50 Zentimetern zu einer Verdoppelung der Gebühr führen, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Bick – das wäre eine beträchtliche Ungleichbehandlung.
Nicht beanstandet hat das Gericht dagegen den eigentlichen Stein des Anstoßes: die Höhe der Freiburger Gebühr. Sie beträgt für ein durchschnittlich großes Auto 360 Euro im Jahr. Bis Frühjahr 2022 waren es nur 30 Euro (Konstanz 30,70 Euro) gewesen.
Gegen die Änderung hatte der Freiburger FDP-Stadtrat und Bewohnerparkausweis-Besitzer Sascha Fiek einen Normenkontrollantrag eingereicht, war damit aber zunächst vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gescheitert. Er gab jedoch nicht auf und legte Revision ein.
Freiburg will nun noch einmal nacharbeiten. Die erhöhte Gebühr muss vorerst nicht gezahlt werden. Schon am Tag nach dem Urteil waren auf der Internetseite der Stadt alle Informationen und Preise zum Bewohnerparken wieder auf dem früheren Stand.
Rathaus hat sich noch nicht geäußert
Die Konstanzer Stadtverwaltung hat sich bis Donnerstag, 15. Juni – zwei Tage nach dem Urteil – nicht öffentlich geäußert und will das am Freitag nachholen. Als Gründe dafür wurden am Mittwoch der „verwaltungsinterne Abstimmungsbedarf“ und für den Tag darauf eine „verwaltungsinterne Veranstaltung“ genannt.
Nachdem die bundesweite Obergrenze fürs Anwohnerparken gefallen war, hatte auch die Stadt am Bodensee zum 1. Januar 2023 kräftig nachgelegt. Der Gemeinderat traute sich zwar nicht, die ursprünglich von der Verwaltung vorgeschlagenen 240 Euro im Jahr zu verlangen – ein entsprechender Antrag der Freien GrünenListe scheiterte mit 14 Ja- gegen 21 Neinstimmen. Aber auch die nun geltende Jahresgebühr von 150 Euro ist eine Erhöhung auf das fast Fünffache.

Die neue Gebühr soll den tatsächlichen Kosten für die Instandhaltung sowie Unterhaltung eines Stellplatzes im öffentlichen Straßenraum besser entsprechen. Das tut sie aber nur bedingt. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn bezifferte diese Kosten in der Diskussion damals mit mehr als 200 Euro.
Zudem soll sie dazu beitragen, mehr Menschen zum Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel zu motivieren und mittelfristig die Aufenthaltsqualität in den jetzt noch mit Autos vollgestellten Quartieren zu erhöhen. Ob das funktioniert, wird die Zeit zeigen.
Was sagen die Stadträte dazu?
Stadtrat Matthias Schäfer vom Jungen Forum Konstanz fordert auf Anfrage, dass die Verwaltung die Konstanz betreffenden Punkte schnell anpasst und im Gemeinderat zur Abstimmung bringt. Dass es keine soziale Staffelung geben darf, bedauere man.
„Aber wenn der Gesetzgeber es noch nicht erlaubt, können wir kommunal nichts ändern“, so der Fraktionschef. Die Parkplätze hätten ihren Wert, „und wir sind mit den aktuellen Gebühren weiter weit darunter“. In diesem Zuge sprach sich Schäfer auch für eine kontinuierliche jährliche (Inflations-)Steigerung aus.

Auch Günter Beyer-Köhler von der Freien Grünen Liste findet es „persönlich schade, dass die soziale Staffelung abgelehnt wurde“. Die Rechtsabteilung der Stadt müsse jetzt prüfen, ob die Satzung vorerst ausgesetzt werden muss.
Für die Zukunft prophezeit er weitere Erhöhungen, um den eigentlichen Anliegen der Gebühr gerecht werden zu können. „Es ist auch ein Anreiz für Bewohner, die eigene Garage, die jetzt vielleicht mit Gerümpel voll ist, tatsächlich für das Auto zu nutzen“ – statt öffentlichen Raum zu belegen.

Ginge es nach CDU-Stadtrat Marcus Nabholz würden die Anwohner für die 150 Euro künftig alle Parkplätze in der Innenstadt belegen dürfen. Das habe er in vielen Städten schon gesehen, sagte er. Für Auswärtige sollten dagegen schnellstmöglich das Parkhaus am Döbele errichtet und alle linksrheinischen Parkplätze als Kurzzeitparkplätze mit maximal zwei Stunden Dauer ausgewiesen werden.
Wenn Döbele und Parkhäuser voll sind, dann sollte der Verkehr über die Schänzlebrücke zum Bodenseeforum geleitet werden. Der Lago-Kreisel werde sonst in der Bodanstraße wie bereits jetzt zu Staus in beiden Richtungen führen, was für die dortigen Anwohner unzumutbar sei.

Auch die Freien Wähler Konstanz äußern sich auf Anfrage: „Wir erwarten von der Verwaltung, dass sie schnellstmöglich eine Rechtsverordnung erlässt und damit die rechtliche Basis für die beschlossenen 150 Euro (120 Euro plus 30 Euro Bearbeitungsgebühr) für die Anwohnerparkberechtigung schafft“, schreiben die Stadträte Daniel Hölzle und Susanne Heiß.

Ob die Stadt Konstanz die Satzung außer Kraft setzen muss, obliege der Rechtsabteilung. Es wäre aber ein bürokratischer Riesenaufwand, die Gebühren bis auf die ursprünglichen 30,70 Euro wieder zurückzuzahlen, um sie dann mit einer rechtsgültigen Rechtsverordnung erneut auf 150 Euro anzuheben.
Man hoffe deshalb, dass die Rechtsverordnung rückwirkend gelten kann. „Wir möchten auf keinen Fall, dass die Gebühren für das Anwohnerparken nochmal neu verhandelt werden müssen. Die damals verabschiedete Höhe ist eine Belastung für die Anwohner, die für die aktuelle Zeit schon grenzwertig ist.“
Die SPD um Fraktionschef Jürgen Ruff hält den Betrag von 150 Euro derzeit ebenfalls für völlig ausreichend, auch wenn das nicht für alle Zeit in Stein gemeißelt sein muss. Er hat vor allem Sorge, dass mit einer höheren Gebühr mehr Menschen aus den linksrheinischen Gebieten vertrieben würden. „Wenn die aus Konstanz wegziehen, ist das auch nicht ökologisch.“

Von der Stadt erwarte er nach dem Leipziger Urteil, sich sofort an die für die Rechtssicherheit nötigen Änderungen zu machen, damit der Gemeinderat noch vor der Sommerpause darüber beschließen kann und ein großes Rückzahlungskuddelmuddel vermieden wird.