Ein junger Mann nähert sich dem grün-weißen Zelt hinter einer Arztpraxis im Paradies. „Ich fühle mich krank und möchte mich auf Corona testen lassen“, sagt er.
Stephan Scholtes, niedergelassener Arzt, bittet ihn ins Zelt-Innere. Dort füllt der 20-jährige Alexander Ehinger kurz ein Formular aus, dann nimmt der Arzt bei ihm die Abstriche in Rachen und Nase. Nach wenigen Minuten ist alles vorbei.
Alexander Ehinger ist dankbar für die unkomplizierte Testung ohne vorherige Anmeldung. „Ich habe stärkere Symptome als sonst bei einem grippalen Infekt und möchte Gewissheit, ob ich nächstes Wochenende meine Eltern besuchen kann“, sagt er.
Wer Symptome hat, kann sich testen lassen
Stephan Scholtes freut sich über vernünftige Patienten wie Alexander Ehinger. Er und sein Kollege Christian Zeleny stehen im Wechsel montags bis freitags von 11 bis 12 Uhr im Zelt an der Gottlieber Straße 15 zur Verfügung, um Menschen mit Corona-Symptomen zu testen. Kommen können nicht nur ihre Stamm-Patienten, sondern Betroffene aus dem ganzen Stadtgebiet und darüber hinaus.
Ihre Praxis gehört zu den Corona-Schwerpunktpraxen. Davon gibt es in Konstanz rund eine Handvoll. Stephan Scholtes und Christian Zeleny freuen sich, dass sie mit dem Zelt seit Anfang November ein niederschwelliges Angebot machen können, das gut angenommen werde.
Bis zu 20 Tests in einer Stunde
Im Schnitt testen sie zehn bis 15 Patienten pro Stunde, manchmal sogar bis zu 20. Zu Beginn der Corona-Zeit baten die beiden Ärzte symptomatische Patienten, einzeln im Aufzug in die Praxis im Obergeschoss zu fahren, und nahmen den Abstrich am Balkon.
Diese Strategie geriet aber mit der Zeit an ihre Grenzen. So kam das Team auf die Idee mit dem Testzelt. „Es gehörte einer unserer Angestellten, die es uns zum Glück überließ“, sagt Stephan Scholtes.
So schlagen die Ärzte mehrere Fliegen mit einer Klappe: Sie müssen sich nicht für jeden Abstrich neu einkleiden. Außerdem reduzieren sich die Anrufe in der Praxis, weil Patienten keinen Termin vereinbaren müssen. „Unsere Telefonfrequenz war vorher extrem“, so Scholtes.
Und zum Dritten müssen Bürger mit Corona-Symptomen die Praxis gar nicht mehr betreten. Das nimmt anderen Patienten die Angst vor einem Arztbesuch.
Patienten ignorieren aus Angst vor Corona ihre Schmerzen
Ohnehin betonen die beiden Mediziner, dass Menschen mit anderen Beschwerden nicht aus Angst vor Ansteckung mit Corona auf einen Arztbesuch verzichten dürfen. „Die Praxen sind alle auf den Umgang mit dem Virus eingestellt“, sagen die beiden. Es dürfe nicht vorkommen, dass jemand tagelang Schmerzen ignoriert, aus Angst vor Corona keinen Arzt aufsucht und am Ende als Notfall im Klinikum landet.
Alexander Ehinger wird schon bald wissen, ob er seine Eltern besuchen kann oder nicht. „Wir informieren Sie in 24 bis 48 Stunden“, sagt Stephan Scholtes. Das übernehmen er und sein Kollege selbst – das Gesundheitsamt kommt oft nicht mehr hinterher.
So können die Ärzte positiv getestete Patienten auch gleich über die richtigen Verhaltensregeln aufklären. „Unserer Erfahrung nach verhalten sich die meisten vernünftig, wenn wir sie in Quarantäne setzen müssen“, sagt Stephan Scholtes.
Per Körbchen in die Praxis
Und dann tut der Arzt etwas Ungewöhnliches: Er legt den Abstrich des 20-Jährigen sowie seine Krankenkassenkarte in ein Körbchen neben dem Zelt, das an einem Seil befestigt ist. Er zieht an dem Seil, bis der Korb oben in der Praxis ankommt. Bei Bedarf schickt eine Mitarbeiterin im Gegenzug eine Krankschreibung nach unten. Wie heißt es immer so schön? Not macht erfinderisch. Eine Pandemie ohnehin.