Ein Spätnachmittag im Paradies. Ein grüner Ford tuckert die Gartenstraße so langsam entlang, dass der BMW-Fahrer hinter ihm verärgert hupt. Der Ford-Fahrer ist offensichtlich auf Parkplatzsuche, suchend dreht er seinen Kopf mal nach rechts, mal nach links. Schließlich biegt er in die Brauneggerstraße ein. Da ist etwas frei! Er macht sich ans Einparken und merkt: Die Lücke ist zu klein. Frustriert zieht er ab.
„Die tägliche Sucherei“
Ungefähr 40 Meter über ihm sitzt Peter Schuck in einem der Altbauhäuser unter hohen Decken am Kaffeetisch seiner Bekannten. Er lebt in der Altstadt und parkt im Paradies. „Ich kenne das“, seufzt er, „die tägliche Sucherei.“
Er habe das Glück, selbstständig zu sein. So kann er seine Termine einteilen. „Ab halb fünf etwa bis 23 Uhr findet man so gut wie nichts im Paradies – ich lege meine Termine so, dass ich hier einen Parkplatz finde.“
Parkplätze werden gehütet wie ein Schatz
Seine Bekannte nickt zustimmend. „Wenn jemand einen Platz hat, gibt er ihn nicht mehr her.“ Vor dem Haus stehe seit Wochen ein Auto mit fremdem Kennzeichen und habe sich keinen Deut bewegt.
4860 Parkausweise im Umlauf
Konstanz, die Radstadt, will, dass die Bewohner weniger Auto fahren, dafür mehr Bus, Bahn und Rad. Oder gleich zu Fuß gehen. 4860 Bewohnerparkausweise für Paradies und Altstadt sind im Umlauf, heißt es aus dem Rathaus. Es gibt 2622 Bewohnerparkplätze.
Aber, fügt Walter Rügert, Sprecher der Stadt, hinzu: „Darüber hinaus 3.629 Stellplätze auf Privatgrundstücken, davon 1.275 in Garagen.“ In Summe also 6.433 Stellplätze.
Geht die Rechnung auf?
Zugelassen sind in Altstadt und Paradies 5.736 Fahrzeuge vom Landkreis. „Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl in anderen Landkreisen gemeldeter Fahrzeuge.“
So ganz geht die Rechnung nicht auf – sonst wären die Klagen über den Parkdruck nicht so groß. Doch was ist mit der Idee, ganz aufs Auto zu verzichten?
Für kurze Strecken ist Radfahren ideal, aber ...
„Für kurze Strecken ist Konstanz ideal zum Radfahren“, sagt Peter Schuck und nippt an seinem Kaffee. Er selbst liebt das Radfahren, organisiert Radtouren für Menschen aus ganz Deutschland am Bodensee.
Wenn er aber etwa ins Industriegebiet will zu einem Termin, greife er lieber aufs Auto zurück. „Es ist keine schöne Radfahrstrecke – und der Bus fährt viel zu selten“, sagt er.
Stadt will Busanbindung verbessern
Konstanz will das Busfahren besser machen. Mehr Busse, die öfters fahren und weniger kosten. Eine umfangreiche Studie dazu läuft derzeit noch, die Ergebnisse sind Ende des Jahres da.
Auch Großeinkäufe erledigt Schuck wie so viele Konstanzer mit dem Auto. „Es muss nicht jeder Einkauf zum Abenteuer werden“, sagt er. Dass nun langfristig weiter Parkplätze im Paradies abgebaut werden sollen, gefällt ihm und vielen Anwohnern gar nicht.
Knapper Raum, nicht nur für Autos
Und: „Es ist nicht sinnvoll, in dicht besiedelten Gebieten den knappen öffentlichen Straßenraum nur für das Abstellen von Kraftfahrzeugen zur Verfügung zu stellen.“
Er sagt, dass die Notwendigkeit zum Klimaschutz eine Verkehrswende erforderlich mache. Aber auch, dass die Mobilität des Einzelnen nicht eingeschränkt werden soll. Wie soll das funktionieren?
Idee: Parkplätze anderswo bündeln
Die Idee ist, Parkplätze im öffentlichen Raum abzubauen und anderswo zu ersetzen. Zum Beispiel im Parkhaus am Döbele, das dort mit dem neuen Quartier kommen soll. Außerdem will die Stadt dafür sorgen, dass mehr und mehr Bewohnerparkplätze in derzeit noch öffentliche Parkhäuser verlagert werden.
Senioren, Menschen mit Handicap, Betriebe und Büros nicht vergessen
„Am Döbele?“, fragt Carola Berszin. Die Anthropologin hat ihr Büro ebenfalls in der Brauneggerstraße. Sie findet, dass man beim Thema Parken nicht nur an Touristen und mobile Anwohner, die gut mit dem Rad fahren können, denken sollte. Sondern auch an Senioren, an gehandicapte Menschen und an die, die im Paradies und der Altstadt arbeiten. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie gehandicapte Menschen oder Senioren ihre schweren Einkäufe vom Döbele etwa in die Gartenstraße schleppen.“
Berszin selbst bekommt oft große Lieferungen für ihre Untersuchungen. „Ich war vorher in der Wessenbergstraße, es wurde immer schwieriger für den Lieferverkehr. Als ich hörte, dass die Parkplätze am Stephansplatz auch wegkommen sollen, habe ich mich nach einem neuen Büro umgesehen.“
Das plant die Stadt
Die Stadt will langfristig vor allem die linksrheinischen Besucherparkplätze abbauen und sie rechtsrheinisch an Mobilpunkte wie den Brückenkopf Nord verlagern. Auch die Anwohnerparkplätze sollen reduziert werden, der Zeitraum ist noch unbekannt.
Fest steht, dass es an anderer Stelle neue Stellplätze für Paradiesler und Altstädter geben soll. Laut Walter Rügert sollen bis zu 600 neue Parkplätze in Parkhäusern entstehen.
Neue Fahrradstraße braucht Platz
Kurzfristig soll in der Schützenstraße eine Fahrradstraße ausgewiesen werden, wofür 25 Bewohnerstellplätze entfallen müssen.
Rügert betont, dass Konstanz nicht das Autofahren verbieten will – sondern das Mobilitätsverhalten durch ein attraktives Angebot an Alternativen verändern. Dazu gehört zum Beispiel auch Carsharing. Es sei ein langfristiger Prozess.
Öffentlichen Raum zurückgewinnen für gelebte Nachbarschaft
Der öffentliche Raum, der jetzt mit Autos zugestellt ist, müsse zurückgewonnen werden für Begegnung und gelebte Nachbarschaft. „Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung der Kommune, Bewohnern, die über keine privaten Stellplätze verfügen, Flächen im öffentlichen Raum zum Abstellen ihrer Fahrzeuge anzubieten.“