Pro: Geh hin! Oder lass es bleiben

Der verkaufsoffene Sonntag (VOS): Manch einer mag ihn und besucht ihn gerne, andere wiederum hassen die volle Altstadt und meiden sie an jenem Tag tunlichst. Und wieder andere – und das ist wohl die schweigende Mehrheit – hat schlichtweg keine gefestigte Meinung dazu. Mal geht man hin, und mal eben nicht. Natürlich gibt es auch berechtige Kritik am VOS, vor allem dahingehend, ob diese Art der Veranstaltung wirklich noch zeitgemäß ist und ob sie dem Personal nicht zu viel abverlangt.
Vergessen werden sollte allerdings nicht, dass viele Konstanzerinnen und Konstanzer wohl dankbar sind, dass sie neben dem stressigen (Berufs-)Alltag auch einmal die Gelegenheit bekommen, mit der Familie einen Shoppingtrip ohne Zeitdruck und Hektik zu unternehmen. Für viele Besucher ist ein solcher Tag eben auch eine beliebte Freizeitaktivität – unabhängig davon, ob das jedermann nachvollziehen kann.
Allerdings ist genau dieses Angebot einer Freizeitaktivität das, was der Handel in der Konstanzer Innenstadt eben bieten kann – natürlich neben persönlicher Beratung, einfachen Umtauschens und tollem Ambiente. Denn klar ist auch: In unserer schnelllebigen Zeit hat der stationäre Handel den bequemen Internetportalen nicht viel entgegenzusetzen. Dass es hier am langen Ende auch um die Zukunft unserer Innenstadt geht, das führt wohl anhand der Argumentation um verkaufsoffene Sonntage etwas zu weit.
Dennoch: Diese lebhafte Innenstadt möchte jeder erhalten, gerade in unserer schönen Stadt. Dass ein verkaufsoffener Sonntag oft mit entsprechenden Sonderaktionen, kulturellem Programm oder anderen Attraktionen verbunden wird, hilft die Strahlkraft über die Stadt- oder sogar die Landkreisgrenzen hinaus zu erhöhen. Menschen von außerhalb kommen dann hierher, um Geld auszugeben.
Und das übrigens längst nicht nur im Einzelhandel, sondern auch in Cafés und Restaurants (die übrigens in der Regel sonntags ohnehin geöffnet haben). Davon profitiert am Ende durch die erwirtschaftete Gewerbesteuer auch jeder Konstanzer und jede Konstanzerin. Umso mehr, wenn die Touristen hier so viel Spaß hatten, dass sie langfristig wiederkommen – und das vielleicht nicht nur für einen Tag.
Darüber hinaus: Bei all der Aufregung geht es eben nur um zwei Sonntage im Jahr. Zwei Sonntage, an denen die teilnehmenden Geschäfte gerade einmal von 12 bis 17 Uhr geöffnet haben. Braucht es die? Nein, vermutlich nicht. Sind sie für viele aber vielleicht doch eine schöne Sache, vor allem wenn sie am Rande einer anderen großen Veranstaltung wie der Bodensee-Woche stattfinden und sich so als Ausflugstag für die Familie eignen? Ja, wahrscheinlich. Für alle anderen gilt wohl ein ganz einfaches Motto: Geh hin, wenn du willst. Oder lass es eben bleiben.
Contra: Dieser Tag löst kein Problem

Einkaufen am Sonntag? Wer in viele unserer Nachbarländer fährt, wird über die deutsche Debatte sicher erst einmal den Kopf schütteln. Shoppen als sonn- und feiertägliches Freizeitvergnügen ist in weiten Teilen Europas fester Bestandteil der Alltagskultur. Und wir debattieren hier über zwei Anlässe im Jahr, bei denen die Läden am Sonntag von 12 bis 17 Uhr öffnen dürfen.
Wenn es aber darum geht, ob verkaufsoffene Sonntage noch zeitgemäß sind, lohnt sich eine weitere Perspektive. Die Welt des Handels ist im Umbruch. Einstige Giganten wie Karstadt wackeln, kurzfristig erfolgreiche Filial-Konzepte verschwinden so schnell wieder, wie sie kamen. Selbst vormalige Renditeperlen unter den Einkaufszentren haben inzwischen mit Leerstand zu kämpfen.
Das alles ist die Folge unter anderem der Inflation, der Wirtschaftsflaute, des demografischen Wandels und der Digitalisierung des Handels. Dass der etablierte, stationäre Handel in diesen Zeiten ein Zeichen setzen will, ist goldrichtig. Wenn der Euro in der eigenen Stadt bleibt, ist das in jeder Hinsicht nachhaltiger, als wenn er in den Rekordgewinnen der Online-Handelsriesen versickert.
Nun aber ausgerechnet mit Verkaufssonntagen Präsenz zu beweisen, wirft Fragen auf. Nicht nur, weil es gute Gründe für die geheiligte Sonntagsruhe gibt (die übrigens auch Nichtchristen einen Tag der Entschleunigung beschert). In Zeiten, in denen überall Fachkräftemangel beklagt wird und das Dienstleistungsangebot längst spürbar heruntergefahren ist, wirken sonntägliche Sonderschichten auch nicht gerade zwingend logisch. Und zu glauben, dass am Verkaufssonntag die Menschen in die Innenstädte statt ins Internet gehen, ist weltfremd. Sie machen natürlich beides – und geben ihr Geld dort aus, wo sie das für sie beste Angebot finden.
Wenn der stationäre Handel Flagge zeigen will, hat er dazu an 300 Tagen im Jahr beste Möglichkeiten. Viele Geschäfte haben 50 oder mehr Stunden pro Woche offen. Die Schicksalsfrage, wie es mit dem Handel – und seinen Mitarbeitern, Kunden, unseren ganzen Innenstädten – weitergehen soll, wird in diesen 15.000 Stunden pro Jahr entscheiden und nicht an zwei Sonntagnachmittagen. Gute Erreichbarkeit, kompetente Beratung, Verfügbarkeit der Ware, ein schönes Ambiente, emotionaler Mehrwert, kulanter Umtausch: Das sind Punkte, mit denen man Kundinnen und Kunden überzeugt.
Die Menschen haben das längst verstanden und stimmen mit den Füßen ab. Erfolgreiche Handelsstandorte werden eifrig besucht, Frequenz und Umsätze stimmen – weil leidenschaftliche Inhaber, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Montagmorgen bis Samstagabend ihr Bestes geben. Auf Konstanz trifft das in weiten Teilen zu. Wo das aber nicht der Fall ist, helfen auch Verkaufssonntage nicht viel.