Pro: Nahverkehr zu Ende gedacht

In Venedig verkehren die Vaporetti, Bangkok hat seine Longtailtaxis, und in Kopenhagen nutzen Besucher die Havnebussen. Und in Konstanz? Hier herrscht seit Jahren Fehlanzeige bei einer innerstädtischen Verbindung auf dem Seerhein. Zwar gab es den Wasserbus wenige Jahre lang, bis er aufgrund von Sparmaßnahmen eingestellt wurde. Nun wird aber über eine Wiedereinführung ab 2026 diskutiert. Außer Kosten in nicht geringer Höhe aus einer zusehends immer klammer werdenden Stadtkasse gibt es quasi keine Nachteile.
So könnte ein Wasserbus den ohnehin schon ächzenden innerstädtischen Verkehr entlasten. Das würde die Lage vor allem am Wochenende und im Veranstaltungssommer entscheidend entschärfen. Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung ist es ja nicht erst seit gestern, Autos und anderen motorisierten Individualverkehr weitestgehend aus dem linksrheinischen Stadtgebiet zu verbannen. Was es dazu braucht: Geeignete Parkplatzflächen an anderer Stelle und Angebote, um von dort möglichst komfortabel, zügig und verlässlich in die Innenstadt zu kommen.
Wenn der Service dann noch als Baustein in das bestehende Mobilitätsangebot der Stadt integriert wird, sollte er wohl sowohl für Touristen als auch für Einheimische eine attraktive Alternative bieten. Denn eine Verbindung auf dem Wasser ist nicht nur eine praktische Transportmöglichkeit, sondern könnte vielmehr ein besonderes Erlebnis, vor allem für Besucher, bieten. Die kurze Fahrt auf dem Seerhein bis hin zum Hafen führt an einigen Highlights der Stadt vorbei, ermöglicht einen einzigartigen Blick für alle Ortsfremden und könnte die Attraktivität von Konstanz als Reiseziel weiter verstärken.
Ferner handelt es sich – zumindest wenn der Wasserbus mit Schiffen mit nachhaltiger Antriebsart betrieben wird – um eine klimafreundliche (und damit zukünftig mutmaßlich auch kosteneffizientere) Lösung. Apropos Kosten: Neue Infrastruktur müsste quasi überhaupt nicht geschaffen werden, so existieren Bootsanlegestellen am Bodenseeforum und am Hafen bereits. Das reduziert zusätzliche Investitionskosten. Dass sich der Wasserbus wirtschaftlich trägt, bleibt aber wohl ein Wunschtraum. Das ist bei seinem Pendant auf der Straße bei Weitem nicht anders. In seinem zuletzt regulär betriebenen Jahr entstand beim Wasserbus ein Defizit in fünfstelliger Höhe. Zum Vergleich: Die Einbußen beim Stadtbus liegen bei rund sechs Millionen Euro.
Mit allen Veränderungen, die den innerstädtischen Verkehr, das Quartier an der Schänzlebrücke mit großem Parkhaus, Fernbusbahnhof und dem zukünftigen Besuchermagneten Asisi-Panorama ab 2026 erwarten, sowie den stetig steigenden Anforderungen an den Tourismus der Stadt wäre eine Wiedereinführung des Wasserbusses vor allem eines: zu Ende gedacht.
Contra: Zu teuer für das, was es leistet

Was macht mehr Spaß? Busfahren oder Bootfahren? Die Busflotte besser organisieren oder ein futuristisches Schiffchen anschaffen? Und was macht mehr Spaß: Sparen oder Geld ausgeben? Wer sich diese Fragen nüchtern beantwortet, hat die Knackpunkte rund um das Thema Wasserbus schon weitgehend zusammen. Ja, es ist eine schöne und spaßige Vorstellung, dass Konstanz-Besucher künftig mit einem klimaneutralen Elektroboot vom Bodenseeforum zum Hafen gebracht werden. Doch die Zeit der Spaß-Projekte ist in Konstanz – ausweislich der Haushaltsreden gerade der bürgerlichen Parteien – erst einmal vorbei.
So schön die Idee eines neuen Verkehrsmittels ist, so unrealistisch ist dessen Einführung im Moment. Zig- bis hunderttausende Euro wird der Wasserbus im Jahr an Defizit einfahren. Und vor allzu optimistischen Zahlen sei gewarnt, das müsste man gerade in Konstanz aus der Einführung des viele Jahre lang hochdefizitären Katamarans nach Friedrichshafen eigentlich wissen. Eine Stadt, die es sich nicht leisten kann, ihre eigenen Gebäude schnellstmöglich zu dämmen, die Vereinszuschüsse kappen und an der Kultur sparen muss, darf sich nicht eine neue, dauerhafte Belastung ans Bein binden.
Und das umso mehr, als ausgerechnet die örtliche Bevölkerung am wenigsten von der Investition haben wird: Wer fährt ernsthaft mit dem Auto von Dettingen ins Parkhaus an der Schänzlebrücke, marschiert von dort über die Reichenaustraße und steigt am Bodenseeforum ins Schiff um? Zumal, wenn dort nicht einmal die Monatskarte oder das Deutschlandticket gilt? Ganz abgesehen von den Kosten, ist das wenig praktikabel. Der Wasserbus wird also ein Transportmittel für Gäste bleiben. Nichts daran ist falsch, es stellt sich nur die Frage, ob es das wirklich braucht.
Hinzu kommt: Sind die Schiffe erst einmal angeschafft, sind sie zum Erfolg verdammt. Anders als einen Bus, den man nicht mehr braucht, kann man so ein Schiff nicht einfach weiterverkaufen. Konstanz bindet sich also auf Jahrzehnte. Das wiegt umso schwerer, als die Boote den überwiegenden Teil der Zeit ungenutzt im Hafen liegen werden: Sie sollen freitags, samstags, sonntags und auch dann nur tagsüber verkehren. Und inwieweit sie für das Charter-Geschäft nachgefragt werden, ist vage: Das Wasserbus-Modell, das die Stadtwerke ins Auge gefasst haben, hat nicht einmal eine Toilette.
Ginge es der Stadt richtig gut, spräche nichts gegen den Wasserbus: Er hat zweifellos einen Aha-Effekt und würde Konstanz als Reiseziel noch attraktiver machen. Doch die fetten Jahre sind vorbei. Noch vor wenigen Monaten herrschte großer Konsens in Politik und Verwaltung, dass Dinge, die vor allem Spaß machen, erst einmal warten müssen. Nun wird sich zeigen, was diese Aussagen noch wert sind.