Herr Stadler, wie kamen Sie auf diese Idee?

Als ich im März vergangenen Jahres von einem kurzfristig abgesagten Konzert in Freiburg nach Hause kam, erzählte mir meine Familie, dass sie aus unserem Fenster musiziert habe. Sie wurden durch die Ode an die Freude inspiriert, die in Italien von den Balkonen gespielt wurde.

Ich fand die Idee gut. Also haben wir weiter gemacht – zuerst aus dem Fenster unserer Wohnung, später im Hauseingang oder auf dem Platz in der Hofhalde. Wir sind alle Musiker, wir wollen spielen. Wir brauchen das, für uns selbst und um unsere Freude beim Musizieren an die Zuhörer weitergeben zu können.

Der Platz am Fenster: Hier spielte Martin Stadler im März vergangenen Jahres. Dort begann seine „Konzertreihe“, die sich ...
Der Platz am Fenster: Hier spielte Martin Stadler im März vergangenen Jahres. Dort begann seine „Konzertreihe“, die sich nach und nach auf die Straße verlagerte. | Bild: Mario Wössner

Was spielen Sie?

Meistens spielen wir Barockmusik, weil meine Frau und ich ausgebildete Fachkräfte für historische Blasinstrumente wie die Barockoboe sind. Anfangs fiel uns die Auswahl der Stücke leicht, weil wir vieles kennen. Aber einige Stücke haben wir extra neu einstudiert.

Martin Stadler und seine Frau beim Oboen-Duett Video: Martin Stadler

Einmal haben wir eine ganze Bachkantate gespielt. Dafür braucht man eigentlich ein Streichorchester und einen Chor. Ich habe einfach auf der Blockflöte eine Geigenstimme gespielt und Eckart Manke, ein hervorragender Pianist und Dirigent beim Collegium Vocale Bodensee, hat die fehlenden Töne ergänzt.

Er hat uns zufällig spielen sehen und begleitet uns seither am Klavier. Manchmal musizieren auch uns unsere Kinder, aber wir haben vor allem viele Duette gespielt.

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Geben Sie Wunschkonzerte für Zuhörer?

Es gab immer mal wieder Wünsche. Die haben wir auch weitgehend erfüllt. Einmal wurde eine Melodie aus Antonin Dvoraks Cellokonzert gewünscht, aber niemand von uns spielt Cello. Dann habe ich eben auf der Blockflöte improvisiert.

Aber als jemand mit etwas Jazzigem kam, habe ich das abgelehnt. Das ist nicht meine Musik. Da bleibe ich meinen Prinzipien treu. Aber wer weiß, was passiert, wenn Corona noch länger andauert.

Was sagen die Leute zu den Konzerten?

Die Passanten bleiben oft stehen und hören zu. Viele Bekannte freuen sich und sagen, die Konzerte seien der einzige Termin und Spaß, der ihnen noch bleibt. Diese Wertschätzung freut uns natürlich sehr. Eine der schönsten Erfahrungen ist, dass neue Beziehungen zu den Menschen entstehen.

Martin Stadler spielt in der Hofhalde Video: Martin Stadler

Viele Leute schenken oder spenden uns auch etwas. Das hat uns natürlich geholfen, da aktuell viel Einkommen wegfällt. Ohne diese netten Gesten der Menschen wäre es schon sehr eng geworden. Unser Pianist Eckart Manke hat extra ein Spendenkonto für uns eingerichtet. Da kam ein schöner Betrag zusammen.

Wie lange wollen Sie noch weiterspielen?

Wir werden erst aufhören, wenn wir wieder normale Konzerte spielen können. Zwar freue ich mich darauf, wieder auf der Bühne zu stehen. Ich brauche das Adrenalin, das ist für mich wie Bungee-Jumping für andere. Aber so lange Corona ist, werden wir weiterhin jeden Mittwoch spielen.

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