Endlich! – das dachten wohl viele, als die Bundesregierung verkündete, dass Friseure ab 1. März wieder öffnen dürfen. Denn alle ließen ja brav die Haartönungen verblassen und sich eine Matte auf dem Kopf wachsen, nachdem die Friseure in Deutschland Mitte Dezember schließen mussten.
Wirklich alle? Ein Blick in einige Schweizer Zeitungen lässt daran zweifeln. Dort liest man von Konstanzern, die sich über die Grenze schleichen, um sich im Nachbarland die Haare schneiden, färben, tönen oder föhnen zu lassen.
Quarantäne-Gefahr: Nicht alle dürfen einfach so zum Friseur in der Schweiz
„Schleichen“ deshalb, weil bei der Einreise ins Corona-Risikogebiet Schweiz zwecks Friseurbesuch dasselbe gilt wie für Einkaufsfahrten oder Skiausflüge ins Nachbarland.
Wer nur deshalb die Grenze übertritt, um sich die Haare schneiden zu lassen, muss nach seiner Rückkehr in Baden-Württemberg für zehn Tage in Quarantäne beziehungsweise für mindestens fünf, wenn ein negatives Corona-Testergebnis vorliegt. Das bestätigt Pascal Murmann, Pressesprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums, auf SÜDKURIER-Nachfrage.
„Zwei bis fünf Neukunden pro Tag – früher waren es zwei bis drei pro Woche“
An diese Einreiseregeln halten sich nicht alle Kunden von Rita Tassone. „Eine Kundin aus Konstanz, die schon zweimal bei mir war, wurde beim zweiten Mal an der Grenze ausgefragt und hat dann etwas von einem Verwandtenbesuch erzählt“, sagt die Inhaberin des Friseursalons Coiffure Tassone in der Kreuzlinger Hauptstraße.
Und ein weiterer Konstanzer habe sie darum gebeten, nur die Konturen zu schneiden, „damit man es nicht sieht, dass er beim Friseur war“, erzählt Rita Tassone und lacht. Doch generell machten Konstanzer einen eher kleinen Teil ihrer Neukunden aus, betont Tassone, deren Laden derzeit brummt.
Seit Januar seien sie, ihre Mitarbeiterin und die zwei Auszubildenden sehr gut ausgelastet, sagt die Friseurmeisterin, bevor sie der nächsten Kundin die Haare schneidet. „Pro Tag haben wir zwei bis fünf Neukunden, früher waren es zwei bis drei pro Woche.“ Neu kämen vor allem Deutsche zu ihr, die in der Schweiz wohnten oder hier arbeiteten.

„Kunden kommen vor allem aus Konstanz, aber wir haben auch solche aus Radolfzell oder Meersburg„
Ganz anders schildert Linda Heller die Situation. Die Friseurin färbt einer Schweizer Kundin aus Kreuzlingen gerade die Haare, als der SÜDKURIER bei Coiffure Giger vorbeischaut. Der Salon liegt am Ende der Kreuzlinger Hauptstraße, kurz vor der Grenze, in einer Seitengasse.
„Die Mehrheit kommt aus Konstanz„, antwortet die Friseurin auf die Frage, ob es sich bei den deutschen Neukunden primär um Leute handle, die in Kreuzlingen wohnten. In den vergangenen zwei Wochen habe Coiffure Giger pro Tag sieben bis acht Kunden dazugewonnen, erzählt Linda Heller.
Der Kundenansturm habe aber bereits Mitte Januar eingesetzt. „Es sind vor allem Leute aus Deutschland, die neu zu uns kommen, oder Schweizer, die früher nach Konstanz sind.“ Der Salon habe erst vor Kurzem eine neue Friseurin eingestellt. „Sie ist jeweils von 7.45 bis 18.30 Uhr voll ausgebucht, und fast nur mit deutschen Kunden.“
Neben Konstanzer Kunden kämen auch solche aus Radolfzell oder Meersburg zu ihnen, sagt Linda Heller: „Kürzlich hatte ich eine Kundin, die erzählte, dass sie mit dem Auto zwei Stunden bis nach Kreuzlingen gebraucht hat.“
„Keine Deutschen, die sich über die Grenze schleichen“
Solche Neukunden haben Ines Wolf und ihre Geschäftspartnerin Sannam Lorzadeh vom Friseursalon Hairstyle Kreuzlingen nicht. Sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen haben zwar derzeit ebenfalls alle Hände voll zu tun. Doch, so Ines Wolf: „Die Neukunden sind vor allem Deutsche und Schweizer, die hier in Kreuzlingen leben.“

Die gebürtige Thüringerin kann jedenfalls nicht bestätigen, dass sich Massen von Konstanzern für einen Haarschnitt über die Grenze schleichen. Sie habe zwar auch Kunden aus Deutschland, aber dabei handle es sich meist um Berufspendler, sagt Wolf, die seit 14 Jahren in Kreuzlingen als Friseurin lebt und arbeitet. „Und einige Konstanzer Kunden haben abgesagt und gemeint, sie würden jetzt erstmal zuwarten.“
Ähnlich erlebt es Sergio Guldner. In seinen Friseursalon an der Kreuzlinger Hauptstraße kämen neu vor allem Leute, die in Kreuzlingen lebten und sonst in Konstanz zum Friseur gingen.
„Seit etwa drei Wochen haben wir eine größere Auslastung. Der Zuwachs beträgt etwa acht bis zehn Prozent“, erklärt der Inhaber von Coiffure Guldner. Neukunden aus Konstanz könne er an einer Hand abzählen, die meisten seien Berufspendler, so der gebürtige Saarländer, der seit sieben Jahren in der Schweiz lebt.
Werden die deutschen Kunden den Schweizer Coiffeuren treu bleiben?
Doch egal ob die Neukunden nun in Konstanz oder in Kreuzlingen wohnen, am Ende bleibt die Frage: Werden sie nach dem 1. März weiterhin auf der Schweizer Seite zum Friseur gehen?
Linda Heller von Coiffure Giger glaubt nicht daran: „Wahrscheinlich wird es ähnlich laufen wie damals während der Grenzschließungen im Frühjahr, als wir viele Schweizer Neukunden hatten. Von diesen sind nur einzelne bei uns geblieben.“
Die Mehrheit sei zurück zu ihren Konstanzer Friseuren, als die Grenze wieder für alle offen war. Rita Tassone ist ebenfalls skeptisch: „Ein minimaler Teil könnte bleiben. Im Frühjahr hatten wir auch viele neue Kunden: Etwa die Hälfte ist geblieben.“

Optimistischer blickt Ines Wolf in die Zukunft, die in den vergangenen Monaten keine neuen Kunden aus Konstanz, sondern aus Kreuzlingen gewonnen hat: „Im Frühjahr hatten wir innerhalb von eineinhalb Monaten 65 Neukunden, und viele sind geblieben. Wir haben im laufenden Jahr eine Wiederkehrquote von 75 Prozent bei den Neukunden.“
Auch Sergio Guldner beruft sich auf statistische Zahlen aus der Zeit der Grenzschließungen: „Damals sind vielleicht sechs bis acht Prozent der Neukunden bei uns geblieben. Das wird jetzt wahrscheinlich wieder so sein.“
Er finde es aber gut, dass die Kreuzlinger wieder zu ihrem angestammten Friseur in Konstanz gingen, sobald dies möglich sei, betont Guldner: „Man kann ja mal fremd gehen, aber im Grunde bleibt man seinem Coiffeur treu. Und das finde ich auch schön für die Kollegen in Konstanz. Eine Kollegin hat ihre Schweizer Kunden sogar zu uns geschickt, da sie derzeit nicht über die Grenze dürfen.“