Ein Friseurbesuch ist mehr als nur Haare schneiden, föhnen oder färben. Für die einen ist es ein Mini-Urlaub von Arbeit oder Familie. Für die anderen nicht selten die einzige Möglichkeit für einen Plausch mit anderen. Stammkundin Gisela Pollini geht sogar noch einen Schritt weiter: „Seien wir doch ehrlich, viele Menschen gehen in erster Linie zum Friseur, um soziale Kontakte zu haben. So wie manche zum Arzt gehen, um zu reden, und nicht, weil sie krank sind.“
Martina Ackermann, ausgebildete Friseurin und seit 2007 im Wollmatinger Geschäft „Deine Prise Auszeit“ tätig, bestätigt das: „Meiner Meinung nach ist der Wunsch nach dem Haareschneiden nur der halbe Grund für einen Friseurbesuch, wenn überhaupt. Die Menschen brauchen das Gespräch, den Austausch – man kann ihnen doch nicht alles nehmen.“
Ginge es nach ihr, würde man Friseurläden als systemrelevant einstufen. „Die psychologischen Praxen sind überfüllt, und ganz ehrlich, wir als Friseure fangen ganz viel ab.“ Sie sorgt sich um ihre Kunden und steht während des Lockdowns und der erzwungenen Schließung der Salons mit vielen im privaten Austausch. Finanziell kommt sie gerade noch über die Runden mit dem Kurzarbeitergeld, das ihr vom Arbeitgeber gezahlt wird. Doch dass es am 1. März endlich wieder los geht, sorgt auch bei ihr für eine gewisse Erleichterung.
Noch keine Hilfen da
Laut Nico Wegner, Friseurhandwerksmeister aus Konstanz, wird die Unternehmerseite bei der wochenlangen Schließung noch viel zu wenig gesehen. „Ich zahle meinen 14 Angestellten das Kurzarbeitergeld, von der Agentur für Arbeit kam bislang nur die Information, dass mein Antrag eingegangen ist. Geld ist bisher keines geflossen.“
Dabei will er nicht jammern und betont, er habe durchaus Verständnis dafür, dass nicht zwei Wochen nach Antragseingang das Geld auf dem Konto sei. Dennoch: „Wenn ich meinen Angestellten das Geld vorstrecke, habe ich immer noch die Kosten für die Miete ausstehen und selbst überhaupt nichts verdient!“
Offen erzählt Wegner von den Einbußen, die er seit der Schließung am 16. Dezember hatte. „Uns ist das gesamte Weihnachtsgeschäft verloren gegangen“, resümiert er. Normalerweise lassen sich viele kurz vor den Feiertagen nämlich noch einmal ordentlich frisieren. Verständnis für die Schließung hat er nicht, vor allem nicht unter dem Gesichtspunkt, dass fast alle anderen Handwerksbetriebe geöffnet bleiben konnten.
Eine klare Linie, um die Unternehmer zu unterstützen, das wünsche er sich von der Politik – und eine langfristige Perspektive, vielleicht auch mit einer Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent. „Wir arbeiten hier im Friseurladen ohnehin unter hohen Hygieneauflagen“, argumentiert Wegner, der auch im Landesverband der Friseure aktiv ist.
Hoffnung auf raschen Termin
Den sozialen Aspekt unterstreicht auch Wegners langjährige Kundin Brigitte Fuchs. Sie meint: „Irgendwie bespricht man ja schon vieles mit dem Friseur! Noch komme ich dank Mütze und Zopf ganz gut zurecht und hoffe, dass ich dann nach der Öffnung rasch einen Termin ergattern kann.“ Ihr Mann dagegen lässt die Haare einfach weiterwachsen: „Irgendwo muss es sich ja auch zeigen, dass Corona ist!“
Dass derzeit die Telefone glühen, weil sich Kunden schnellstmöglich nach der Öffnung eine neue Frisur verpassen lassen wollen, das hört man von so einigen. Jens Stöhrmann, Friseurmeister aus Dettingen, vergibt nach der Ankündigung der Wiederöffnung zum 1. März ebenfalls schon fleißig Termine: „Als kleiner Unternehmer hatte ich wie viele andere auch Zukunftsängste. Zum Glück habe ich aber einen verständnisvollen Vermieter, der mir in den vergangenen Monaten sehr entgegengekommen ist.“ Stöhrmann hat die vergangenen Wochen positiv genutzt: Er hat seinen Laden renoviert.