Ihre Forderung klingt radikal. Zwei Studenten der Universität Konstanz starten eine Petition mit dem Ziel, das Angebot der Mensa, die vom Studierendenwerk Seezeit betrieben wird, zu verändern. Es sollen schnellstmöglich nur noch pflanzliche Gerichte angeboten werden. Sollte man anderen vorschreiben, was sie essen dürfen?
Der Beweggrund für die Initiatoren, Alexander Zieger und Lena Sans, ist die Klimakrise. Sie würde es nötig machen, dass keine tierischen Produkte mehr gegessen werden. Eine pflanzliche Ernährung sei der größte positive Einfluss, den Einzelpersonen leisten könnten. Daher richten sie sich auch gleich an alle Mitglieder der Universität.

Rektorin findet Umstellung unterstützenswert
Die Rektorin der Hochschule, Katharina Holzinger, wird sogar direkt darum gebeten, sich vom Mensa-Konzept zu distanzieren, da es „nicht auf die aktuelle Klimakrise eingestellt“ sei, so der Wortlaut der Petition.
Auf SÜDKURIER-Anfrage antwortet Holzinger: „Eine Umstellung des Essensangebots auf hauptsächlich pflanzliche Ernährung ist grundsätzlich sinnvoll und unterstützenswert.“ In diesem Bereich habe sich in den vergangenen Jahres schon einiges getan: weniger Fleischgerichte, mehr vegetarische und vegane Angebote stünden auf dem Speiseplan.

Allerdings, fügt Holzinger hinzu, sei die Bereitschaft der Mensagäste, sich rein pflanzlich zu ernähren, noch lange nicht bei allen vorhanden. „Dennoch würde ich das Studierendenwerk Seezeit gerne ermutigen, weiter zu gehen“, schreibt Holzinger. Etwa mit veganen Tagen oder einer pflanzlichen Woche zu experimentieren.
Vorwürfe gegen das Studierendenwerk
Die Autoren der Petition erheben auch Vorwürfe gegen Seezeit: „Die Dringlichkeit wird nicht anerkannt“, heißt es. Dabei stehen die beiden Seiten bereits seit Monaten in Kontakt miteinander. Wie die Kommunikation aussieht, macht der E-Mail-Verlauf deutlich, der dem SÜDKURIER vorliegt.
Zunächst gab es einen Austausch zwischen den Studenten und dem Produktmanager Hochschulgastronomie des Studierendenwerkes, später zwischen den Studenten und Helmut Baumgartl, dem Geschäftsführer.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER reagiert Baumgartl gelassen auf die Petition. „Die Forderung ist für mich okay“, sagt er, die dürfe selbstverständlich gestellt werden. Und er nimmt sie ernst. Allerdings macht Baumgartl gleich deutlich: „Wir wollen den Studenten die freie Wahl lassen“, also weiterhin Gerichte mit und ohne Fleisch anbieten. Er habe stets im Blick, wie viele Gäste sich für welche Möglichkeit entscheiden. Wie bisher soll sich das Angebot der Mensa daran ausrichten.
Der Unterschied zwischen angebotenen und tatsächlich ausgegebenen Menüs liegt fast durchgängig im einstelligen Prozentbereich. Das zeigt die Auswertung von Seezeit für die Monate Januar bis Juli 2022.
Diese Zahlen zeigen, dass angebotene und tatsächlich ausgegebene Speisen sich nur im einstelligen Prozentbereich voneinander unterscheiden. Vegane und Vegetarische Menüs machen – sowohl im Angebot als auch in der Nachfrage – mehr als die Hälfte aus. Mindestens 30 vegane Speisen gibt es laut Baumgartl.
Den Trend habe man schon vor Jahren gespürt. Das Verhalten der Studierenden würde sich stetig ändern – und zwar hin zu mehr vegetarischer und veganer Ernährung. Daher werde das Angebot stetig ausgebaut und verbessert. Aber immer orientiert an dem, was die Gäste wählen.
Stetiger Prozess in der Mensa-Küche
Die Arbeit am Speiseplan der Mensa beinhalte auch, dass bei vegetarischen Menüs wenn möglich komplett auf tierische Produkte verzichtet wird. Etwa, indem einzelne Komponenten ausgetauscht werden, ohne dabei den Geschmack zu verändern.
Darüber hinaus würden neue Rezepte mit stärkerem Fokus auf frische Zutaten ausgearbeitet. Eine Menülinie sei zudem nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gestaltet.
„Wenn wir die Ernährung des Einzelnen betrachten, gibt es nichts, was gegen eine pflanzliche Ernährung spricht“, schreiben Zieger und Sans über die Folgen der Mensaumstellung. Die DGE dagegen zählt tierische Produkte und auch Fleisch als Teil einer vollwertigen Ernährung auf.
Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
Zustimmung zur Sache, Kritik am Vorgehen
Bisher haben rund 350 Menschen die Petition im Internet durch ihre Unterschrift unterstützt. Zur Einordnung: An der Universität Konstanz sind mehr als 10.000 Studierende eingeschrieben. Was denken sie über die Forderung? Die Studierendenvertretung gibt den Argumenten, die in der Petition genannt werden, grundsätzlich Recht. Das vegane Angebot sollte demnach weiterhin ausgebaut werden.
Kritik gibt es dagegen an der Vorgehensweise von Zieger und Sans: „Wo wir jedoch grundsätzlich widersprechen, ist die Art und Weise, wie der Wandel erfolgen soll“, heißt es in der schriftlichen Antwort des Vorstandes der Verfassten Studierendenschaft an den SÜDKURIER. Man wolle „keinen Wandel durch Konfrontation, Distanzierung und Ausschluss.“
Dass Seezeit alleine die Verantwortung zugeschoben werde, sei nicht richtig. Letztendlich hänge es von jedem einzelnen ab, sein Leben nachhaltiger zu gestalten.
Vorgeschriebene Ernährung für das Klima?
Im Petitionstext kritisieren Zieger und Sans, dass Seezeit sein aktuelles Angebot damit begründet, niemanden bevormunden zu wollen. Für die beiden Initiatoren besteht eine weit größere Bevormundung in den möglichen Folgen der Klimakrise. Warum sie ihr Ziel über vorgeschriebene Speisepläne, anstatt durch individuelle Überzeugung der Gäste erreichen wollen, beantworten sie auf SÜDKURIER-Anfrage nicht eindeutig.
„Wir alle müssen uns anpassen“, schreiben sie. Aufklärungsarbeit werde von Studierenden „seit Jahren geleistet“, allerdings schließe sich das Zeitfenster, um „die größten Schäden der Klimakrise abzuwenden“, so die Initiatoren der Petition.