So ein Rollentausch ist gar nicht übel. Zum Beispiel im Fall von Peter Müller-Neff. Der Mann kennt sich bestens aus, wenn es um zäh vorangehende Umsetzung von Projekten geht. Als Stadtrat der Freien Grünen Liste (FGL) gehört er qua Erfahrung und Alter (79) zu den Veteranen der Konstanzer Kommunalpolitik, in der etliche Pläne seit Langem in der Schublade liegen.
Prominente Beispiele dafür sind die Neugestaltung des Bahnhofplatzes oder des Döbele, die lange Vorlaufzeit fürs Hafner-Quartier oder für die Aufwertung des Stephansplatzes. Im Gestaltungsbeirat der Stadt geriet der FGL-Stadtrat nun jüngst selbst in die Rolle des gemeinen Konstanzers, der sich mehr Tempo wünscht.

Es ging um die Planung der Freien Waldorfschule, die vom derzeitigen Standort in der Robert-Bosch-Straße in die Nachbarschaft an der Fritz-Arnold-Straße umziehen möchte. Bei der Vorlage der Entwürfe geriet der Kreis aus Architekten, Vertretern der Stadtverwaltung sowie Delegierten der Gemeinderatsfraktionen gleichermaßen ins Schwärmen.
Dafür gibt es gute Gründe. Da ist zunächst die Umwandlung einer Industriebrache in einen ebenso zweck- wie zeitgemäßen Schul-Campus, von dem architektonisch und städtebaulich auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern reizvolle Impulse fürs gesamte Unterlohn-Quartier ausgehen dürften. Nach und nach soll die Bestandsbebauung durch vier teils miteinander verbundene Gebäude ersetzt werden, die einen einzügigen Schulbetrieb mit 13 Klassenstufen ermöglichen.
Entzücken über die Ideen für die Waldorfschule
Neben dem eigentlichen Schulgebäude sieht das Vorhaben im Endausbau einen Glastrakt unter anderem für den Sportunterricht, ein Werkhaus sowie einen Hort vor. Mit den Ausblicken aufs Wollmatinger Ried, der Begehbarkeit eines Daches samt Spielflächen sowie den mit viel Grün und nachhaltigen Materialien gestalteten Freiräumen werden Naturerfahrungen mit entsprechend ausgerichteter Pädagogik ermöglicht.
Allein das Lesen des Masterplans atmet eine ganz andere Atmosphäre als die von kalkiger Kreide, feuchtem Schwamm und gebohnerten Böden. Kein Wunder, dass die begutachtenden Architekten auch sprachlich in ein geradezu feuilletonistisches Entzücken gerieten.

Peter Müller-Neff fasste das Ganze bürgernah zusammen und verband seine Stellungnahme mit dem Wunsch, dass man doch lieber heute als morgen voran machen sollte. Doch so schnell wird‘s nicht gehen, wofür es laut der Schule als Bauherrin und dem von ihr beauftragten Architekten zwei Gründe gibt.
- Erstens müsse der Schulbetrieb in den Bestandsgebäuden weiter laufen, weshalb man peu à peu nach der Methode „umziehen – abreißen – neu bauen“ vorgehe.
- Zweitens aber fehlt dem freien Schulträger schlicht und ergreifend das Geld für die flotte Umsetzung des Vorhabens.
Umsetzung könnte fast drei Jahrzehnte dauern
Konkret könnte sich die Konversion der ehemaligen Industriebrache deshalb über eine Spanne von 30 Jahren hinziehen. In dieser Zeit dürften sich sowohl die pädagogischen Anforderungen als auch die architektonischen Erwartungshorizonte ändern – eine Not, aus der die Bauherrin eine Tugend macht. Es biete sich dadurch eine Mitgestaltungsmöglichkeit für nachfolgende Generationen, was dem Projekt insgesamt eine dynamische Note verleiht.
So elegant diese Formulierungen aber auch daherkamen: Nach dem Geschmack von Peter Müller-Neff, der übrigens bis zu seiner Pensionierung als Lehrer tätig war, dürfte die lange Umsetzungsphase nicht sein. Gut vorstellbar indes, dass er in seiner Rolle als Stadtrat die Argumentation übernimmt – zum Beispiel beim Bahnhofplatz oder dem Döbele, Hafner und Stephansplatz. Da gibt es ebenfalls sehr schöne Pläne. Was fehlt, ist das Geld.