Plötzlich ertönt ein lautes Geräusch durch den Garten von Silvia Minde. Nein, es ist nicht das Horn eines Schiffes. Ganz unwahrscheinlich ist das allerdings nicht. Immerhin wohnt Minde in Wallhausen. Und dieser Konstanzer Stadtteil liegt direkt am Bodensee – genauer gesagt am Überlinger See. Doch was ist das dann für ein Geräusch? Es ist ein Schnattern. Die Frau mit den langen blonden Haaren zeigt hinter sich. „Das kommt von Gnadenhof, der hier in Wallhausen ist“, sagt sie.

Auf dem Gnadenhof in Wallhausen finde alte Tiere nochmal ein schönes zu Hause.
Auf dem Gnadenhof in Wallhausen finde alte Tiere nochmal ein schönes zu Hause. | Bild: Jana Mantel

Silvia Minde wohnt versteckt. Ihr Haus zu finden, ist nicht so einfach. Aber genau das liebt sie. Sie ist mitten im Grünen und doch gibt es hier alles, was sie zum Leben braucht. Genau das prägt den Stadtteil Wallhausen, in dem 1129 Menschen leben. Er befindet sich etwa zehn Kilometer entfernt von der Kernstadt Konstanz. Idyllisch gelegen zwischen Überlinger See, dem Bodanrück und einem Waldstück, der zum Burghof (heute eine kleine Wirtschaft mit Herberge) und zur Marienschlucht führt. Traumhaft schön ist es hier.

Der Burghof bei Wallhausen.
Der Burghof bei Wallhausen. | Bild: Reinhardt, Lukas

Ein Vorort mit vielen Touristen

Leben wo andere arbeiten – oder gar Urlaub machen? Das scheint Wallhausen gut zu beschreiben. Aber wer lebt hier zwischen all den Touristen? Wie sehen Erika oder Max Mustermann von Wallhausen überhaupt aus? Wenn Silvia Minde über ihre Nachbarn nachdenkt, zuckt sie mit den Schultern. „Meine direkten Nachbarn sind sehr unterschiedlich“, erklärt sie. Aber nicht jeder, den sie auf den Straßen in Wallhausen begegne, wohne auch dort. „Wallhausen ist ein Touristenort“, sagt sie. Vor allem im Sommer würden einem unbekannte Gesichter begegnen.

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Aber es gibt sie – die Mustermanns. Zumindest wenn man sich die Daten der Statistiken der Stadt Konstanz ansieht. In ihren Auswertungen zu den Konstanzer Stadtteilprofilen 2022 wird deutlich: Erika Mustermann ist 44,9 Jahre alt. Sie wohnt vermutlich alleine – 51,8 Prozent der Einwohner leben in einem Ein-Personen-Haushalt. Daher überrascht es auch nicht, dass nur 30,4 Prozent der Wallhauser verheiratet sind.

Bild 3: Typisch Konstanz! Leben in Wallhausen überhaupt Bürger? Oder ist das nur ein Touristen-Hotspot?
Bild: Schönlein, Ute

Ein ebenfalls interessanter Punkt über Wallhauser: Sie sind die Einwohner mit einer stark ausgeprägten Kaufkraft. Sprich: Wahrscheinlich haben viele Bürger einen gutbezahlten Job und entsprechend viel Geld auf der hohen Kante.

Aber was davon trifft auf Silvia Minde zu? Was sie am deutlichsten von der statistisch errechneten Wallhauserin unterscheidet, ist ihr Alter. Sie ist erst 33 – über zehn Jahre jünger als Herr oder Frau Mustermann. „Ja, es stimmt schon. Die meisten meiner Bekannten sind älter. Auch mein Freund, der mit mir zusammenlebt. Er ist 44“, erzählt sich. Damit liegt ihr Lebenspartner fast im Durchschnitt.

Einen Ehering trägt Minde nicht. Sie und ihr Freund sind nicht verheiratet, haben auch keine Kinder zusammen. Auch das passt. In Wallhausen werden pro Jahr (auf 1000 Einwohner gerechnet) nur acht Kinder geboren. Damit der Stadtteil unter dem Durchschnitt der Stadt (9,4).

Leben in Wallhausen wenig junge Familien?

Wallhausen scheint daher nicht unbedingt ein Familienort zu sein. Denn auch ein Großteil der Wallhauser ist nicht verheiratet. 495 der über 18-jährigen Einwohnern sind vor den Traualtar getreten. 21 Prozent (339 Bürger) der über 18-Jährigen geben an, ledig zu sein.

Ganz offiziell nicht mehr in einer Ehegemeinschaft leben in Wallhausen nur wenige – genau genommen haben sich 82 Männer und Frauen (5 Prozent) scheiden lassen. Verwitwet sind noch weniger. Nur 67 Einwohner (4,1 Prozent) haben ihren Ehepartner durch Tod verloren. Die meisten Witwen und Witwer gibt es übrigens in Fürstenberg. Dort leben 701 Menschen, bei denen der Tod die Paare geschieden hat.

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In Wallhausen wohnen nach den Auswertungen der Stadt eher ältere Semester. Das ist auch der Eindruck von Minde. „Jüngere Menschen, die hier wirklich wohnen, trifft man eher selten“, berichtet sie von ihrer Erfahrung. Im Sommer könne dieser Eindruck aber trügen. Viele Jüngere, besonders Kinder, würden Silvia Minde rund ums Strandbad begegnen. Aber ob das Kinder aus dem Ort oder von woanders seien, könne man nicht sagen. Sie vermutet, dass es sich eher um Auswärtige handelt. „Wallhausen ist eben ein Touristenort“, erklärt sie.

Das passt auch zu einer Beobachtung, die die 33-Jährige immer wieder im Sommer macht. „Wenn man unten am Hafen steht, dann fährt ein Auto mit schwäbischen Kennzeichen nach dem anderem an einem vorbei“, erzählt sie. Viele Wohnungen in Wallhausen seien nicht von Einheimischen bewohnt, sondern entweder von Feriengästen oder Menschen, die dort ihren Zweitwohnsitz haben. „Wenn im Winter durch den Ort läuft, sind viele Rollläden unten“, erzählt sie.

Die Wallhauser können sie mehr leisten

Und genau dieser Umstand lässt Minde vermuten, das hier der „Reichtum“ einiger Wallhauser begründet liegt. Viele Eigenheimbesitzer, die in der ersten oder zweiten Seereihe ein Haus haben, vermieten in der Hochsaison Ferienwohnungen. Offiziell gibt es laut Aussage der Stadt in Wallhausen-Dettingen aber nur 34 Ferienunterkünfte – aber es dürfte noch eine Dunkelziffer geben.

Der Barbarossabrunnen in Wallhausen erinnert an den hohen Besuch des Kaisers im Jahr 1187.
Der Barbarossabrunnen in Wallhausen erinnert an den hohen Besuch des Kaisers im Jahr 1187. | Bild: Steinert, Kerstin

Minde selbst wohnt zur Miete. Seesicht hat sie nicht. „Leider steht uns da ein Haus im Weg“, sagt sie und lacht. Seesicht, ja, das wäre auch schon schön. Aber eine Wohnung mit der entsprechenden Sicht sei ihr dann doch zu teuer. Denn sie selbst zähle sich nicht zu den Wallhausern, die sich durch eine überdurchschnittliche Kaufkraft auszeichnen. Sie liegt bei 115,5 – für Konstanz liegt sie bei 100. Damit sind die Bürger von Wallhausen mit die Einwohner, die am meisten Geld zur Verfügung haben. Nur Litzelstetten mit einem Wert von 118,8 kann das noch toppen.

Erst im April hat sich die eigentlich gelernte Bürokauffrau selbstständig gemacht. Sie betreibt mit Manuel Kress, der auch in Wallhausen wohnt, das Restaurant Terrasse in Dingelsdorf. Deshalb zieht Minde auch gerne einen Vergleich zum Nachbarort. Dieser Stadtteil ist fast doppelt so groß (2056 Einwohner), auch die Dynamik sei dort eine andere. „Da gibt es für mich eine stärkere Dorfgemeinschaft“, findet sie.

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Die Wahlhauserin glaubt, das liege daran, dass es dort eine bessere Infrastruktur im Ort gebe. Wallhausen sei doch sehr auf den Tourismus bedacht. In Dingelsdorf gebe es zwar auch einen Campingplatz. Aber dadurch, dass der Ort an sich größer sei, würden die Touristen nicht so sehr auffallen.

„Im Winter ist Wallhausen tot“

Anders sei das in Wallhausen. Im Sommer sei viel los. „Im Winter ist Wallhausen tot“, sagt sie aber. Ist der Teilort dann wirklich so ausgestorben? Oder anders gefragt: Wie viele Menschen segnet in Wallhausen im Jahr das Zeitliche? Tatsächlich sind es relativ viele: 2022 sind dort 15 Personen verstorben – auf 1000 Einwohner gerechnet sind das 13,3 Bürger. Deutlich mehr als für ganz Konstanz. Da sind es nur 9,9.

Auch in einem anderem Bereich sticht Wallhausen hervor: Dort gibt es sehr viele private Autos. 64,7 Prozent (636 Fahrzeuge) der über 18-Jährigen ist im Besitz eines Autos. Auch Silvia Minde hat ein Auto. „Hier braucht man das auch. Zwar fährt hier auch ein Bus, aber trotzdem ist man hier sehr abgeschieden“, sagt sie. Auch ihr Freund habe als selbstständiger Handwerker einen Dienstwagen. Allerdings zählt dieser nicht in die Statistik der Stadtprofile von Konstanz.

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Silvia Minde wird etwas ruhiger. Einige Punkte treffen tatsächlich auch auf sie zu. Als eine Erika Mustermann sehe sie sich aber nicht wirklich. „Ich wohne gerne in Wallhausen. Lieber als in der Stadt“, sagt sie. Denn woran sie wirklich gefallen gefunden hat, sind die Geräusche. Zum Beispiel das Schnattern der Gans vom Gnadenhof. „In Petershausen habe ich das nicht“, sagt sie und lächelt.