Der Arm wird ausgestreckt. Das Lächeln wird breiter. Olga Sadova aus Aschaffenburg sieht sich in ihrem Handy-Display. Im Hintergrund dreht sich langsam die Imperia. Gleich ist es so weit: Die Imperia blickt genau in ihre Richtung. Die Bodensee-Urlauberin drückt auf den Auslöser am Handy. Klick! Das Foto ist im Kasten. Es ist die perfekte Erinnerung an ihren Aufenthalt in Konstanz. Sie zusammen mit einer der bekanntesten Kurtisanen Europas!

Die Imperia, die an der Konstanzer Hafeneinfahrt steht, ist schon lange das Wahrzeichen der Stadt Konstanz. Und jetzt hat sie ganz offiziell einen „Berufswechsel“ vollzogen: von der umstrittenen Kurtisane, die den Papst in der einen, und den Kaiser in der anderen Hand hält, zum Kulturdenkmal unter Denkmalschutz. „Vielleicht wird sie in ein paar Jahren seliggesprochen“, sagt Peter Lenk, der Schöpfer der Hafenschönheit.
Ein Symbol für Lust und Frieden
Aber bevor es zur Seligsprechung kommt, erstmal zur aktuellen Adelung. Seit Freitag, 23. August, trägt die neun Meter große und 18 Tonnen schwere Frau diesen neuen Titel. „Es freut mich natürlich. Das ist schon eine Anerkennung“, sagt der Künstler gegenüber des SÜDKURIER am Telefon. „Auch die Erklärung, die der Denkmal-Chef in Stuttgart gibt, hat mir gut gefallen“, sagt der Künstler weiter.
Der Chef des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium in Stuttgart heißt Claus Wolf. Er lobt die kreative Umsetzung mit Tiefgang: „Während die am atlantischen Weltmeer aufgestellte New Yorker Columbia (Anm. d. Redaktion: Die Rede ist von der Freiheitsstatue) die politische Freiheit der liberalen Demokratie garantiert, steht die Imperia am kleinen innereuropäischen Binnenmeer, dem Bodensee, für die Freiheit natürlicher Liebe oder wenigstens die Sehnsucht danach.“ So urteilt der Experte in der offiziellen Pressemitteilung der Stadt Konstanz und des Landes.
Lenk findet: Diese Zusammenfassung trifft den Nagel auf den Kopf. „Man kann auch sagen, sie verkörpert Lust und Frieden“, ergänzt der Bodmaner Bildhauer. Seit über 30 Jahren dreht die Imperia nun mit dieser Botschaft ihre Runden und präsentiert dabei ihre Rundungen.

Lust und Frieden. Zwei sehr menschliche Bedürfnisse, die noch vor 31 Jahren ursächlich für die eine oder andere „Hitzewallung“ in Konstanz war. So berichtete der SÜDKURIER am 10. März 1993, gut sechs Wochen vor der Enthüllung, dass das „neueste Projekt des Bodmaner Bildhauers Peter Lenk für erste Hitzewallungen bei Konstanzer Kommunalpolitikern“ sorgte.
Ein Reizthema im Gemeinderat
Ein übergroßes, vollbusiges, leicht bekleidetes Freudenmädchen vor den Toren der Stadt, direkt vor dem Konzil, mit Papst und Kaiser in der Hand: Das war einigen Gemeinderäten und Konstanzern zu viel! Die Imperia war ein Reizthema im Gemeinderat und im Kulturausschuss.
Wolfgang Müller-Fehrenbach, der damals CDU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat war, erinnert sich an die lebhaften Diskussionen. „Wir wussten nicht wirklich, was für eine Figur dort hinkommt“, sagt er.

Was die Gemeinderäte wussten: Sie soll direkt am Hafeneingang stehen. Wer mit dem Schiff nach Konstanz einfährt, wird als Erstes die Statue erblicken. „Wir haben empfohlen, die Figur eigentlich in Klein Venedig aufzustellen. Wir wollten lieber ein weites Panorama auf die Stadt. Ganz links die Imperia, dann das Bahnhofsgebäude, gefolgt vom Konzil, über das Münster bis hin zum Inselhotel“, sagt Müller-Fehrenbach. Es sei bei der Diskussion nie um die Figur selbst gegangenen.
Doch wirklich mitbestimmen, was und wo im Hafengebiet aufgestellt werden würde, konnten die Stadträte nicht. Denn: Der Sockel des ehemaligen Leuchtturms am Hafeneingang gehörte damals nicht der Stadt, sondern war Eigentum der Bundesbahn.

Verhindern konnte den Einzug der Frauenfigur niemand. Am 24. April 1993 war es dann so weit: Feierlich wurde die Dame, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Künstler aufgestellt worden war, der breiten Öffentlichkeit präsentiert.
Ein satirisches Wahrzeichen
Nun, nach drei Jahrzehnten, ist die Imperia aus dem Konstanzer Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Das sagt auch Norbert Henneberger. Zum Zeitpunkt der Enthüllung der Imperia war er der Chef der Konstanzer Touristeninformation. „Aus Marketing-Sicht ist die Imperia und die kontroversen Diskussionen um sie ein echter Segen für die Stadt“, sagt er.
Kein Wunder also, dass sich die Imperia schnell zum Wahrzeichen der Stadt empor gearbeitet hat. „Die Imperia ist nicht nur ein Wahrzeichen unserer Stadt, sondern auch ein Symbol für ihre weit zurückreichende, bewegte Geschichte. Sie erinnert uns an das Konzil von Konstanz“, wird Konstanz Oberbürgermeister Uli Burchardt in der Pressemitteilung der Stadt zur Ernennung der Imperia zum Kulturdenkmal zitiert.
Ja, die Hafenschönheit sei ein Wahrzeichen für Konstanz. Sie sei in ihrer Art einzigartig, sagt Peter Lenk. „Die Imperia ist ein satirisches Wahrzeichen. Das sind Wahrzeichen eigentlich nie. Sie sind entweder pathetisch oder abstrakt. Aber die Satire deckt auf, was der Pathos abdecken will. Und das passt Kirche und Staat nicht“, erklärt der Künstler.
Die Imperia verzieht nun schon seit 31 Jahren keine Miene. Sie wird auch weiterhin stoisch Papst und Kaiser in den Händen halten. „1,6 Millionen Menschen kommen jährlich nach Konstanz und schauen sich die Imperia an und spülen dabei Geld in die Kassen. Und wenn nochmal eine Million mehr kommen und Geld bringen, wird die Imperia vielleicht noch seliggesprochen“, scherzt Lenk. Was für eine Karriere: Von der Kurtisane, zum Kulturdenkmal und schließlich vielleicht noch zur Stadtheiligen.