Levin Stracke und Tommy Spörrer gehen mit dem Konstanzer Weihnachtsmarkt neue Wege: Erstmals stellen die Veranstalter flächendeckend auf Mehrweggeschirr um. Während sie schon seit vielen Jahren ein Pfandsystem für Porzellantassen haben, kommt nun ein zweites für Behälter und Besteck dazu.
„Wir sind schon seit zwei, drei Jahren am Thema Mehrweggeschirr dran“, sagt Tommy Spörrer von Event Promotions, der mit Levin Stracke und Frank Schuhwerk den Weihnachtsmarkt ausrichtet. „Aber erst im Februar 2024 haben wir einen Anbieter gefunden, der unsere Bedürfnisse erfüllen kann.“ Dass die Stadt Konstanz zum 1. Januar 2025 die Verpackungssteuer einführt, habe dem Thema nochmal einen Anstoß gegeben.
Tommy Spörrer freut sich, „dass wir in Sachen Nachhaltigkeit auf Weihnachtsmärkten vorangehen können“. Denn der Konstanzer Markt, der in diesem Jahr vom 28. November bis 23. Dezember stattfindet, sei bundesweiter Vorreiter mit dem Umstieg auf Mehrweggeschirr. Als Anbieter fanden die Veranstalter die Firma Vytal mit Sitz in Köln.

Das neue Konzept sieht vor, dass es künftig zwei Pfandsysteme gibt: Das herkömmliche für die Weihnachtsmarkttassen bleibt bestehen. Zusätzlich wird das neue Modell eingeführt. Hier kostet das Pfand für Schüsseln und Teller je zwei Euro, für Besteck einen Euro. Die Kunden können das Mehrweggeschirr an allen gastronomischen Ständen wieder abgeben. „In jedem Teil steckt ein Chip, mit dessen Hilfe es den einzelnen Händlern zugeordnet werden kann“, erklärt Tommy Spörrer.
Jeder Anbieter von Essen bestellt für sich selbst die nötige Tagesmenge an Mehrweggeschirr. Vytal rechnet hoch, wie viele Teller, Messer, Löffel und Gabeln für den gesamten Markt benötigt werden. „Drei große Container im Stadtgarten dienen als Logistikzentrale“, erklärt der 45-Jährige. Dort können die Gastronomen Nachschub holen, aber auch gebrauchtes Geschirr wieder abgeben – und zwar in großen Boxen mit bis zu 500 gestapelten Schüsseln. Die Boxen werden gescannt, damit am Ende das Pfand verrechnet werden kann.
Dreckiges Geschirr wird nach Stuttgart gebracht
Und dann wird alles auch in der Logistikzentrale gespült? „Nein“, sagt Levin Stracke. „Etwa einmal in der Woche wird das ganze dreckige Geschirr und Besteck mit einem großen Lastwagen nach Stuttgart gefahren, dort gespült und dann zurückgebracht.“ Die Klimabilanz sei trotzdem noch besser als bei Einweggeschirr und bei essbaren Tellern.
Letztere hätten sich nicht bewährt. „Die Mülltrennung bei essbarem Geschirr ist schwierig, letztlich landete es doch im Restmüll. Wirklich essen will es auch kaum jemand. Außerdem wird das aus Lebensmitteln hergestellt und dann doch weggeworfen, das ist auch nicht nachhaltig“, sagt Stracke.

Das Mehrweggeschirr, das in diesem Jahr zum Einsatz kommt, sei zwar aus Plastik, überstehe aber 300 bis 400 Spülgänge. „Porzellan ist keine Alternative“, ergänzt Tommy Spörrer. „Das ist im Winter zu kalt und es hat keinen Sinn, Energie in Tellerwärmer zu stecken.“
Ob die Kunden das neue Pfandsystem annehmen, müsse sich zeigen. „Die Leute müssen jetzt halt zweimal an den Stand kommen: zum Kauf und zur Rückgabe des Geschirrs“, sagt Tommy Spörrer. Das stelle auch einen Mehraufwand für die Gastronomen dar, sowohl logistisch als auch finanziell.
„Das Mehrwegsystem ist für die Händler erstmal teurer als Einweggeschirr, aber günstiger als die Verpackungssteuer“, sagt Tommy Spörrer. „Und sie müssen sich teilweise auch auf neue Maße und Verkaufsmengen einstellen und ihre Preise neu berechnen.“ Wie ist die Stimmung unter den Gastronomen?
„Viele sehen den Aspekt der Müllvermeidung, andere fragen sich, wie sie neben dem Tassenpfand ein zweites System im Hochbetrieb hinbekommen“, sagt Spörrer, fügt aber an: „Längst nicht alle Anbieter von Essen haben auch Getränke, sodass dieses Doppelpfandsystem nur wenige betrifft. Außerdem können Händler, die eine Wurst verkaufen, diese auch mit einer Serviette mitgeben und benötigen nicht unbedingt Mehrweggeschirr.“
„Im Stadtgarten ist zu wenig Strom vorhanden“
Den Weihnachtsmarkt-Organisatoren ist es wichtig, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Deshalb bieten sie Busparkplätze in der Nähe sowie Radstellplätze an und arbeiten mit der SBB (Seehas) zusammen. „Wir haben seit zwei Wochen das Zertifikat Green Event Baden-Württemberg“, sagt Levin Stracke. „Jahrelang bekamen wir das aber nicht.“
Gescheitert war die Zertifizierung bislang an einem Kriterium: Der Weihnachtsmarkt muss mit 100 Prozent Ökostrom betrieben werden. „Den beziehen wir zwar von den Stadtwerken, aber im Stadtgarten ist zu wenig Strom vorhanden“, sagt Levin Stracke. Die Spitzen zur Mittagszeit und am Abend mussten die Betreiber deshalb in den vergangenen Jahren mit einem Diesel-Aggregat überbrücken.

„In diesem Jahr greifen wir erstmals auf einen Anhänger mit Batteriespeicher zurück“, so Stracke. „Aber manche Gastronomen im Stadtgarten kochen auch noch mit Gas, weil der Strom nicht reicht. Es müssen ja auch Spülmaschinen für die Tassen betrieben werden.“
Die Veranstalter seien mehrfach auf die Stadtwerke zugegangen mit der Frage, ob das Unternehmen im Stadtgarten eine bessere Infrastruktur zur Verfügung stellen könne. „Wir würden uns auch finanziell daran beteiligen“, sagt der 42-Jährige.

Der Ball liegt jetzt bei der Stadt
Eine Nachfrage bei den Stadtwerken Konstanz ergibt: „Es ist unerlässlich, eine neue Trafostation im Stadtgarten zu errichten. Dazu haben die Stadtwerke bereits Gespräche geführt. Wir haben klare Vorstellungen, wie wir das technisch lösen könnten“, sagt Pressesprecher Josef Siebler.
„Das Konzept steht, aber die Stadt ist Eigentümerin der Parkanlagen und vermietet den Platz. Daher muss die Stadt entscheiden, was umgesetzt wird und ob sie die Trafostation finanziert. Denn sie würde ausschließlich der Versorgung des Festplatzes dienen“, sagt Siebler.
Laut der städtischen Pressestelle laufen zwar Abstimmungen zwischen der Verwaltung und den Stadtwerken. Sehr konkret ist das Projekt Trafostation im Stadtgarten aber nicht: „Es handelt sich bisher nur um eine Grundlagenplanung, daher liegen auch noch kein konkreter Zeitpunkt zur Errichtung und keine verbindliche Kostenschätzung vor“, so Pressesprecherin Elena Oliveira.