Thomas Martin ist verzweifelt. Er wohnt nahe dem Seeufer am Schänzle. Kaum ist das Wetter schön, ziehen auch die Feiernden an den Seerhein und mit ihnen Musikboxen. Dann habe er ständig das Bum-Bum der Bässe in den Ohren. „Das knallt alles direkt an die Hauswände“, sagt Martin. Er könne wegen des Lärms oft mehrmals die Woche nicht schlafen.
Thomas Martin und Michael Scholtz von der Lärmschutzinitiative in Konstanz (LINK) fordern Rücksicht und den Schutz der Nachtruhe. Sie beklagen: Die Stadt mache zu wenig, um die Einhaltung der Ruhezeiten durchzusetzen. Sie haben Vorschläge, wie es besser gehen könnte – damit Freiräume in der Stadt wieder für die Naherholung wahrgenommen werden.
Thomas Martin sagt, er habe den Eindruck, dass der Lärm am Seeufer zugenommen habe. „Das ist massiv geworden. Auch an Dienstagen oder Mittwochen.“ Auch das Aufkommen von Besuchern wachse, die sich daneben benehmen. „Das sind echte Saufzonen“, meint er. Immer, wenn er sich bei Gruppen wegen des Lärms beschwere und sie ermahne, die Nachtruhe einzuhalten, bekomme er zu hören, das hätten sie nicht gewusst.
Dabei stehen am Schänzle riesige Schilder mit dem Vermerk, man möge Rücksicht auf die Anwohner nehmen, und dass ab 22 Uhr Nachtruhe herrscht. Thomas Martin hat dafür gekämpft, dass diese überhaupt aufgestellt wurden. „Jeder, der einigermaßen Hirn unter der Schädeldecke hat, weiß, dass in den Häusern jemand wohnt.“ Die Nachtruhe ab 22 Uhr ist für ihn ein Muss. „Wir haben harte Jobs. Wir müssen schlafen können“, stellt Thomas Martin für sich und andere Anwohner fest. Nur an die Rücksicht zu appellieren, genüge nicht. Michael Scholtz sieht einen Zuwachs an Lärm an allen öffentlichen Plätzen und Parks der Stadt Konstanz.
Das sagt die Polizeiverordnung
Er und Michael Scholtz fordern eine Formulierung in der Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt Konstanz, die keinen Interpretationsspielraum zulässt. Scholtz, der Vorsitzende der LINK, nennt die Polizeiverordnung der Stadt Freiburg als Beispiel. Dort heißt es: „Die Nachtruhe in der Stadt Freiburg i. Br. dauert von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr. In dieser Zeit sind alle Betätigungen verboten, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören.“
In Konstanz wird auch auf die Nachtruhe verwiesen, aber mit Einschränkungen: „Es ist verboten, in der Zeit von 22.00 – 06.00 Uhr die Nachtruhe anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar zu stören, soweit nicht spezialgesetzliche Bestimmungen Anwendung finden.“ Weiter heißt es: Während der Nachtruhe sei es an den See- und Seerheinufern verboten, im Umkreis von 50 Metern zu bewohnten Gebäuden Ton-Geräte zu betreiben oder Musikinstrumente zu spielen. „Dies gilt nicht, wenn die Benutzung so leise geschieht, dass die Nachtruhe anderer Personen dadurch nicht gestört werden kann.“
Für Martin und Scholtz ist das nicht scharf genug formuliert. Der Feiernde gehe immer davon aus, dass er andere nicht störe, egal wie laut er sei. Das andere Ärgernis seien die Kontrollen. Beide sind der Ansicht, dass nicht hart genug durchgegriffen werde. Scholtz stellt fest, an Wochenenden komme es gehäuft zu Lärmbelästigungen.
Martin sagt: „Ich verstehe nicht, warum die Stadt das zulässt.“ Im Zweifel wisse der Bürger nicht, wo er einen Ansprechpartner findet. Bei der Polizei habe dieser schlechte Karten. „Die Lärmbelästigung hat für die Polizei unterste Priorität. Es gibt so viele Ruhestörungen, die können dem gar nicht nachkommen“, sagt Thomas Martin. Einen direkten Draht von Anwohnern zum Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) gebe es nicht.
Der KOD kontrolliert
Tatsächlich sind die Aufgaben zwischen Bürgeramt, dem Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) und der Polizei geteilt. Auf Anfragen heißt es von Seiten von Anja Fuchs, Pressesprecherin der Stadt Konstanz: Zu den üblichen Arbeitszeiten könnten sich Bewohner ans Bürgeramt wenden und abends sowie nachts an die Polizei.
Diese stehe wiederum mit dem KOD in Verbindung, der in der Hochsaison auch abends und nachts unterwegs ist. Die Polizei, so Fuchs, informiere den KOD über Beschwerden und stimme sich mit diesem ab. Erst im Juni 2021 wurde der KOD von fünf auf sieben Personen aufgestockt, um die Kontrollen durch die Polizei zu ergänzen und zu verstärken.
Und was für Erfolge hat der KOD vorzuweisen? Anja Fuchs schreibt: „Das illegale Grillen wurde weitgehend unterbunden. Die Nutzung von Bluetooth-Boxen in der Nähe von Wohngebäuden ist zu nächtlicher Stunde reglementiert und wird im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten auch kontrolliert.“ Beim Erlass von Verordnungen zum Thema Lärm schreibt Anja Fuchs: Es handle sich um Abwägungen zwischen den Interessen der Anwohner und den Nutzern des öffentlichen Raums.
Lärmschutz muss warten
Die Polizei sagt: „In erster Linie kümmert sich der Ordnungsdienst der Stadt um den Lärm am Seerhein.“ Seien die Kollegen nicht mehr im Dienst, komme die Polizei ins Spiel. Es könne dann sein, dass sie zur Ruhe ermahne, Anzeigen fertige oder in Ausnahmefällen auch mal eine Musikbox beschlagnahme. Polizeisprecherin Katrin Rosenthal teilt aber auch mit, dass der Lärmschutz warten müsse, wenn die Polizei für andere Aufgaben benötigt werde: „Das kommt immer auf das Gesamteinsatzgeschehen an – je nachdem dauert es eben auch mal länger, bis ein Einsatz in Sachen Ruhestörung bedient werden kann.“
Die Polizei rät: Betroffene sollten zunächst versuchen, mit dem Verursacher des Lärms selbst in Kontakt zu treten und um Ruhe zu bitten. Sollte das nicht fruchten, könnten sie sich ans örtliche Polizeirevier wenden, nicht aber die Notfallnummer wählen. „Ein Notfall ist eine Ruhestörung oder eine Lärmbelästigung nicht – in solchen Fällen ist das örtlich zuständige Polizeirevier der direkte Ansprechpartner.“