Es ist wieder die Quagga-Muschel, die Bedenken weckt. Als invasive Art breitet sie sich seit einigen Jahren rasant im See aus. Sie filtriert das Wasser, wodurch es klarer wird, raubt dadurch aber auch Fischen und anderen Lebewesen die Nahrung.

Sie setzt sich an allen möglichen Oberflächen im See fest, die teilweise für viel Geld gereinigt werden müssen. Und sie könnte dafür sorgen, dass die Seewärme-Projekte, die derzeit um den Bodensee geplant werden, ungeahnte Auswirkungen auf das Gewässer haben.

„Bei einer Anlage hätte ich gesagt: Was soll‘s? Aber wenn alle mitmachen...“, sagt Frank Peeters. Er ist Professor für Umweltphysik an der Universität Konstanz, sein Büro befindet sich im Limnologischen Institut direkt am Bodenseeufer in Konstanz-Egg. Hier untersucht er unter anderem die Bewegungen des Wassers und die Methanproduktion des Sees – momentan interessiert er sich für die Seethermie und hat dazu einige Berechnungen angestellt.

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Plankton könnte Schaden nehmen

Ein Fazit seiner Überlegungen: „Die Energiequelle ist gigantisch.“ Der Bodensee biete also genug Potenzial, um die Häuser von einer Million Menschen zu heizen. Aber um die Anlagen komplett frei von Quagga-Bewuchs zu halten, müssten engmaschige Filtersysteme verbaut werden.

Peeters Sorge: Sollen auch die winzigen Larven der Quaggas aus den Seewärme-Anlagen ferngehalten werden, würde an den Filtern auch Zooplankton und größeres Phytoplankton hängenbleiben, was zu einer Veränderung des Nahrungsnetzes führen könnte.

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Wenn nun zahlreiche Gemeinden am Ufer auf Seethermie setzen, könnten die vielen sterbenden Kleinstlebewesen Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Wie die Anlagen konkret gestaltet werden, ist aktuell aber schwer herauszufinden. Die meisten Projekte sind noch nicht ausgereift und werden erst allmählich in den Gemeinderäten beschlossen – so etwa in Meersburg.

Von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) heißt es auf Anfrage daher: „Wir haben bisher nur wenige Informationen zur Verwendung von Feinfiltern in Anlagen zur thermischen Nutzung am Bodensee und können entsprechend zu den Auswirkungen auf den See keine Aussagen treffen.“

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Die LUBW-Pressestelle verweist aber auf einen Fernsehbeitrag des SRF über die Seewärme-Anlage an der Universität Lausanne in der Schweiz. Hier wird der Campus mit Wasser aus dem Genfer See geheizt und gekühlt. Mittlerweile ist die Anlage wegen der Quagga-Muscheln allerdings weniger effizient.

Es werden Bilder von Filtern gezeigt, die komplett von ihren Schalen besetzt sind. Von einer „Sisyphusarbeit“ ist die Rede, um die Filter zu reinigen, einmal alle drei Wochen sei das notwendig. Zurück an den Bodensee, wo von der Universität Lausanne gelernt werden könnte.

Das ist in der Schweiz geplant

Vorreiter gibt es hier ebenfalls in der Schweiz: Die Gemeinde Gottlieben am Seerhein will noch dieses Jahr mit dem Bau einer Seethermie-Anlage beginnen. Marcel Stofer vom Thurgauer Energieversorger EKT gibt auf Anfrage Auskunft, wie die dortige Anlage aussehen soll.

Demnach erfolge die Filtrierung üblicherweise in zwei Stufen. Dort, wo das Wasser über einen Ansaugkorb entnommen wird, werde es zunächst grob filtriert. An einem späteren Punkt im System komme dann die Feinfiltrierung, etwa über „Rückspülfilter bei Seewasserpumpen“, so Stofer. Aber: „Trotz verschiedener Maßnahmen kann das Eindringen von Muschellarven nicht verhindert werden.“

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In Gottlieben wird also Quagga-Bewuchs nicht gänzlich vorgebeugt, vielmehr versuchen die Verantwortlichen, mit ihm umzugehen – also so wie in Lausanne. Durch hohe Fließgeschwindigkeiten, den Einsatz bestimmter Materialien sowie geeignete Wärmetauscher soll versucht werden, den Quagga-Bewuchs einzugrenzen, so Stofer.

Mit sogenannten Molchsystemen sollen die Rohre gereinigt werden, Bauteile sollen bei zu starkem Befall ersetzt werden. Frank Peeters Sorgen bezüglich zu Schaden kommender Kleinstlebewesen wären in diesem Fall unbegründet. In jedem Fall sind die Quaggas aber ein wichtiger Faktor, mit dem die Projektierer planen müssen.