Dani wirkt tatsächlich ein bisschen berührt. Da steht er nun auf der größten Bühne des Campus-Festivals, es wird gerade dunkel in Konstanz, rund vor ihm wogt ein Meer von weit über 10.000 Menschen, winkt und tanzt. Und Dani, Sänger der Band 01099 sagt, dass er sein Glück über diesen Moment noch gar nicht richtig fassen kann und dass es immer sein Traum gewesen sein, einmal auf dieser Bühne im Konstanzer Stadion zu stehen.

Denn beim Campus-Festival waren 01099 vor zwei Jahren schon einmal, auf einer der kleinen Nebenbühnen. Da hatten sie das Stadium der Dresdener Schülerband gerade so hinter sich gelassen. Jetzt stehen sie ganz groß und ganz oben auf den Festival-Plakaten. Und Besucher feiern sie – so sehr, dass das eigentliche Festival-Finale, der Auftritt der Sängerin Lea, dann fast ein bisschen verblasst.
Es ist nur einer von vielen solcher Festival-Momente. Manche fühlen sich für die Besucher geradezu episch groß an. Mayberg war im Vorjahr noch eher eine Randfigur, dieses Jahr fasziniert er schon am frühen Abend auf der Hauptbühne eine fast unüberschaubare Menge. Auf der Bühne ums Eck sitzen tags darauf die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie und werden gefeiert wie Popstars.

Und sie finden zunehmenden Gefallen an dem ungewöhnlichen Auftritt – wo sonst haben sie schon mal die Chance, vor tausenden Menschen aus der Zielgruppe 16 bis 25 Jahre zu spielen? Chefdirigent Gabriel Venzago feuert die Zuhörer an, bis sie alle die Taylor-Swift-Songs mitsingen, die eigens für diesen Auftritt arrangiert worden waren.

Über 20.000 Besucher sind es am Ende dann doch geworden, wie die Veranstalter um Xhavit Hyseni und Maximilian Schrumpf zum Abschluss bilanzieren. Jede und jeder von ihnen feiert die ganz persönlichen, kleinen Festival-Momente. Das Reingezogenwerden in den Tanz-Strudel namens Moshpit. Ein Blickkontakt, der in Erinnerung bleibt, eine neu entdeckte Künstlerin, der nächtliche Heimweg über die Seestraße. Für all das, sagen die Organisatoren, ist es doch die Mühe wert.


Und es hat dieses Jahr alles – mit Ausnahme des Dauer-Ärgernis-Themas Mobilfunk und WLAN-Abdeckung – gut funktioniert. Dadurch, dass die zwei größten Bühnen im Stadion selbst aufgestellt waren, war genug Platz für alle. Hatte es 2023 noch für Enttäuschung gesorgt, dass bei einigen Auftritten die Bereiche wegen drohender Überfüllung gesperrt wurden, konnten dieses Jahr alle Besucher alle Künstler sehen – wer allerdings im vordersten Ring sein wollte, musste teils sehr früh dran sein.

Auch die Wegeleitung, die die Veranstalter zusammen mit dem Konstanzer Sicherheitsexperten Daniel Schlatter nochmals überarbeitet hatten, stieß auf deutlich weniger Kritik. Und selbst als am Samstagabend tausende Menschen geduldig auf den Bus warteten, war kaum ein böses Wort zu hören – Achtsamkeit spielt eine große Rolle bei diesem Festival, wo auch die Künstler von der Bühne unermüdlich dazu aufrufen, lieb zueinander zu sein. Das hat durchaus Programm: Xhavit Hyseni betont, dass sein Team sehr darauf achte, den Charakter des Festivals zu erhalten. Dazu gehört auch, dass mehrheitlich Frauen auftreten und die besten Platzierungen an beiden Tagen Künstlerinnen vorbehalten sind.

550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen das möglich. 22 Tage braucht es vom Beginn des Aufbaus bis zur besenreinen Übergabe das Stadions. Die Einsatzkräfte werden von einer Leitzentrale mit beachtlichen Dimensionen aus gesteuert und können immer dort eingreifen, wo es eng oder stressig wird.

All das beeindruckt auch eine Gruppe von Stadträtinnen und Stadträten, die sich das Festival einmal mit eigenen Augen ansehen. Manche staunen – so haben sie das Stadion, über dessen Zukunft sie irgendwann einmal eine Grundsatzentscheidung treffen müssen, wohl noch nie gesehen: Liebevoll dekoriert von einem studentischen Team, dicht besetzt mit fröhlichen jungen Menschen und voller Leben.

Viele, die dazu beitragen, bleiben fast unsichtbar. So wie Florian Fritz und Tamina Rottmar von der Konstanzer Veranstaltungstechnikfirma a2r Media. Sie sitzen in einem unscheinbaren Anhänger und übernehmen doch eine Aufgabe, deren Ergebnis alle ständig sehen: Sie steuern nicht weniger als 12 Kameras – teils von Hand geführt, teils fernbedient – und stellen in der Bildregie das zusammen, was auf den riesigen Bildschirmen neben den Bühnen zu sehen ist. Sie wissen, wann es welchen Sicherheitshinweis braucht und wo es sinnvoll ist, die Bilder zur gerade nicht bespielten Nebenbühne zu übertragen.
Auch die Schneckenbürgler Schneeschreck gehören zu den vielen, die zu zwei fröhlichen Festival-Tagen unauffällig und doch wirksam beitragen: Sie haben einen der Getränkestände übernommen. Man versuche immer, mit lokalen Vereinen und Gruppen zusammenzuarbeiten und etwas für beide Seiten Gewinnbringendes aufzustellen, sagen die Veranstalter und die Ehrenamtlichen unisono – und dann sind schon die nächsten zehn Pfand-Kunststoffbecher mit Radler, Bier und Wasser zu füllen.

Ein paar Meter weiter geht es dann um den Ernst des Lebens: Normen Küttner und Christiane Kreitmeier stehen am Stand von Sea Eye und werben für die Organisation, die sich für die Rettung von Geflüchteten in den Meeren einsetzt. Auch AIAS hat einen Standplatz bekommen, ein gemeinnütziger Verein zum Kampf gegen Blutkrebs, getragen von Studierenden. Fachschaften bieten eine Mischung aus Information und Unterhaltung. Und das Awareness-Team zur Unterstützung in schwierigen Lagen war beim Campus-Festival schon fest etabliert, als andere Veranstalter darüber noch milde lächelten: „Wir vergessen nicht, wo wir herkommen als Campus-Festival“, sagt dazu Xhavit Hyseni.

Wo es hingeht, ist in Teilen noch offen. Das Bodensee-Stadion hat nach den 2023 nötig gewordenen Verbesserungen mit einem großen neuen barrierefreien Zugang und den verbesserten Fluchtwegen seine Bewährungsprobe bestanden, sodass der Ort für die Neuauflage des Campus-Festivals 2025 gesetzt sein dürfte. Das Datum steht auch schon – 30. und 31. Mai 2025. Wer auftritt, wird erst nach und nach veröffentlicht.
Überraschungen dürften auch 2025 dabei sein – so wie dieses Jahr der Aufritt der Band Juli, die so gar nicht ins restliche Programm zu passen schien. Immerhin hat Sängern Eva Briegel hat mit ihrer Band Hits „Geile Zeit“ und „Die Perfekte Welle“ zu einer Zeit herausgebracht, als viele ihrer Zuhörerinnen noch nicht einmal auf der Welt waren. Und trotzdem singen alle mit. Es ist ja auch eine geile Zeit – aber im Juli-Song geht es dann weiter mit „Es ist vorbei“. Aber nach dem Campus ist für viele Besucher ja auch vor dem Campus. Und Juli hat noch so eine Festival-Moment-Liedzeile im Angebot: „Wir lieben dieses Leben!“