Dani wirkt tatsächlich ein bisschen berührt. Da steht er nun auf der größten Bühne des Campus-Festivals, es wird gerade dunkel in Konstanz, rund vor ihm wogt ein Meer von weit über 10.000 Menschen, winkt und tanzt. Und Dani, Sänger der Band 01099 sagt, dass er sein Glück über diesen Moment noch gar nicht richtig fassen kann und dass es immer sein Traum gewesen sein, einmal auf dieser Bühne im Konstanzer Stadion zu stehen.

Ein Moment voller Energie: Die Dresdener Band 01099 bringt das ganze Stadion zum Tanzen – obwohl nicht als Finale platziert, ist dieser ...
Ein Moment voller Energie: Die Dresdener Band 01099 bringt das ganze Stadion zum Tanzen – obwohl nicht als Finale platziert, ist dieser Auftritt für viele der Höhepunkt des diesjährigen Campus-Festivals. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Denn beim Campus-Festival waren 01099 vor zwei Jahren schon einmal, auf einer der kleinen Nebenbühnen. Da hatten sie das Stadium der Dresdener Schülerband gerade so hinter sich gelassen. Jetzt stehen sie ganz groß und ganz oben auf den Festival-Plakaten. Und Besucher feiern sie – so sehr, dass das eigentliche Festival-Finale, der Auftritt der Sängerin Lea, dann fast ein bisschen verblasst.

Das könnte Sie auch interessieren

Es ist nur einer von vielen solcher Festival-Momente. Manche fühlen sich für die Besucher geradezu episch groß an. Mayberg war im Vorjahr noch eher eine Randfigur, dieses Jahr fasziniert er schon am frühen Abend auf der Hauptbühne eine fast unüberschaubare Menge. Auf der Bühne ums Eck sitzen tags darauf die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie und werden gefeiert wie Popstars.

Normalerweise haben sie Publikum, hier ist mal eine Crowd: Auch die Südwestdeutsche Philharmonie wird für ihre Taylor-Swift-Songs ...
Normalerweise haben sie Publikum, hier ist mal eine Crowd: Auch die Südwestdeutsche Philharmonie wird für ihre Taylor-Swift-Songs begeistert gefeiert. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Und sie finden zunehmenden Gefallen an dem ungewöhnlichen Auftritt – wo sonst haben sie schon mal die Chance, vor tausenden Menschen aus der Zielgruppe 16 bis 25 Jahre zu spielen? Chefdirigent Gabriel Venzago feuert die Zuhörer an, bis sie alle die Taylor-Swift-Songs mitsingen, die eigens für diesen Auftritt arrangiert worden waren.

„Konstanz? Seid Ihr da???“ Chefdirigent Gabriel Venzago mit einer etwas anderen Moderation.
„Konstanz? Seid Ihr da???“ Chefdirigent Gabriel Venzago mit einer etwas anderen Moderation. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Über 20.000 Besucher sind es am Ende dann doch geworden, wie die Veranstalter um Xhavit Hyseni und Maximilian Schrumpf zum Abschluss bilanzieren. Jede und jeder von ihnen feiert die ganz persönlichen, kleinen Festival-Momente. Das Reingezogenwerden in den Tanz-Strudel namens Moshpit. Ein Blickkontakt, der in Erinnerung bleibt, eine neu entdeckte Künstlerin, der nächtliche Heimweg über die Seestraße. Für all das, sagen die Organisatoren, ist es doch die Mühe wert.

Extra nach Konstanz gekommen: Hannes Lutz aus Biberach an der Riss, Katharina Kranebitter aus Innsbruck, Jan Nietzard aus Köln und ...
Extra nach Konstanz gekommen: Hannes Lutz aus Biberach an der Riss, Katharina Kranebitter aus Innsbruck, Jan Nietzard aus Köln und Julian Meier aus Waldshut-Tiengen vertreiben sich die Zeit beim Kickern bis zum nächsten Act. | Bild: Hanser, Oliver
Sie hatten keine weite Anreise: Anette Rozenberg, Julien Gradler, Leonard Maier, Sina Weber und Suel Yelidz sind aus Konstanz und freuen ...
Sie hatten keine weite Anreise: Anette Rozenberg, Julien Gradler, Leonard Maier, Sina Weber und Suel Yelidz sind aus Konstanz und freuen sich, dass sie das Festival in der eigenen Stadt haben. | Bild: Hanser, Oliver

Und es hat dieses Jahr alles – mit Ausnahme des Dauer-Ärgernis-Themas Mobilfunk und WLAN-Abdeckung – gut funktioniert. Dadurch, dass die zwei größten Bühnen im Stadion selbst aufgestellt waren, war genug Platz für alle. Hatte es 2023 noch für Enttäuschung gesorgt, dass bei einigen Auftritten die Bereiche wegen drohender Überfüllung gesperrt wurden, konnten dieses Jahr alle Besucher alle Künstler sehen – wer allerdings im vordersten Ring sein wollte, musste teils sehr früh dran sein.

Für sie bedeutet das Campus-Festival Stress und Spaß zugleich (von links): Bei Veranstaltungsleiter Maximilian Schrumpf laufen die ...
Für sie bedeutet das Campus-Festival Stress und Spaß zugleich (von links): Bei Veranstaltungsleiter Maximilian Schrumpf laufen die Organisationsfäden zusammen, Veranstalter Xhavit Hyseni geht auch finanziell ins Risiko und der Sicherheitsexperte Daniel Schlatter sorgt dafür, dass es nicht zu gefährlichen Momenten kommt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Auch die Wegeleitung, die die Veranstalter zusammen mit dem Konstanzer Sicherheitsexperten Daniel Schlatter nochmals überarbeitet hatten, stieß auf deutlich weniger Kritik. Und selbst als am Samstagabend tausende Menschen geduldig auf den Bus warteten, war kaum ein böses Wort zu hören – Achtsamkeit spielt eine große Rolle bei diesem Festival, wo auch die Künstler von der Bühne unermüdlich dazu aufrufen, lieb zueinander zu sein. Das hat durchaus Programm: Xhavit Hyseni betont, dass sein Team sehr darauf achte, den Charakter des Festivals zu erhalten. Dazu gehört auch, dass mehrheitlich Frauen auftreten und die besten Platzierungen an beiden Tagen Künstlerinnen vorbehalten sind.

Auch das hat seinen Platz: Carl Wolf, Maja Zeile, Noemi Heim, Maya Marquardt, Jana Springer, Julius Courtial machen auf dem Festival ...
Auch das hat seinen Platz: Carl Wolf, Maja Zeile, Noemi Heim, Maya Marquardt, Jana Springer, Julius Courtial machen auf dem Festival eine Runde Yoga. | Bild: Hanser, Oliver

550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen das möglich. 22 Tage braucht es vom Beginn des Aufbaus bis zur besenreinen Übergabe das Stadions. Die Einsatzkräfte werden von einer Leitzentrale mit beachtlichen Dimensionen aus gesteuert und können immer dort eingreifen, wo es eng oder stressig wird.

Wenn hier entspannt gearbeitet werden kann, ist alles gut: Blick in die Leitzentrale, in der alle Kamerabilder und Funkkanäle ...
Wenn hier entspannt gearbeitet werden kann, ist alles gut: Blick in die Leitzentrale, in der alle Kamerabilder und Funkkanäle zusammenlaufen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

All das beeindruckt auch eine Gruppe von Stadträtinnen und Stadträten, die sich das Festival einmal mit eigenen Augen ansehen. Manche staunen – so haben sie das Stadion, über dessen Zukunft sie irgendwann einmal eine Grundsatzentscheidung treffen müssen, wohl noch nie gesehen: Liebevoll dekoriert von einem studentischen Team, dicht besetzt mit fröhlichen jungen Menschen und voller Leben.

Oase der Ruhe: Was sonst die FKK-Wiese des Freibads Hörnle ist, wird beim Campus-Festival zum gemütlichen Rückzugsort.
Oase der Ruhe: Was sonst die FKK-Wiese des Freibads Hörnle ist, wird beim Campus-Festival zum gemütlichen Rückzugsort. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Viele, die dazu beitragen, bleiben fast unsichtbar. So wie Florian Fritz und Tamina Rottmar von der Konstanzer Veranstaltungstechnikfirma a2r Media. Sie sitzen in einem unscheinbaren Anhänger und übernehmen doch eine Aufgabe, deren Ergebnis alle ständig sehen: Sie steuern nicht weniger als 12 Kameras – teils von Hand geführt, teils fernbedient – und stellen in der Bildregie das zusammen, was auf den riesigen Bildschirmen neben den Bühnen zu sehen ist. Sie wissen, wann es welchen Sicherheitshinweis braucht und wo es sinnvoll ist, die Bilder zur gerade nicht bespielten Nebenbühne zu übertragen.

Florian Fritz und Tamina Rottmar steuern die Bilder aus zwölf Live-Kameras.
Florian Fritz und Tamina Rottmar steuern die Bilder aus zwölf Live-Kameras. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Auch die Schneckenbürgler Schneeschreck gehören zu den vielen, die zu zwei fröhlichen Festival-Tagen unauffällig und doch wirksam beitragen: Sie haben einen der Getränkestände übernommen. Man versuche immer, mit lokalen Vereinen und Gruppen zusammenzuarbeiten und etwas für beide Seiten Gewinnbringendes aufzustellen, sagen die Veranstalter und die Ehrenamtlichen unisono – und dann sind schon die nächsten zehn Pfand-Kunststoffbecher mit Radler, Bier und Wasser zu füllen.

Auch sie sind mit dabei: Narren von den Schneckenbürgler Schneeschreck betreiben einen der Getränkestände.
Auch sie sind mit dabei: Narren von den Schneckenbürgler Schneeschreck betreiben einen der Getränkestände. | Bild: Hanser, Oliver

Ein paar Meter weiter geht es dann um den Ernst des Lebens: Normen Küttner und Christiane Kreitmeier stehen am Stand von Sea Eye und werben für die Organisation, die sich für die Rettung von Geflüchteten in den Meeren einsetzt. Auch AIAS hat einen Standplatz bekommen, ein gemeinnütziger Verein zum Kampf gegen Blutkrebs, getragen von Studierenden. Fachschaften bieten eine Mischung aus Information und Unterhaltung. Und das Awareness-Team zur Unterstützung in schwierigen Lagen war beim Campus-Festival schon fest etabliert, als andere Veranstalter darüber noch milde lächelten: „Wir vergessen nicht, wo wir herkommen als Campus-Festival“, sagt dazu Xhavit Hyseni.

„Europa sieht weg, wir fahren hin“: Die Organisation Sea Eye hat einen Stand auf dem Campus-Festival bekommen und informiert über ihre ...
„Europa sieht weg, wir fahren hin“: Die Organisation Sea Eye hat einen Stand auf dem Campus-Festival bekommen und informiert über ihre Einsätze, bei denen sie Flüchtlinge aus dem Meer rettet. Mit engagiert sind Normen Küttner (links) und Christiane Kreitmeiter (Mitte) | Bild: Rau, Jörg-Peter

Wo es hingeht, ist in Teilen noch offen. Das Bodensee-Stadion hat nach den 2023 nötig gewordenen Verbesserungen mit einem großen neuen barrierefreien Zugang und den verbesserten Fluchtwegen seine Bewährungsprobe bestanden, sodass der Ort für die Neuauflage des Campus-Festivals 2025 gesetzt sein dürfte. Das Datum steht auch schon – 30. und 31. Mai 2025. Wer auftritt, wird erst nach und nach veröffentlicht.

Überraschungen dürften auch 2025 dabei sein – so wie dieses Jahr der Aufritt der Band Juli, die so gar nicht ins restliche Programm zu passen schien. Immerhin hat Sängern Eva Briegel hat mit ihrer Band Hits „Geile Zeit“ und „Die Perfekte Welle“ zu einer Zeit herausgebracht, als viele ihrer Zuhörerinnen noch nicht einmal auf der Welt waren. Und trotzdem singen alle mit. Es ist ja auch eine geile Zeit – aber im Juli-Song geht es dann weiter mit „Es ist vorbei“. Aber nach dem Campus ist für viele Besucher ja auch vor dem Campus. Und Juli hat noch so eine Festival-Moment-Liedzeile im Angebot: „Wir lieben dieses Leben!“

„Geile Zeit“: Eva Briegel, Sängerin der Band Juli, ist ganz begeistert, dass tausende ganz junge Leute auch ihre 20 Jahre alten Lieder ...
„Geile Zeit“: Eva Briegel, Sängerin der Band Juli, ist ganz begeistert, dass tausende ganz junge Leute auch ihre 20 Jahre alten Lieder mitsingen. | Bild: Rau, Jörg-Peter